Kapitel 10. Das Ende einer Feindschaft

492 63 66
                                    

Wenn er die Augen schloss, dann konnte er ihn immer noch sehen. Dumbledore, wie er vor ihm stand. Es war so real und er erzählte Harry auch noch, dass alles in Harrys Kopf passierte, dass es aber trotzdem wirklich wäre. Umso mehr Harry versuchte, es zu verstehen und ja kein Detail zu vergessen, desto mehr verschwamm diese Erinnerung und löste sich in dunklen Nebel auf. Was wäre, wenn er den Zug genommen hätte? Wäre er dann jetzt auf der anderen Seite? Wie wäre es, wenn er tot wäre?

Wenn Harry es könnte, würde er die Zeit zurückdrehen, und zwar bis zu diesem Moment. Dann würde er seine Entscheidung nochmal überdenken und versuchen, jedes einzelne Leben zu retten. Sie hatten es nicht verdient, zu sterben. Wenn er schon nur an die Weasleys dachte, wenn er Ron sah, hatte er Freds Gesicht vor sich, starre und leere Augen. Sein Inneres verkrampfte sich dann und die toten Augen verfolgten ihn tagelang. Tag und Nacht, ununterbrochen. Vielleicht hätte er einfach alles ändern können, dann wäre es niemals so weit gekommen.

Natürlich hatte er den Zeitumkehrer nicht vergessen, aber wie Hermine zu sagen pflegte, brachte dieser nur die natürliche Reihenfolge durcheinander und führte fast immer zu Tod und Verderben. Auch wenn sie in ihrem dritten Jahr so Sirius und Seidenschnabel hatten retten können, hatte Hermine in den darauffolgenden Jahren mehr über ihn in Erfahrung gebracht und war auch nicht selten selbst in eine verzwickte Lage geraten. Der Krieg war vorbei, aber nicht in ihm. Er kämpfte immer noch, nicht gegen das Böse, gegen sich selbst; ein innerer Kampf ums nackte Überleben.

Genervt ließ er das Buch fallen. Er konnte sich ohnehin nicht auf das Geschriebene konzentrieren. Egal wie interessant er Verwandlung auch fand, er konnte jetzt nicht einfach so dasitzen und nichts tun.

Plötzlich ploppte es vor ihm auf und Tilla, die Hauselfe erschien vor ihm mit einem Tablett in der Hand. „Madam Pomfrey meinte, Tilla kann Ihnen das Mittagessen bringen. Sie sollten dringend etwas essen!", meinte die Hauselfe. „Außerdem kommen Ihre Freunde nach dem Unterricht vorbei, aber Sie dürfen nur kurz bleiben. Madam Pomfrey hat vorher, als Sie noch geschlafen haben, einen Scan durchgeführt und Ihre Symptome haben sich nicht gerade verbessert. Sie schweben immer noch in Lebensgefahr."

Mürrisch nahm Harry das Tablett entgegen.

„Ach, und welche Symptome habe ich denn?", fragte er gereizt.

„Tilla will Sie nicht beunruhigen, Mister Potter, aber Sie haben eindeutige Stimmungsschwankungen und Ihre Organe haben beträchtliche Schäden davongetragen. Wenn man das so sagen kann, Ihr Herz sieht nicht unbedingt gesund aus", erklärte Tilla.

„Ich bin erst 18 Jahre alt!", brauste Harry auf. „Mit meinem Herz muss alles in Ordnung sein!"

„Ja, natürlich, Mister Potter", beruhigte die Hauselfe ihn. „Tilla will nur sagen, dass es kaputt ist, zerbrochen. Keine Verletzung, die man sehen kann, aber unsere Magie hat es für uns sichtbar gemacht. Aber die Zeit wird die Wunden heilen, auch Ihre."

Harry hatte ihr mit zitterndem Kiefer zugehört.

„Mein Herz ist nicht kaputt oder zerbrochen!", widersprach er ihr barsch. „Außerdem hätte ich es doch wohl bemerkt, wenn etwas mit mir nicht stimmen würde!"

Es machte ihn rasend vor Wut, solche Anschuldigungen zu hören. Er, sein Herz, war nicht kaputt!

„Tilla will Sie nicht verärgern, Mister Potter. Essen Sie etwas", merkte die Hauselfe an. Mit diesen Worten verschwand Tilla wieder und ließ ihn alleine in seinem Bett zurück.

Das Essen, das gerade noch so lecker gerochen hatte, weckte ihn ihm jetzt eine Übelkeit, die drohte, ihn zu verzehren. Angewidert drehte er sich auf die andere Seite, um das Tablett mit Essen nicht mehr sehen zu müssen. Es ging niemanden was an, wie er sich fühlte - das war allein seine Sache.

Kɪɴɢᴅᴏᴍ ᴏғ Hᴏᴘᴇ ¦¦ᴰʳᵃʳʳʸWo Geschichten leben. Entdecke jetzt