Kapitel 1

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Sienna sah, wie Aurora ihren eigenen Sohn, wie Abschaum behandelte und eine ihr unbekannte Wut stieg in Sienna auf.

Wie konnte eine Mutter, ihren eigenen Sohn nur so dermaßen hassen?

Was brachte eine, sonst so sanftmütige Frau wie Aurora dazu, einen unschuldigen Knaben, so angewidert anzusehen.

Es war Sienna unbegreiflich. Sie wollte, den ihr unbekannten Jungen schützen, ihn in die Arme schließen und jedem der ihm Leid zufügen wollte, oder nur daran dachte zerstören. Diese Gefühlswallung überraschte sie und erschreckte sie zu tiefst. Sienna fühlte nichts. Nie.

Ihr Name war nicht zu unrecht, Sienna die Eiskönigin. Also wieso, um Himmels Willen, wollte sie Aurora die Haut abziehen und sie daran erhängen?

Sienna musste sich eingestehen, dass sie Aurora schon immer verachtet hatte, schon rein aus Prinzip, denn sie hasste diese angeblich sanftmütigen Engel mit ihrer, ach so tadellosen Güte und Vergebung.

Aber das war nichts persönliches, im Gegensatz zu dem Hass, den sie ihr jetzt entgegen brachte.

Sienna wand den Blick von dem weiblichen Engel ab und betrachtete lieber den Rücken ihres Vordermannes. Er hatte breite Hörner am Schädel, die ziemlich abgenutzt aussahen. Er musste einer der wenigen Dämonen Söldner des Schattenlandes sein. Sie erkannte eine lange Narbe, die sich quer über seinen Schädel zog. Sie musste ihm in jungen Jahre zugefügt worden sein, da die Selbstheilung der Unsterblichen, meist erst zwischen dem zwanzigsten und dreißigstem Lebensjahr einsetzte, also sobald sie ihre selbstheilungs Kräfte besaßen. Der Dämon, starrte sie mit kaltem Blick an, der die meisten Wesen wahrscheinlich in die Flucht geschlagen hätte.

Doch Sienna hatte schon weitaus schlimmeren Blicken standgehalten und starrte ihm deshalb unbeirrt in die dunklen, schwarzen Augen zurück. Er betrachtete sie einen weiteren Augenblick lang bis sein Blick dann auf ihr Mal glitt. Ein brüllender Drache, der sich von ihrem Hals bis runter zu ihrem Bauch wand. Ein wissender Blick glitt über das vernarbte Gesicht des Dämons.

"Drachenbrut", zischte er verwundert und sah sie dann wieder an.

"Ich hatte schon ein paar über einen Mischling tuscheln hören. Also ist es wohl war, was man sich so über dich erzählt."

Sie hob eine Augenbraue. "Kommt drauf an, Dämon. Was erzählt man sich denn so über mich?"

Sienna kannte die Antwort bereits, es war eine weitere übertriebene Sage über ihre Söldneraufträge. Trotz alledem, war es immer wieder ein Genugtuung, von den Gerüchten zu hören. Sie peppten ihren Ruf auf und hielten ihre Auftraggeber bei Stange, so brauchte sie sich keine Sorgen, um ihren Bekannschaftsgrad zu machen. Der war nämlich nötig in ihren Beruf, wenn man ihn so nennen konnte.

Je mehr sie kannten und sie auf etwas ansetzten, um so mehr Geld kam rein. Von irgendwas, musste man ja auch Leben. Nicht jeder Unsterbliche hatte ein Clan, der ihn finanziell und in allem anderen half. Oder ein reiches Erbgut, manche wie sie mussten hart arbeiten, um ein normales Leben zu führen. So weit man ihr Leben, als Mischling mit Drachengenen als normal bezeichnen konnte.

"Man sagt sich, du hättest die Braut eines Untoten geköpft, nachdem du sie tagelang, immer wieder dem Sonnenlicht ausgesetzt hast."

Er zögerte, überlegte dann und schob grinsend nach:

"Und geköpft, sollst du sie mit ihrem eigenen Gebiss haben."

