Noch im Halbschlaf wollte ich Lola näher an mich heran ziehen. Heute konnten wir endlich mal wieder gemeinsam ausschlafen. Ich tastete nach ihrem warmen Körper neben mir, doch griff ins Leere. Sofort war ich hellwach. Ich setzte mich auf und sah mich aufmerksam in meinem Schlafzimmer um. Allerdings war Lola nirgends zu sehen. Beunruhigt tastete ich das Bett neben mir ab, doch es war schon kalt. Sie war also nicht erst kürzlich aufgestanden, sondern es war schon eine Weile her.
„Lola?", rief ich.
Ein ungutes Gefühl überkam mich. Erst gestern hatte Lola von Abschied gesprochen und irgendwie hatte ich geträumt, dass sie Lebwohl gesagt hatte. War das vielleicht nicht nur ein Traum gewesen? Hatte sie das etwa wirklich gesagt?
Ich schlug die Decke zurück und als keine Antwort kam, lief ich schnell ins Wohnzimmer, doch auch dort war Lola nicht. Ich suchte im ganzen Haus nach ihr. Nirgends war auch nur eine kleine Spur von ihr zu finden. Selbst in der Küche war alles unberührt. Ich schnappte mir mein Handy und rief bei Rebekah an. Sie war die erste, die mir einfiel.
„Ja?", antwortete sie nach dem dritten Klingeln.
„Rebekah, ist Lola bei dir?"
Meine Stimme überschlug sich fast. Ich machte mir Sorgen. Sie konnte doch nicht einfach verschwinden. Sie konnte mich doch nicht einfach hier alleine lassen.
„Nein, sie ist doch gestern mit zu dir gekommen. Ist sie nicht mehr bei dir?" fragte Rebekah noch leicht verschlafen.
„Sie war gestern Abend noch da, aber Rebekah sie ist weg. Wo ist sie hin? Meinst du ihr ist etwas passiert?"
„Matt, jetzt beruhige dich erstmal. Ich.."
Ich unterbrach sie.
„Beruhigen? Gestern Abend hat sie von Abschied gesprochen. Das kann doch kein Zufall gewesen sein. Rebekah sie ist weg!"
Diese Erkenntnis traf mich wie ein Faustschlag. Ich wusste, dass es die Wahrheit war und dass alles suchen nichts bringen würde. Sie war gegangen, ohne dass ich es gemerkt hatte. Wie hatte ich nur so dumm sein können, obwohl sie es mir gestern so offensichtlich präsentiert hatte. Ich ließ mich frustriert auf das Sofa fallen. Rebekah am Handy hatte ich schon vergessen. Ich konnte nur noch an Lola denken. Sie hatte mich verlassen. Und abermals hatte ich einen Menschen verloren, der mir wichtig war. Ich hatte schon wieder einen Menschen verloren, den ich geliebt hatte. Ich raufte mir die Haare und schrie mir den Frust von der Seele. Es waren keine Worte, die ich schrie, nein ich schrie einfach. Wieso hatte ich das verdient?
Warum hatte ich sie nicht aufhalten können? Warum war ich nicht aufgewacht, als sie gegangen war? Ich hätte es doch hören müssen. Spüren müssen, dass sie aus dem Bett aufgestanden war. Aber das hatte ich nicht. Und genau deswegen hatte ich sie verloren.
Da mit einem Mal fiel mein Blick auf den Kaminsims, auf dem ein roter Umschlag stand, auf welchen mein Name in geschwungener Schrift geschrieben worden war. Der war dort gestern ganz sicher noch nicht gewesen. Ich hätte ihn sicherlich bemerkt. Sofort stand ich auf, durchquerte das Zimmer und schnappte mir den Umschlag. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Ich drehte ihn in meinen Händen hin und her. Die Neugier und Hoffnung packte mich. War der vielleicht von Lola? War dieser Brief die Erklärung auf all meine Fragen, die sie offen gelassen hatte? Vielleicht stand darin, wo ich sie finden würde. Ich riss die Lasche auf, zog den Brief heraus und begann zu lesen.
Liebster Matt,
es tut mir leid, dass dieser Brief nun alles ist, was dir von mir noch bleibt. Ich hatte während der Zeit, die ich bei dir war, viele Geheimnisse, doch ich möchte, dass du eines weißt: Ich habe dich wirklich aufrichtig geliebt. Das war nie eine Lüge, meine Gefühle waren ehrlich und aufrichtig. Diese Geheimnisse, die ich vor dir verbarg, hatten nichts mit dir zu tun, ich hätte sie so gerne mit dir geteilt, aber dann wären wir beide dafür bestraft worden. Das konnte ich dir einfach nicht antun. Das hättest du nicht verdient gehabt. Matt, du bist der wundervollste Mensch, der mir je begegnet ist. Du liebst so aufrichtig und pur. Noch nie habe ich einen Menschen getroffen, der so liebt, wie du. Ich danke dafür, dass ich dies erfahren durfte. Jetzt ist die Zeit gekommen, meine Geheimnisse zu lüften. Jetzt da ich weg bin, bist du in Sicherheit. Ich werde dir alles erklären und ich hoffe, du wirst mich verstehen, nachdem du diesen Brief gelesen hast. Ich hoffe, du wirst mir danach verzeihen. Doch am besten fange ich von vorne an.
