Drachenblut

Kapitel 17

Als Sienna auf der anderen Seite des Portals ankam, wehte ihr ein modriger Gestank entgegen. Es roch nach Verwesung und anderen widerlichen Gerüchen, die Sienna nicht benennen konnte. Sie ließ ihren Blick schweifen um die Gegend auszukundschaften, doch außer gigantisch hohen Bäumen entdeckte sie nichts.

»Autsch!«, ertönte es hinter ihr als Thea plumpsend auf ihrem Gesäß aufkam.

Sienna schnaubte nur. Anfänger!

»Wie kann es sein, dass du immer noch keine gescheite Landung hinbekommst, obwohl ihr ein eigenes Portal besitzt?«

Thea rappelte sich auf und klopfte den Dreck von ihrem Hinterteil ab.
Dann blickte sie zur Seite und murmelte unverständlich etwas vor sich hin.

»Ich kann dich nicht hören, Assassine.«

Thea blickte auf, geradewegs in Siennas Augen und endgegenete diesmal mit fester Stimme.

»Ich bin noch nie außerhalb unserer Spähre gewesen, also bin ich auch noch nie portalisiert worden. Und...urgh«

Thea hielt sich auf einmal krampfend den Bauch fest. Sienna wusste was jetzt folgen würde und trat deshalb sicherheitshalber ein paar Schritte zurück. Wie auf Kommando übergab sich Thea vor ihr auf den Boden. Da Sienna sich dieses Spektakel nun wirklich nicht antuen wollte, lief sie weiter in den Wald, der vor ihnen lag. Thea würde sich schon bald wieder beruhigt haben. Mythianer traf es besonders hart, bei ihren ersten Portationen. Das machte sie besonders anfällig für einen Angriff direkt nach ihrer Ankunft, weshalb die Portale normalerweise gut versteckt waren.

Sie dachte kurz darüber nach was Thea gesagt hatte. Konnte es wirklich sein, dass sie ihre Spähre noch kein einziges Mal verlassen hatte? Doch sie verwarf den Gedanken gleich wieder, was interessierte Sienna das. Wenns so wäre würde sie halt drauf gehen war ja nicht ihr Problem.

Sie konzentrierte sich wieder auf den Weg vor ihr. Und schaute sich kritisch um, während sie voranschritt.
Sienna konnte jedoch nichts ungewöhnliches an dieser Sphäre wahrnehmen. Naja, bis auf die Tatsache, dass ihr hier alles monströs erschien und sie sich vorkam, wie ein Käfer auf einer Wiese. Das war jedoch alles zu erwarten gewesen, immerhin befanden sie sich jetzt in der Welt der Titanen. So viel Sienna wusste, gab es keine größeren mythischen Kreaturen als diese Riesen. Die Titanen waren bekannt für ihre gewalttätigkeit und sie schlachteten ohne viel nachzudenken ganze Völker ab, weil sie sich an der Angst und den panischen Schreien ihrer Oper labten. Das einzig hoffnungsvolle an Siennas Auftrag war, dass die Titanen Stroh dumm waren, zumindest wurde ihnen das nachgesagt. An diesen Gedanken klammerte sie sich, als wäre es ihr letzter Rettungsanker.

Thea holte langsam von hinten auf und bestaunte ihre Umgebung.

»Diese Bäume jagen einem einen heiden Respekt ein.«, meldete sich Thea leise zu Wort.

Sienna hatte keine Lust darauf mit diesem Kind zu reden, Schweigen war ihr viel lieber. Also wenn Sienna sie schon mitschleppen musste, dann wenigstens zu ihren Bedingungen. Jedoch wusste sie auch, dass Thea nicht einfach ruhig bleiben würde, wenn man sie dazu aufforderte, es würde eher dazu führen, dass sie noch mehr sprach, also entgegnete Sienna nur:

»Dann wart mal ab, bis du die Bewohner dieses Waldes siehst. Die sind auch nicht ganz ohne.«

Als sich Thea darauf an ihrer eigenen Spucke verschluckte, musste Sienna doch noch grinsen.

Doch das Grinsen wurde ihr schlagartig vom Gesicht gewischt als sie plötzlich einen Duft vernahm, der nicht von dem widerlichen Gestank dieses Ortes überlagert wurde. Einen Duft, denn sie niemals hier erwartet hätte und der ihr genauso viel Schrecken einjagte, wie die Titanen.

Sie roch einen Vampir. Der, dem sie die Ewigkeit mit seiner Braut geraubt hatte.