Kapitel 16. Nasse Auseinandersetzungen

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Er fühlte sich wie betäubt. Seine Gedanken rasten, seine Sinne schalteten sich aus. Er legte seinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Der Wind fuhr durch seine Haare, strich ihm zärtlich; behutsam über die nackte Haut.

Das musste ein Traum sein. Er musste nur irgendwie daraus aufwachen.

Er wusste, er konnte nichts tun. Die bittere Realität. Aber was, wenn er sich das nur eingebildet hatte? Vielleicht spielte sein Gehirn ihm einen Streich, vielleicht waren die Halluzinationen zurück. Das Gefühl auf seinen Lippen. Er konnte den Moment nicht mehr greifen. Es war doch so kurz gewesen, zu kurz für ihn, um es zu realisieren.

Ein Lufthauch, ein Augenschlag, ein Blinzeln.

Irgendwo in ihm drin wusste er es aber und er konnte seine Augen nicht vor dem Geschehenen verschließen. Draco Malfoy hatte ihn, Harry Potter, geküsst. Zumindest hatten sich ihre Lippen berührt, dessen war Harry sich sicher.

Er hatte es aufgegeben, nach Draco zu rufen, er würde nicht kommen. Er hatte ihn einfach so alleine dort stehen lassen. Seine Gedanken überschlugen sich, warum tat es ihm leid? Hatte Harry etwas falsch gemacht?

Schnell blinzelte er die aufkommenden Tränen weg. Ganz sicher würde er jetzt nicht heulen. Andere konnten heulen, so oft sie wollten und keinen interessierte es, außer, dass sie vielleicht als Heulsuse oder als Memme beleidigt wurden. Aber er? Alle schauten zu ihm auf. Er war doch der Held der Nation. Er war der Auserwählte. Außerdem konnte er sich nicht daran erinnern, seit wann er so gefühlsduselig war. Bestimmt lag es immer noch an dem Trank. „Umgekehrte Wirkung des eigentlichen Trankes als Nebenwirkung" klang gar nicht so abwegig.

Vorsichtig stellte er einen Fuß vor den anderen und schnupperte in der Luft. Vielleicht konnte er ja durch irgendwelche Gerüche eine Richtung ausschließen. Auf einmal merkte er, dass er ganz schwach die Umrisse der Bäume sehen konnte. Er hatte Angst. Der Gryffindor konnte sich trotzdem nicht auf das verlassen, was er sah. Vielleicht bildete er sich das Alles nur ein und es war ein Trugbild seiner selbst.

Er hatte richtig gedacht. Eindeutig konnte er den Geruch der Bäume neben sich ausmachen, das Moos, die Blumen, das Laub. So weit wie er konnte, streckte er seine Arme von sich und versuchte, auf irgendetwas zu stoßen, was ihm einen Anhaltspunkt geben konnte, wo er war.

Plötzlich hörte er lautes Kacken von Ästen und das unverkennbare Rascheln von Laub.

„Hallo?", rief er laut gegen den aufkommenden Wind.

Innerhalb von Sekunden hatte der Himmel sich verdunkelt und schwarze Regenwolken zogen am Himmel auf. Die Sonne, die ihm bisher Wärme geschenkt hatte, tauchte unter und hinterließ eine frostige Kälte. Unaufhaltsam kam das Knacken der Äste näher, immer weiter, bis es vor ihm verstummte.

„Harry? Was machst du hier draußen? Du darfst hier bestimmt nicht einmal alleine sein!"

Klar und deutlich drang Ginnys Stimme zu Harry durch.

„Harry!", brüllte sie ihn aufgebracht an. „Was tust du noch hier? Jeden Moment kann es anfangen zu stürmen, was hast du dir dabei gedacht?"

Für einen kurzen Moment war er wie gelähmt, bis wieder Leben in ihm erwachte.

„Bei Merlin, Ginny?", brüllte er gegen das laute Aufbrausen des Windes. „Ich brauche deine Hilfe!"

„Deshalb bin ich hier!", antwortete Ginny, aber der Wind verschluckte beinahe ihre Wörter, sodass Harry nichts Weiteres mehr mitbekam und einfach nickte.

„Kannst du mich zum Schloss bringen? Du weißt doch bestimmt-"

„Jaja, Harry, ich weiß schon!", unterbrach Ginny ihn. „Wir müssen uns aber beeilen, wenn wir noch als ein Ganzes im Schloss ankommen wollen."

Kɪɴɢᴅᴏᴍ ᴏғ Hᴏᴘᴇ ¦¦ᴰʳᵃʳʳʸWo Geschichten leben. Entdecke jetzt