Der Dämon sah sie erwartend an. Dieses Gerücht war eben so neu, wie es gelogen war. Sienna tippte sich mit dem Zeigefinger ans Kinn, tat so als würde sie sich konzentrieren müssen und scharf nachdenken. Sie wusste, dass sie dem Dämon die Wahrheit erzählen konnte, denn Dämonen hatten eine tiefe Abneigung gegen Vampire, er würde nicht ausrasten, wenn sie einem Vampir etwas grausames angetan hätte. Für Dämonen war es unbegreiflich, dass sie den selben Ursprung haben sollten, wie diese erbärmlichen, schwachen, sonnenängstlichen Kreaturen.

"Ich muss dich leider enttäuschen Dämon, die Geschichte stimmt leider nicht."

Sofort verschwand sein Interesse wieder und er drehte sich weg von ihr und stand wieder da, als wäre nichts gewesen.

Sienna fühlte sich, als hätte sie einem Welpen der nahrhaften Zitze seiner Mutter entrissen, also rückte sie das Gerede ins richtige Licht.

"Es war nicht seine Braut.", sagte sie. "Er wusste es zwar nicht, aber er hat sie vertauscht. Sie war eine kleine, verlogene Hexe, die den Vampir mit einem Bann belegt hatte." Sonst hätte sie, diese Riskante Aktion wohl kaum überlebt. Man nahm einem Vampir seine Braut nicht unbestraft weg. Ihr graute es immer noch, wenn sie daran dachte, was passieren könnte, wenn der Vampir sie erst mal fand. Sie säße dann ziemlich tief in der Patsche. "Außerdem", fuhr sie fort, " konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, wo sie mein Zielobjekt versteckt hat. Also half ich ihr dabei, sich wieder daran zu erinnern."

Sienna zuckte mit den Schultern.

"Der Rest des Gerüchtes stimmt sonst mit den Gegebenheiten überein. Obwohl, ich erinnere mich noch dunkel daran, ihr den unnützen Darm entnommen zu haben. Sie wollte einfach nicht still sitzen bleiben, um den Sonnenaufgang zu betrachten und ich hatte leider keine magisch verstärkte Kette dabei, um sie an den Boden zu fesseln. Da musste der Darm hinhalten."

Sienna nickte bestätigend, nun war dem Gerücht die Wahrheit hinzugefügt worden. Alles musste doch seine Richtigkeit haben. Sie würde ihm jedoch nicht erzählen, weshalb sie dass Gebiss der Hexe, als ein Art Schere benutzt hatte. Denn es kam einem Todeschwur gleich, zu zugeben, dass sie ihr Schwert und ihre Messer beim Kampf mit der Hexe zuvor verloren hatte. Niemals durfte sie ihre Waffe fallen lassen! Wenn jemand von ihrer Ungeschicktheit mitbekommen würde, dann wäre das ihr letzter Fehler gewesen.

Der Dämon vor ihr zuckte unkontrolliert zusammen. Was war denn jetzt los? Bekam er etwa einen Anfall, nein das war ausgeschlossen. Dann brach er in schallendem Gelächter aus.

Sienna musste nun auch grinsen als sie sah, wie der Dämon sich vor Lachen zu krümmen begann. Tja, man lernte wohl nie aus.

Als der Dämon sich wieder ein wenig beruhigt hatte, sah er sie grinsend an.

"Du gefällst mir, Mischling. Ich habe schon lange nicht mehr so gelacht. Wie heißt du?"

Sienna zögerte kurz, bevor sie antwortete. Doch dann, gab sie sich einen Ruck, der Dämon schien einen Sinn für Humor zu haben, den hatten weiß Gott die wenigsten, die ihr begegneten.

"Sienna Dracul."

Seine Augen blitzten auf. "Die Eiskönigin?" , fragte er verwundert.

Sienna nickte. "Und mit wem, habe ich das vergnügen?"

Er reichte ihr seine riesen Pranke von einer Hand.

"Mein Name ist Rijod."

Rijod. Der Name sagte ihr doch was und dann wusste sie, wieder woher. Rijod bemerkte wohl ihren verblüfften Gesichtsausdruck.

"Wie ich sehe, eilt mir mein Name voraus."

Oh Mann, sie hatte es hier mit dem rechtmäßigen Thronfolgen des Sachattenlandes zu tun. War ja klar, dass ausgerechnet sie an eine der gefährlichsten Lebewesen geriet. Sienna grinste ihn an. "Wie klein die Sphären doch sind."


@#Wattys2015

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