Siennas Blick huschte kurz wieder zu dem Vampir vor ihr. Er verhielt sich seltsam. Was hatte er vor? Sie hatte erwartete, dass er sie sofort angreifen würde sobald er Sienna erblickte, doch dem war nicht so. Stattdessen hatte er sie intensiv gemustert und ihr auf die Lippen gestarrt. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte.
Dieser Vampir plante irgendwas und Sienna beunruhigte das zu tiefst. Momentan war sie ihm unmittelbar ausgeliefert und hoffte darauf, dass er zu seinem Versprechen stand. Wenn nicht, würde er ein unüberwindbares Hindernis für sie darstellen.
Sie schüttelte ihre Gedanken ab und konzentrierte sich auf den Titanen. Sienna hoffte, dass es nur einer war, denn sie war sich sicher, dass zwei Titanen sie ohne große Schwierigkeiten erledigen könnten.
Da kam es auch schon um die Ecke gestampft und mit ihm wieder dieser verwesende Gestank, der Siennas Lungen verätzde. Hinter sich hörte sie, wie Thea wieder zu husten begann, obwohl sie nicht einmal annähernd so viel wie Sienna roch.
Sie ahnte, dass es dem Vampir genau so elend ergehen müsse wie ihr, doch man merkte es ihm kaum an. Er blieb stumm und regungslos in seiner Abwehrhaltung. Sienna musste sich eingestehen, dass sie das ziemlich beeindruckte.
Sie war in Gedanken wieder wo anders und zwang sich ins Hier und Jetzt. Dieser Vampir war ihr gefährlich und das in mehrerlei Hinsicht, sie musste sich vor ihm vorsehen. Die Tafel. Wenn sie die hatte und sicher zurück brachte, war ihr Auftrag erledigt. Das hieß der Titan vor ihnen stand ihrem Ziel im Weg und das konnte Sienna gar nicht leiden.
Dann stand der Titan in seiner vollen Wiederlichkeit vor ihr, genau so nackt wie seine Artgenossen vor ihm. Doch diesmal war es ein ganzes Stück größer als seine Vorgänger. Ein ganz großes Stück größer. Vor ihm hätten sie sich nicht in den Bäumen verstecken können, denn es hätte sie glatt aus den Ästen gefegt mit seinen riesen Händen.
Die Augen des Titanen huschten orientierungslos hin und her ohne einen Punkt zu fixieren. Trotzdem schritt es zielgenau auf sie zu. Sienna sah, wie der Vampir neben ihr auf einmal verschwand und spürte nur noch einen leichten Luftzug, der an ihr vorbei fegte.
Wo bei allen Drachen war er hin? Sienna hatte ihm noch nicht einmal mit ihren Augen folgen können. Auf einmal flüsterte ihr Thea etwas von hinten zu. Wie es schien war ihre Stimme von dem Druck auf ihre Lunge noch rau und es hörte sich an, als würde eine Krähe krächzen.
Sie warf einen raschen Blick zurück und erblickte Theas ausgestreckten Finger, der direkt auf den Titanen zeigte.
»S-seine Schulter..., er ist auf seiner Schulter!«, spuckte sie aus.
Sienna sah zum Titanen und tatsächlich der Vampir hatte es irgendwie geschafft, auf den Titanen zu steigen, ohne dass es dies bemerkt hatte.
Wow, dachte sie sich.
Dann machte er auf sich aufmerksam, indem er Blickkontakt mit ihr herstellte. Sienna zog eine Augenbrauen hoch und fragte so, was er wollte.
Er deutete auf seinen Stiefel und zog dann einen seiner Finger waagrecht über seinen Hals. Er wollte ihr Messer. Sienna dachte nicht lang nach, wieso sie es ihm lieber nicht aushändigen sollte. Mit einer schnellen Bewegung griff sie danach und schleuderte es direkt auf den Vampir zu.
Dieser fing es mit einer Hand ab und verschwand auf einmal wieder von der Schulter. Mist! Wenn er jetzt abgehauen war, wäre das verdammt peinlich für sie, denn Sienna hatte ihm blindlings vertraut und eines ihrer Waffen abgegeben. Das dümmste, was eine Söldnerin tuen konnte. Sie wollte ihren Kopf am liebsten gegen die nächste Wand rammen, Aber dafür hatte sie keine Zeit.
Der Titan kam auf sie zugestampft und fing leicht an zu staucheln. Sienna hörte etwas unter seinen Füßen knirschen. Waren das etwa Knochen?
»Hey Assassine, mach dich mal hilfreich und gib mir Starthilfe bei meinem Sprung.«, rief Sienna ihr zu während sie auf Thea zulief.
Man sah ihr ihre Verwunderung an, doch sie stimmte sofor ein und verschränkte ihre Hände miteinander. Mit Anlauf sprang Sienna in ihre Hände, federte sich mit These Hilfe ab und flog mit einem Rückwärts Salto auf den Titanen zu.
Als sie vor seinem Gesicht war, holte sie mit ihren Krallen aus und stach ihm in den linken Augapfel. Doch die einzige Reaktion, die sie bekam war ein Ploppen als das Auge aufplatzte und sich eine Flüssigkeit aus dem Inneren einen Weg nach draußen suchte. Dann wurde sie von seiner Pranke erwischt und knallte mit voller Wucht gegen die Wand.
Die Welt drehte sich als ihr Kof donnernd gegen das Gestein geschlagen wurde. Siennas Blick verschwand und sie knallte hart auf dem Boden auf. Ihre Lippe platzte auf und Siennas Backe schrammte am Boden entlang.
Scheiße, tat das höllisch weh!
Sie versuchte sich wieder aufzurichten und benutzte die Steinmauer als Stütze, doch bevor sie wieder stand verschwamm ihr Blick erneut. Ihr tropfte Blut in die Augen und verschleierte ihre Sicht.
»Assassine?«, schrie sie.
»Hier.«, kam es von hinten irgendwo.
Sienna versuchte das Blut weg zublinzeln, doch erfolglos.
»Verdammt, ich kann nichts sehen!«, fluchte sie laut.
Sie wischte sich mit den Armen übers Gesicht. Zwecklos. Das Blut schien schier unendlich, auch wenn sie wegen dem Adrenalin keine Platzwunde spürte, nur die Kratzer an Hand und Lippe.
»Keine Sorge, Drachin.«, ertönte der Barriton des Vampires.
Er war doch da geblieben und nicht abgehauen. Das erleichterte Sienna ungemein, wieso auch immer.
Dann schlug etwas neben ihr auf. Die Erde erschütterte und Sienna stürzte fast, doch im letzten Moment wurde sie von zwei kräftigen Armen gehalten.
»Ganz langsam. Du hast da eine mächtige Platzwunde, Drachin. Das schmerzt sicherlich.«
Seine Stimme so nah bei ihr ließ Sienna erzittern. Sie schlang ihre geschundenen Arme um sich und wollte sich losreißen, aber sie konnte immer noch nichts sehen.
Dann strich er ihr sanft über die Arme und kam noch näher. Sienna spürte nun seine Brust direkt an ihrem Rücken.
Dann ein verruchtes Flüstern.
»Soll ich deine Wunde heilen, Drachin?«, fragte er zu ihrem Entsetzen.
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Drachenblut
FantasySienna ist ein Drachenmischling und damit die letzte ihrer Art. Verstoßen von den Drachen, widmet sie ihr Leben dem Söldnerdienst. Doch auf einmal steckt sie tief in der Patsche, weil sie die Braut eines Unsterblichen gefoltert haben soll, sie muss...