Am Waldrand

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Ich entschied mich dazu, nicht den Bus nach Hause zu nehmen, sondern zu laufen. Das hatte mehrere Gründe, zum Einem hasst ich das Busfahren, zum Anderen wollte ich das treffen mit meiner neuen Familie möglichst hinauszögern. Ich ließ die Schule schnell hinter mir und ging in Gedanken versunken den normalen Fußweg nach Hause. Meine Schuhe waren ziemlich alt und die Schuhsohlen waren dementsprechend ziemlich ausgetreten. So konnte ich den rauen Asphalt allerdings noch deutlicher spüren.

So wie jedes Mal, wenn ich auf dem Fußweg nach Hause ging, gelang ich nun an eine Kreuzung. Ab hier gab es zwei Möglichkeiten zu meiner Pflegefamilie zu gelangen. Ich könnte entweder den schnelleren Weg über die Straßen nehmen, oder den längeren Weg durch einen kleinen Teil des Waldes. Natürlich war das nicht schwer zu entscheiden und so bog ich nach links in den Wald. Die runtergefallenen Blätter knirschten unter meinen Schuhen, und teilweise begaben sich auch Äste dazu. Wenn Herbst war, sah der Wald ziemlich schön aus. Ich mochte zwar die kahlen Bäume nicht, allerdings war es schön, dass Laub auf dem Boden zu haben, sodass es jeden Weg verdeckte, und der kalte Wind erinnerte mich ans fliegen. Während ich so durch den Wald spazierte, schaute ich mich ein wenig um. Plötzlich entdeckte ich einen Raben, nein, den Raben, der mich in der Schule beobachtet hatte. Langsam blieb ich stehen und beobachtete ihn, ich spürte ein leichtes Kribbeln, und wusste sofort, dass dies ein Woodwalker war. Ich wusste nur nicht welcher. War es Claw oder doch ein Schüler der Clearwater High? Der Rabe legte den Kopf schräg und kniff die Augen zusammen. Dann stieß er ein lautes Krähen aus und flog au f einen Ast weiter unten des Baumes. Etwas verunsichert trat ich einen Schritt zurück. "Man du müsstest dein Gesicht jetzt sehen. Du schaust ja noch ängstlicher als Nimble", erklang eine krächzende aber sehr junge Stimme in meinem Kopf. Der Rabe wartete kurz und fragte dann spielerisch empört:" Warum sagst du denn Nichts? Hab ich dich etwa so erschreckt? Du kennst mich doch schon." Da viel es mir wieder ein:" Ich dachte du wärst jemand Anderes. Du bist einer von den Rabengeschwistern von Letztens, oder?" Leicht empört sagte er:" Natürlich bin ich einer von Denen. Wer sollte ich denn sonst sein? Ich bin der einzig wahre Shadow!" "Achso. Was machst du hier?", fragte ich, mit wiedergewonnener Selbstsicherheit. "Ich soll dich bewachen", sagte er, als währe diese Tatsache selbstverständlich. Überrascht fragte ich:" Du sollst was? Warum?" Shadow hob seinen Kopf aus seinem Gefieder, und sah mich überprüfend an:" Ich soll dich bewachen. Hat mir Miss Clearwater aufgetragen. den genauen Grund weiß ich nicht, aber du stehst wohl irgendwie im Internet." Kurz wusste ich nicht, was im Internet über mich stehen sollte, aber dann begriff ich, dass die Frau die ich "gerettet" hatte, wohl etwas gepostet haben musste. Genervt verdrehte ich die Augen:" Ist das wirklich so ne große Nummer? Das ist doch kein Grund mich auch in der Schule zu beobachten!" Shadow hüpfte aufgeregt auf dem Ast hin und her und rief währenddessen:" Ich war nicht bei dir an der Menschenschule. War da ein anderer Rabenwandler? Das ist ja voll cool, den muss ich kennenlernen!" Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Shadow war also nicht an meiner Schule gewesen, dass konnte nur bedeuten, dass der Phönix seine Assistentin auf mich angesetzt hatte, um heraus zu finden, wer mir wichtig war. Ohne auf Shadow Rücksicht zu nehmen, drehte ich mich von ihm weg und machte mich schnellsten auf den Weg nach Hause. Plötzlich hatte ich das unangenehme Gefühl beobachtet zu werden. Shadow flatterte mir empört hinterher und setzte sich dann auf meine Schulter:" Was ist denn plötzlich los mit dir?!" "Ist nicht so wichtig. Du solltest jetzt lieber zurück zur Clearwater High fliegen, wenn die Menschen dich mit mir sehen, werden sie sicher fragen stellen!", schickte ich ihm in Gedanken zu. Ich konnte es nicht zulassen, dass der Phönix unschuldige tötete. Es war sowieso meine Schuld, dass der Phönix in Amerika war. Ich konnte nicht auch noch zulassen, dass er Leute umbrachte, nur weil er sie mit mir sah. Shadow machte keine Anstalten sich von meiner Schulter zu entfernen, als scheuchte ich ihn weg. Er flatterte etwas in die Luft, dann meckerte er:" Was soll das denn? Du kannst mich doch nicht einfach so wegscheuchen! Überhaupt, warum ist es dir so wichtig, dass ich abhaue?" Ich überlegte kurz:" Sag Miss Clearwater, dass ich mich mit ihr treffen muss. den Grund musst du nicht wissen. Und jetzt verschwinde einfach, bevor dich noch jemand sieht." Mit diesen Worten fing ich nun an, den Waldweg entlang zu rennen. Shadow krächzte noch einmal, flog dann aber doch in Richtung Clearwater High davon.