Erinnerst du dich noch an unsere erste Begegnung, dort auf dem Friedhof? Ich war total verwirrt und wusste nicht, wo ich war. Matt, du hast mich beschützt und mich zu dir genommen, obwohl ich ein fremdes Mädchen für dich war. Du hast so ein gutes und reines Herz. Weißt du, anfangs dachte ich, dass das alles nur ein Traum ist, denn ich komme eigentlich aus einer anderen Welt. Das mag für dich jetzt vielleicht ziemlich seltsam klingen, aber es ist wahr. Ich bin eine Traumwandlerin. Was das ist, werde ich dir im Laufe dieses Briefes weiter erklären. Anfangs wusste ich das alles selbst nicht. Ich hatte keine Ahnung, wie ich nach Mystic Falls gekommen war und warum ich hier war. Das alles habe ich erst erfahren, als Damon mich getötet hatte.
Ich war nicht richtig tot, wie du dir wahrscheinlich vorstellen kannst. Ich habe wie geschlafen, nur mein Körper war noch bei euch. Mit meinem Geist war ich im Land der Traumwandler. Traumwandler, das sind Menschen, die im Schlaf in andere Welten kommen, um dort eine Aufgabe zu erfüllen. Das habe ich dort in ihrem Land von meiner Grandma erfahren, die ebenfalls Traumwandlerin war. Sie hat mich mit meiner Aufgabe vertraut gemacht und mir all die Regeln erklärt. Traumwandler können in den Welten, in die sie komme, nicht sterben. Sie werden bei jedem sogenannten Tod ins Land der Traumwandler gebracht, verbringen dort einige Zeit und kommen dann wieder in die Welt zurück.
Somit hatte ich erfahren, was ich war und was meine Aufgabe war. Der Haken daran, das höchste Gebot der Traumwandler ist, dass niemand erfahren darf, wer wir sind. Schon gar nicht in der Welt, in der wir eine Aufgabe haben. Dies bedeutete für mich, dass in deiner Welt niemand wissen durfte, wer ich war. Deswegen konnte ich dir nicht erklären, warum ich wieder am Leben war. Es hätte mich verraten. Genauso durfte ich dir deswegen nicht verraten, warum ich dir so viele Fragen über deine Freunde und Klaus gestellt habe. Denn meine Aufgabe war es Mystic Falls aus Klaus Händen zu befreien. Und noch eine Regel stand mir im Weg. Ich durfte keine Beziehung zu einem von euch eingehen. Weißt du, wie das für mich war? Ich entwickelte immer mehr Zuneigung zu dir und durfte das aber nicht zulassen. Bis ich schwach wurde und unseren ersten Kuss zugelassen habe. Erinnerst du dich noch? Ich kam abermals in das Land der Traumwandler und stand dort sozusagen vor Gericht. Glücklicherweise konnte ich den Rat überzeugen, dass unsere Beziehung meine Aufgabe nicht gefährden würde, weshalb ich wieder zurück zu dir durfte. Fast hätten sie mich wieder nach Hause geschickt. Glücklicherweise bekam ich noch eine Chance.
Wir beide kommen uns immer näher und auch das Erfüllen meiner Aufgabe rückt immer näher. Jedes Mal, wenn ich mit dir zusammen bin, weiß ich, dass es bald zu Ende sein wird. Ich weiß es und darf es dir nicht sagen. Das tut mir so unfassbar leid. Matt, du hast das nicht verdient, aber ich bin einfach so egoistisch, dass ich unsere Beziehung auch nicht beenden kann. Du tust mir so unglaublich gut und ich liebe dich von ganzem Herzen. Aber bitte glaube mir, das schlechte Gewissen verfolgt mich immerzu. Das ist auch der Grund, warum ich dir diesen Brief schreibe. Ich möchte dir die ganze Wahrheit erzählen. Ich bitte dich aber darum, diesen Brief für dich zu behalten und mein Geheimnis zu bewahren. Unser Geheimnis zu bewahren.
Jetzt da du den Brief liest, bin ich nicht mehr da. Ich bin nun wieder in meiner eigenen Welt. Bei meinen Eltern, bei meinem kleinen Bruder und bei meinen Freuden. Du musst wissen, ich hätte dich unglaublich gerne mitgenommen, aber das geht nicht. Du gehörst in deine und ich in meine Welt. Ich werde dich nie vergessen Matt, auch wenn wir keine gemeinsame Zukunft haben werden. Ich hoffe du findest irgendwann wieder ein Mädchen, dass dich so liebt, wie ich es tue und dass du mit ihr glücklich wirst. Ich hoffe auch, dass du mir eines Tages verzeihen kannst. Ich wünsche dir nur das Beste, denn du hast es verdient.
Matt, ich liebe dich!
Deine Lola
Als ich den Brief fertig gelesen hatte, war mein Gesicht Tränen überströmt. Endlich hatte ich verstanden. Den Brief faltete ich mit zitternden Händen zusammen und versteckte ihn im Schlafzimmer unter der Matratze. Ich dachte an Lola und musste lächeln. Eines schwor ich mir in diesem Moment. Ich würde auf sie warten. Warten, selbst wenn es eine Ewigkeit dauern würde. Denn sie war meine zweite Hälfte. Ihr gehörte der Platz an meiner Seite, den sonst niemand einnehmen konnte.
Die Geschichte ist nun endgültig abgeschlossen. Ich möchte hier nicht viele Worte verlieren. Einzig möchte ich darauf hinweisen, dass es eine Kurzgeschichte im Anschluss an diese Story gibt. Sie heißt "Weihnachten in Mystic Falls". Link gibt es in den Kommentaren.
Danke!
Swana Lena
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A night in Mystic Falls ( The Vampire Diaries FF)
FanfictionAls Lola eines Nachts auf einem ihr fremden Friedhof aufwacht, versteht sie überhaupt nichts mehr. Schnell wird ihr bewusst, dass sie sich in einer fremden Stadt befindet, die es eigentlich nur in der Lieblingsserie ihrer besten Freundin geben dürft...