Drachenblut

Kapitel 50

Sienna wollte es nicht zugeben, aber irgendwie genoss sie die Gesellschaft von Nikolai. Sie sprachen ein wenig über vergangene Zeiten, über die Gesellschaft und ihre Ansichten und was ihr am meisten gefiel, dass sie beide ein großes Interesse an der Kampfkunst und Waffen hatten. Sie teilten sogar die gemeinsame Vorliebe an der Schwertkampfkunst,  während er lange Schwerter bevorzugte, fand Sienna mehr Nutzen an kleinen Schwertern und Messern, da sie diese einfach in ihren Stiefeln verstecken konnte, was ihn seltsamer Weise zu erfreuen schien. 

Je mehr sie über Nikolai erfuhr, umso näher fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Sie hatte nicht bemerkt, wie es spät es geworden war, bis die Kellnerin zu ihnen an den Tisch kam und sie darauf hinwies, dass sie bald schließen würden. Mittlerweile war es draußen schon dunkel geworden und sie waren die zwei letzten Gäste in dem Lokal. Von alledem hatte Sienna nichts mitbekommen, weil sie zu tief in der Unterhaltung mit dem Vampir versunken gewesen war. Eine weitere Leichtsinnigkeit, die sie unter anderen Umständen das Leben hätte kosten können. 

Nikolai bezahlte derweil die Kellnerin und ließ nach dem dankbaren Blick der Dame ein saftiges Trinkgeld springen. Nachdem sie sich bedankt hatten, verließen sie dann auch das Lokal. Beim Austreten hielt er ihr die Tür auf, was Sienna nur noch mit einem Augenrollen kommentierte. Sie schien sich langsam am seine natürliche Altmanier zu gewöhnen. 

Alle Männer mit denen sie davor ausgegangen war und die nicht nur für einen kurzen Spaß gedient hatten, waren so ganz und gar nicht wie Nikolai gewesen. Sie mochte eher die Sorte Mann, die nicht unbedingt unterwürfig war, aber klar wusste, dass sie ihren eigenen Kopf hatte und ihr keiner was vorschreiben konnte. Sie kannte ihn zwar erst seit ein paar Tagen, aber sie hatte einen kleinen Vorgeschmack darauf bekommen können, wie er zu der Frau war, die er als seine Braut erachtete. Er schien ihre Stärke zu respektieren, ohne seine eigene dabei einbüßen zu müssen und war zudem auch noch äußerst charmant und kriegsgelehrt. Auch seine Statue hatte Sienna von Anfang an zugesagt. Eventuell wäre es ja möglich eine Ewigkeit an seiner Seite zu verbringen ohne, dass sie das Interesse an einander verlieren würden...

Als sie bemerkte wohin ihre Gedanken gewandert haben, schrieen alle ihre Alarmglocken auf. Bei allen Drachen sie hatte doch nicht ehrlich in Erwägung gezogen, etwas mit dem Vampir anzufangen. Ganz davon abgesehen, wie er sie von Anfang behandelt hatte, waren sie schon allein von ihrer Art zu unterschiedlich, sie als Drachenmischling und er als Vampir. Hölle nein, nicht in diesem Leben!

Als könnte er ihren Gedankenumschwung lesen, überließ er sie den Rest des Rückweges ihren Gedanken. Auch ohne zu Reden war es nicht unangenehm zwischen ihnen beiden, es fühlte sich harmonisch und richtig für Sienna an und dagegen wollte sie sich nicht auch noch wehren müssen, weshalb sie es diesmal einfach geschehen ließ. Sie durchquerten ohne weiteres Aufsehen die Pforte zum Institut mit ihren Lederarmbändern und gingen direkt hoch zu ihrem Zimmer. Oben angekommen reichte Nikolai ihr seine zwei Präsente und bedachte sie mit einem fast schon knabenhaften Grinsen. Sienna reichte ihm im Gegenzug ihres rüber. Sie wusste wahrhaft nicht, wie sie sich in dieser Situation zu verhalten hatte. Das formelle Austauschen von Geschenken war ihr fremd, soweit sie sich zurück erinnerte hatte sie sowas noch nie getan. Natürlich hatte sie ihren Freunden schon bei Feierlichkeiten einen Ausgegeben oder war mit ihnen Essen gegangen, jedoch unterschied sich dies in weitem zu diesem Austausch von Objekten. Machte sie sich wirklich gerade Sorgen, ob ihr Geschenk ihm gefallen würde. Ursprünglich war es nicht einmal als eines angemacht gewesen. Ach, verdammt!

"Möchtest du es nicht gleich öffnen?", meinte Nikolai gespannt. 

"Ah ja, natürlich.", gab sie leicht nervös zurück. Ihre ruhige, gefühlsneutrale Art konnte sie bei dem Vampir ohnehin vergessen, dafür hatte er sie in den letzten Tage zu oft in hitzigen Situationen vorgefunden.