Der Weg durch den Wald war deutlich länger, als der Weg durch die Stadt und so langsam bereute ich meine Entscheidung. In diesem Moment wollte ich einfach nur nach Hause. Blätter und Staub stoben auf, als ich an ihnen vorbei rannte. Es war mir egal, was die Menschen denken würden. Drachen waren keine wirkliche Läufer. In der Luft waren sie majestätisch, schnell und ausdauernd, aber zu Fuß waren sie recht träge. Ich hatte große Füße und Hände, nicht so groß, dass sie in Menschengestalt auffielen, aber sie waren wirklich nicht graziös. Ich war zwar zu Fuß nicht schnell, aber es würde reichen, um aus diesem Wald hinaus zu kommen. Und genau das machte ich mir hier zu nutze. Ich musste hier weg. Ich hielt es nicht noch länger hier aus, mit dem erdrückenden Gefühl beobachtet zu werden. Auch wenn Claw in diesem Moment wahrscheinlich nicht einmal in der Nähe war, wurde ich das Gefühl nicht los, dass sie jeden meiner Schritte verfolgte. Ich beschleunigte noch etwas, und rannte weiter auf den Waldrand zu. Wind und Staub schlugen mir ins Gesicht und erschwerten meine Sicht. Ob ich wollte oder nicht, musste ich langsamer werden. Nach ungefähr 5 Minuten war ich endlich am Waldrand angekommen. Ich blieb kurz stehen, richtete meine Haare, wischte mir den Dreck von der Kleidung und dem Gesicht und drehte mich nochmal in den Wald um. Ich musste ganz sicher gehen, dass Claw nicht hier war. Wie erstarrt stand ich am Waldrand und musterte jeden Baum in meinem Sichtfeld genau.

Ein Motor heulte auf. Mit einem schlechten Gefühl drehte ich mich um und erblickte Sihlas und seine Gang. Sihlas grinste schelmisch und rief mir entgegen:" Dachtest du wirklich wir währen schon fertig mit dir? Du glaubst doch nicht wirklich, das du mich ohne Konsequenzen schlagen kannst, oder?" Ich hatte gerade echt keine Zeit für Sihlas. Zu Vieles war im Moment wichtiger als er. Zum Beispiel, dass treffen mit meiner neuen Pflegefamilie, dass heute noch anstand auch, dass ich aufpassen musste, dass mir Claw mir nicht folgte. Genervt verdrehte ich meine Augen, doch das schien Sihlas gar nicht zu gefallen. Er blitzte mich wütend an und gab drei von seinen Leuten ein Zeichen. Zwei Jungen und ein Mädchen machten sich daran, von ihren Motorrädern ab zusteigen. Sihlas hielt sich währenddessen geschützt im Hintergrund und lächelte siegessicher.

Die Drachin AfrikasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt