Kapitel 22

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Nikolai musste sich schnell überlegen, wie er den Titanen ausschalten konnte, ohne selbst dabei drauf zu gehen, was sich als ziemlich schwierig erübrigen würde. Die einzigen Waffen die er bei sich hatte, waren die kleinen Dolche in seinen Stiefeln und die könnte der Titan als Zahnstocher benutzen, obwohl dafür wären sie auch schon zu klein.
Er saß richtig tief in der Scheiße fest. Teleportieren konnte er sich zudem auch nicht mehr, da es sein Blutdurst rasch verstärken würde und ihn zu schnell kraftlos zurücklassen würde.

Und dann sah er es. Nackt und mit schief gelegtem Kopf grinste ihn eine menschenähnliche, 20 Meter hohe Bestie an. Es war eines der kleineren Exemplare, Nikolai wusste nicht ob er sich deshalb glücklich schätzen konnte. Verdammt, es war mindestens zehnmal so groß wie er.

Der Titan stampfte paar mal auf der Stelle rum bis es tänzelnd auf Nikolai zurannte. Er musste sich jetzt schnell einen Plan zurechtlegen, denn das Wesen kam mit der Geschwindigkeit einer Rakete auf ihn zugeschossen, und wie eine Walze würde es ihn auch zerdrücken. Er musste weg von der Lichtung und in den Wald. Hier hatte er keine Chance, denn es gab nichts wohinter er sich verstecken oder drauf klettern konnte.

Aber wie sollte er es bis zum Wald schaffen? Na gut, da half nur eins und zwar rennen, was der Teufel hält.
Doch da ihn der Titan in null Komma nichts überholen konnte, war sein einziger Weg durch die Beine des Titans. Im Idealfall würde der Titan über seine eigenen Füße stolpern und Nikolai genug Zeit für eine Flucht bieten. Er wartete bis das Wesen die Entfernung auf eine Meile verringerte und flitzte los. Der Titan hatte kaum Zeit ihn war zunehmen, als er schon durch seine Beine Richtung Wald verschwand. Den ersten Baum den Nikolai für hoch genug befand, erklomm er und hielt Ausschau nach dem Riesen. Dieser stand immer noch an der selben Stelle und schaute mit dem Kopf zwischen seinen Beinen in den Wald. Suchte er etwa Nikolai? So dumm konnten diese Titanen doch nicht sein, oder? Nach einer gefühlten halben Ewigkeit, erhob sich der Titan endlich aus seiner gekrümmten Haltung und drehte sich Richtung Wald. Genau dahin, wo Nikolai stand. Hatte es etwa beobachten können, wo er hin gerannt war? Das verdarb ihm zwar den Überraschungsangriff, ermöglichte ihm aber gleichzeitig den Titanen von seinem aktuellen Standpunkt anzugreifen. So musste er sich nicht unnötig weiter weg bewegen. Eine Flucht schloss Nikolai von Anfang an aus, denn obwohl das Wesen geistig zurück geblieben war, besaß es doch die Nase eines Bluthundes und würde nur aus Spaß Nikolai hinterher jagen. Das wollte er wenn möglich vermeiden, also hieß es Mal wieder töten oder getötet werden.

Stampfende drehte sich der Titan um und schwankte erneut in Nikolais Richtung. Seine Arme schlackerten dabei lose hin und her, als würden sie nicht zum Körper des Riesens gehören und auch sein Gesicht wackelte von links nach rechts. Auf eine groteske Weise erinnerten ihn die Bewegungen an eine Marionette, als wären die einzelnen Extremitäten nicht Teil des ganzen Körpers.

Das Wesen wurde immer schneller und schneller, raste auf Nikolais Baum zu. Es wollte doch nicht..., nein oder doch?

Mit voller Wucht rammte der Titan sich gegen den Baum. Nikolai hörte Holz knacken und ein heftiger Ruck fuhr fuhr durch den Stamm. Beinahe hätte es ihn vom Ast geschleudert, doch in letzter Sekunde hielt er sich fest.

Was zur Hölle war das denn gewesen?!
War dieses Ungetüm von Sinnen? Welcher Idiot rammte denn seinen ganzen Körper gegen einen Baum?

Doch der Titan beließ es nicht bei einem Stoß. Immer wieder rammte es seinen Kopf gegen den Stamm, selbst als ihm Blut von der Stirn tropfte, hämmerte es weiter auf den Baum ein. Nikolai hörte den Baum wieder ächzen und langsam begann er gefährlich stark zu schwanken. Ihm war klar, wenn der Titan so weiter machte, würde der Stamm nachgeben und Nikolai wäre diesem hirntoten Monster schutzlos ausgeliefert. Er musste auf einen anderen Baum springen, aber wie? Wenn er jetzt losließ würde er garantiert stürzen.

Nikolai fluchte, alles wegen dieser verdammten Frau. Er musste den Sprung riskieren, alles war besser als von dem Wesen zermanscht zu werden. Er ließ los und wollte gerade springen, als der Titan abrupt inne hielt. Nikolai ergriff die Chance und warf sich auf den Ast des nächst stehenden Baumes. Schnell ergriff er den neuen Stamm und hielt sich fest, doch der Titan folgte ihm nicht.

Was war denn jetzt los?

Nikolai blickte herab, jedoch war der Titan ihm nicht gefolgt, stattdessen stand es noch am alten Baum und starrte beinahe lauschend in den Wald.

Auch Nikolai sah dorthin, konnte jedoch nichts erblicken. Erst als die Erde zu rumpeln begann, wurde Nikolai klar, dass sich da etwas bedrohliches auf ihn zubewegte. Bedrohlicher als dieser Titan. Sein einziger Gedanke galt nun seinem Überleben, das hieß er musste hier schleunigst weg. Er rappelte sich auf und sprang von einem Ast zum anderen, Hauptsache weg von diesem Gerumpel. Das Poltern aber war zu stark geworden und Noklai musste sich nun doch geschlagen an dem Baum festklammern. Er war seiner Meinung nach, immer noch viel zu nah an der kommenden Gefahrenquelle.

Und dann sah er es, wie ein Schwarm Heuschrecken rannten sie zwischen den Bäumen hindurch. Verdammt Titanen! Es waren an die sechs Dutzend, die wild durcheinander trampelten.
Was zum Henker, war hier los?

Er hoffte, dass sie ihn nicht bemerken würden, sonst wäre er endgültig geliefert gewesen. Zu seinem Glück eilten sie alle an ihm vorbei und auch sein Titan schloss sich lachend an.

Wohin rannten sie?
Oder noch schlimmer: Wovor flohen sie?

Nikolai war so abgelenkt von dem Spektakel, dass er beinahe den Geruch nicht wahrgenommen hatte, der plötzlich an ihm vorbeiwehte.

Die Drachenfrau!

Wutentbrannt blickte er sich um, durchkämmte den Wald und die Lichtung, doch er konnte sie nicht entdecken. Verdammt, er roch sie doch und zwar ganz nahe bei ihm.
Wo konnte sich die Drachenschlampe verstecken? Und dann einer Eingebung folgend blickte er in den Himmel.

Da flog sie zusammen mit einer Frau, die baumelnd in ihren Armen hing.
Als hätte sie Nikolais nach Rache durstenden Blick gespürt, sah sie runter, genau in seine Augen. Nikolais Mund verzog sich zu einem grausamen Lächeln.

»Hab ich dich, du Hexe.«, formte er mit seinen Lippen und sah wie sich ihre Augen weiteten.

DrachenblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt