Kapitel 4

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Sienna rollte sich ab, sobald sie den Boden unter ihren Füßen verlor und kam schwungvoll wieder auf die Beine, doch ehe sie sich versah rutschte sie in eine große Vertiefung und kam schlitternd am Grunde eines tiefen Kraters an.

Was hier wohl passiert war?

Dann ertönte eine weibliche Stimme. Amarilya stand im Eingang zu ihrem Schloss und winkte, Sienna zu sich.

Sienna breitete ihre Drachenflügel aus und erhob sich mit wenigen Flügelschlägen in die Luft. Dann landete sie vor der Hexe und ließ ihre Flügel wieder verschwinden.

Amarilya begrüßte sie mit einem Nicken und lief ohne weitere Worte in ihr Schloss hinein. Das war wohl ihr Auffassung von einer Einladung, also folgte ihr Sienna.

»Ich hätte dich wegen den Kratern in meinem Garten vorwarnen sollen, aber ich vergaß das bei unserer letzten Begegnung. Es kommen recht wenige Besucher eingeladen nach Terrabitia.«

Das Wort "eingeladen" setzte sie mit ihren Händen in Anführungszeichen und sah Sienna dabei ernst an, doch sie verstand nicht ganz, auf was die Hexe anspielen wollte. Also nickte Sienna nur. Amarilya seufzte und schüttelte nur enttäuscht den Kopf.

»Naja, ist ja auch nicht so wichtig. Wie kamst du an das Amulett ran? Ich nehme zumindest an, dass du es bekommen hast, sonst wärst du nicht hier. Du hast es doch, oder?«

Amarilya blickte sie über die Schulter fragend an.

Sienna hatte nicht gewusst, dass Hexen so redebedürftig waren, oder war es nur die Eigenschaft dieser speziellen Hexe. Sienna konnte das nicht beurteilen, die letzte Hexe mit der sie näheren Kontakt hatte, musste sie der Sonne aussetzten, um an ihre Informationen dranzukommen. Und sonst pflegte sie eher keinen Umgang mit Hexen, Sienna mochte es nicht, dass so schwach aussehende Wesen einem hinterhältig vergiften oder verzaubern konnten. Hexen sind und bleiben ein unheimliches Volk.

»Ja, ich habe das Amulett, ich musste es einer anderen Hexe abnehmen, die unter dem Schutz eines Vampirs stand. Aber es lief alles ohne viele Komplikationen ab.«

Amarilya schnippste auf einmal mit den Fingern und ein Tablett mit zwei Cocktails flog heran. Sie nahm beide Gläser und reichte einen, an Sienna weiter.

»Ein Martini mit Eiswürfeln. Trink ruhig, da ist kein Gift drin, falls du das glaubst. Das schwöre ich auf meinen Ruf als Hexe.«

Dabei zwinkerte ihr, Amarilya verschmitzt zu.

Hatte sie etwa mitbekommen, was Sienna gedacht hätte?

Das konnte doch unmöglich sein, keiner konnte die Gedanken eines Drachen lesen.

Amarilya lachte schallend, sie war damit schon die zweite an diesem Tag, irgendwas stimmte heute nicht.

»Keine Angst, Schätzchen. Deine Gedanken bleiben deine Sache, aber wenn du mal deine Gesichtsausdrücke sehen könntest. Man kann in ihnen lesen, wie in einem Buch.«

Sie nippte an ihrem Martini und seufzte theatralisch. Dann kippte sie ihn ganz runter und legte das leere Glas zurück, auf das noch immer schwebende Tablett.

»Zurück zu dem Amulett. Stimmt ich habe gehört, dass eine Söldnerin die Braut eines Vampirs getötet haben soll.«

Sienna wollte sie korrigieren, doch Amarilya wusch ihren Einwand mit einer wegwerfenden Handbewegung fort.

»Ich weiß natürlich, dass sie nicht seine Braut war, ich bin ja nicht irgendwer. Aber genau das glaubt der Vampir, Schätzchen. Und vor einem wütenden Vampir, sollte man sich in Acht nehmen. Da du mir das Amulett so schnell wieder besorgt hast, gebe ich dir noch eine Information umsonst. Der Vampir, dessen Braut du angegriffen hast, ist der Anführer der königlichen Vampirarmee. Jetzt rate mal, wer sich frei genommen hat um dich zu fangen und auf ewig zu foltern? Hm... das hört sich an, wie ein Spruch aus einem dieser billigen Massakerfilme. Aber egal, rate mal wer das sein könnte?«

Sienna wurde blass und traute sich kaum zu atmen. Oh, ihr Götter. Was hatte sie nur getan, um ausgerechnet so jemanden zu verärgern?

»Ich verrats dir, es ist der Vampir!«

Amarilya klatschte aufgeregt in die Hände.

»Ist das nicht super spannend?«

Sienna starrte sie nur gefühlte Stunden an. Sie war sprachlos, was war nur falsch mit dieser Hexe? War sie etwa geistesgestört?

»Was soll daran, bitte spannend sein?«, schrie Sienna die Hexe an.

Doch diese winkte einfach nur wieder Siennas Ausbruch beiseite.

Dann streckte sie ihre Hand aus und öffnete die Handfläche.

»Das Amulett, bitte.«

Sienna starrte, die blanke Hand der Hexe nur an, das war doch nicht ihr Ernst. Erst offenbarte sie ihr eine Gefahr, für Siennas Existenz und dann wollte sie einfach weiter mit dem Geschäft machen.

Wieder seufzte Amarilya.

»Tut mir Leid, ich hab das noch nicht so drauf mit dem Einfühlungsvermögen. Jeder denkt zwar, Amarilya ist so eine starke und fähige Hexe, aber ich habe auch so mein Macken, verstehst du? Also, du gibst mir jetzt das Amulett und dafür schulde ich dir einen Gefallen. Wenn du willst, könntest du den einlösen, aber ich kann dir versichern, dass das alles halb so schlimm werden wird. Vertrau mir, meine Magie sagt mir, dass sich alles schon fügen wird.«

Und mit dieser Ansprache tätschelte die Hexe tröstend Siennas Hand. Und wunderlicher Weise, glaubte Sienna ihr und beruhigte sich augenblicklich.

»Na gut, Hexe. Ich gebe dir das Amulett im Tausch gegen den Schuldeid. Jedoch werde ich ihn nicht gleich einlösen. Es wäre doch gelacht, wenn ich nicht mit einem Vampir klar kommen würde. Ich bin zum Teil ein Drache, den erledige ich doch mit Links.«

Amarilya lächelte erfreut und nickte Sienna zustimmend bei.

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