Kapitel 15. Holpriger Spaziergang

385 53 33
                                    

Harry wollte sicher wirken und auf keinen Fall den Anschein machen, dass er in Wahrheit total unsicher auf den Beinen stand. Er spürte, wie seine Beine vor Anspannung zitterten und sein Verstand ihm eigentlich sagte, dass das eine ganz blöde Idee war, einfach durch den Raum zu gehen und nichts dabei zu sehen.

„Fast geschafft!", grinste Draco.

Es war nicht zu überhören, dass der Slytherin sich deutlich Mühe gab, nicht laut loszulachen. Aber es war nun einmal auch ein komisches Bild; ein junger Mann, der sich mit offenen Augen und ausgestreckten Armen vorsichtig durch den Raum tastete.

„Draco?", fragte Harry in die Stille. Es war doch schwieriger als gedacht und er wollte sich auf keinen Fall mit dem Weg verschätzen.

„Hat der arme, blinde Harry etwa Angst?", neckte der Blonde ihn.

Dieser hatte sich mittlerweile auf Harrys Bett gesetzt, lässig die Beine vor sich gestreckt und schaute Harry dabei zu, wie dieser sich machte. Hätte Harry sein Grinsen gesehen, wäre er bestimmt hoch erfreut darüber gewesen, denn die traurigen Schleier und kalten Gesichtszüge waren fast vollständig aus seinem Gesicht gewichen. Es war echt; keine Täuschung, keine Maske.

Trotz der winzigen Schritte, die Harry machte, kam er langsam vorwärts. Wenn er nicht wüsste, dass er selbst ein totaler Troll im Schätzen von Entfernungen war, hätte er gesagt, es wären noch zwei bis drei Meter. Das leise Rascheln der Bettdecke war zu hören, aber auch das leise, quietschende Geräusch des Bettgestells konnte er wahrnehmen. Nur noch wenige Meter, Zentimeter, die sie trennten. Erstaunlicherweise war es so still in dem Raum, dass Harry die leisen Atemzüge des Slytherins hören konnte.

Suchend griff er mit seinen Händen in die Leere und versuchte, zu erahnen, wo genau Draco war, wo sein Bett stand und wo er sich selbst niederlassen konnte.

„Hey", sagte Draco, seine Stimme war näher als Harry erwartet hatte.

Kühle Finger schlossen sich sanft um sein Handgelenk und zogen ihn zu sich. Anscheinend war Draco aufgestanden, denn er konnte das leise Atmen genau vor sich, vielleicht etwas über sich hören und auch die Wärme, die von seinem Körper ausging, war zu erahnen.

„Setz dich", sagte Draco und legte Harrys Hand auf dem freien Bett ab. „Madam Pomfrey hat gesagt, dass es dir wieder besser gehen würde?", wollte er wissen, nachdem Harry es sich ihm gegenüber gemütlich gemacht hatte.

Nach Harrys Duschspektakel war die Stimmung bedrückt, es hatte etwas ausgelöst. Was, wusste keiner.

„Ja, ich kann wieder Licht sehen", berichtete Harry. Seine Laune hob sich um ein Vielfaches, als er daran dachte, bald wieder sehen zu können.

„Ich habe es gestern erst gemerkt, als du schon gegangen warst", fügte er noch hinzu, als Draco ihm nicht mehr geantwortet hatte.

„Es freut mich für dich, Harry, ehrlich. Weiß man, dank der Prognose schon, wie lange es noch dauert, bis du richtig sehen kannst?"

„Pomfrey meinte, schon in ein paar Tagen. Ich bin mir da zwar nicht so sicher, aber ich hoffe es zumindest", antwortete Harry mit einem matten Lächeln.

„Das ist doch einmal eine gute Nachricht!", munterte Draco ihn auf. „Ich bin mir sicher, dass es wieder wird - immerhin bist du Harry Potter!"

„Und das sagt jetzt was genau aus?", fragte Harry schmunzelnd. „Dass ich Harry Potter bin?"

„Haha", meinte der Slytherin sarkastisch und seine Stimme wurde wieder ernst. „Du wirst das hinbekommen, weil du Harry Potter bist und Harry Potter nun einmal immer alles hinbekommt."

Kɪɴɢᴅᴏᴍ ᴏғ Hᴏᴘᴇ ¦¦ᴰʳᵃʳʳʸWo Geschichten leben. Entdecke jetzt