Kapitel 24

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Sie flogen immer tiefer und tiefer, bis sie irgendwann nichts mehr erkennen konnten, also schoss Sienna kurz einen Feuerball aus ihrem Mund hinab. Es erhellte ihre Umgebung für einen kurzen Augenblick bevor es dann von der Dunkelheit verschlungen wurde. Na wunderbar! Außer der Wand neben ihr hatte Sienna nichts erkennen können.

»Ich trau mich das kaum zu fragen, aber du fühlst nicht zufällig, wie tief das hier geht?«, erkundigte sie sich missmutig bei Thea.

Sienna spürte, wie sie ihren Kopf schüttelte.

»Nein«, gab sie zu,»aber ich spüre, dass wir der Tafel sehr nah sind. Die Präsenz ist beinahe greifbar für mich.«, versicherte sie zuversichtlich.

Sienna flog noch gut fünf Minuten bevor sie wieder einen Feuerball aufflammen ließ. Thea quietschte auf und klopfte wild auf ihrem Kopf rum.

»Du hast fast meine Haare abgefuckelt!«, empörte sie sich.

»Mist, nur fast? Beim nächsten Mal ziele ich besser, versprochen.«

Sienna musste grinsen als sie hörte, wie Thea ihr missliche Lage verfluchte. Wenn sie schon hier mit dieser Plage fest saß, könnte sie sich auch ein wenig amüsieren.
Die Flamme hatte nicht geholfen, es war viel zu dunkel um irgendwas erkennen zu können. Auch ein Ende der Schlucht war nicht in Sicht. Die Flamme verschwand einfach im Nichts. Im kalten Nichts, denn je tiefer sie flogen, um so rascher sank die Temperatur um sie herum. Sienna hasste kalte Orte, sie war ein halber Drache und fühlte sich bei tropischem Klima wohl, nicht bei beinahe arktischen Temperaturen.

Auf einmal lichtete sich ihre Umgebung und ein heller Lichtstrahl schoss ihnen entgegen. Sienna wurde geblendet und wollte sich ihre Hände vor den Kopf halten, vergaß aber, dass sie noch Thea hielt. Diese wurde prompt mit hochgerissen und kreischte, da sie nun auch nichts mehr sehen konnte und dem Strahl schutzlos ausgeliefert war. Mit ihren Händen schlug sie blindlings nach Sienna und brachte sie dabei zum Schwanken. Als sie sich an ihren Flügeln vergriff, konnte Sienna ihr Gleichgewicht nicht mehr halten und sie stürzten gen Boden.

»Las los!«, brüllte Sienna, doch Thea blieb standhaft und so fielen sie zusammen runter. Mit einem Flügel versucht Sienna nun den Fall abzuschwächen, was ihr kläglich misslang. So stürzten sie in einem freien Fall zu Boden ohne dass einer von ihnen was sehen konnte.

Sie wurden immer schneller, Sienna spürte schon wie der Boden näher kam. In ihrem Geist lief die ganze Folter aus ihrer Kindheit ab, immer wieder, als wäre es eine hängende Schallplatte. Sie fühlte Wut, Verzweifelung und wieder Wut. Sie war nicht mehr das schwache Mädchen von damals, sie war Sienna Dracul, die Eiskönigin. Sie versuchte etwas in sich heraufzubeschwören, einem Trieb folgend, ließ sie ihre mentalen Mauern fallen und schon wallte eine ihr unbekannte Kraft auf, brach sich aus ihr heraus. Sienna konnte diesen Schub aus ihrem Inneren nicht kontrollieren, sie wurde von ihren eigenen Kräften übermannt. Ihr Blickfeld färbte sich blau, waren das Flammen die sie da sah? Nein, das konnte nicht sein, nur ein wahrer Urahne der Drachen war dazu im Stande und sie konnte keinen entdecken. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, verschwand alles vor ihr. Und über Siennas Geist legte sich eine tiefe Ruhe, sie war so erschöpft...
Sie ließ der brodelnden Macht die Kontrolle und driftete ab. Das letzte, was sie spürte, war ein warmes Lecken an ihrem ganzen Körper, dass sie sachte in die Lüfte schwang, dann wurde sie ohnmächtig.

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