Kapitel 12. Stummer Schrei nach Liebe

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Nach ein paar Minuten konnte er Dracos gleichmäßige Atemzüge hören, er musste wohl eingeschlafen sein. Er konnte es kaum glauben. Wie konnte sich in so kurzer Zeit so viel verändern? Immer noch haderte er damit, dass er sein Augenlicht verloren hatte. Hoffentlich behielt Malfoy recht und in ein paar Tagen konnte er wieder sehen. Es war schrecklich, die ganze Zeit nur schwarz zu sehen, keine Farben. Er hatte Dracos Hand fühlen können, aber trotzdem sah er sie nicht. War es vielleicht alles nur ein Traum? Vielleicht schlief er immer noch und bildete sich all das nur ein.

Vielleicht etwas zu fest kniff er sich in den Arm, denn er knirschte mit den Zähnen und presste den Kiefer zusammen. Das war dann wohl doch die bittere Realität.

Immer noch war es komisch, Malfoy mit Vornamen anzusprechen, Draco. Es war komisch, seinen Namen auf der Zunge liegen zu haben, es war seltsam, dass er jetzt nicht mehr an den Slytherin, an den Todesseser dachte. Nein, wenn er jetzt an ihn dachte, dann hatte er nur einen blonden jungen Mann wie sich selbst im Kopf, mit den gleichen Schmerzen und den gleichen Zweifeln. Einen ganz normalen Jungen, der wie jeder andere vom Krieg geprägt war, der sogar nett sein konnte, eine Seite hatte, die man fast als lieblich beschreiben konnte.

Er hatte keine Ahnung wie spät es war - er hatte keine Ahnung, ob er die Augen offen hatte. Aber er spürte die Dunkelheit, die sich um ihn legte. Warum musste gerade ihm so etwas passieren?

Irgendwann überkam ihn der Schlaf, aber die furchtbarsten Träume jagten ihn durch den Schlaf, hinterließen eine leere Hülle und gaben der Finsternis die Macht.

Durchgehend hatte er das hysterische Lachen von Bellatrix, der rechten Hand Voldemorts, im Ohr. Er saß wieder in der düsteren Zelle, Hermine an seiner Seite und von Ron keine Spur, weit und breit. Ron. Das war auch so eine Sache. Ja, natürlich hatte er ihm verziehen, aber er hatte es nicht vergessen. Er hatte nicht vergessen, dass er sie damals alleine gelassen hatte, sie einfach sich selbst überlassen hatte. Immer noch nicht hatte Ron ihm erklärt, warum er gegangen war. Es war ein dunkles Kapitel des Trios.

Und dann war er wieder dort.

Ganz alleine stand er in dem großen Hof. Ein böses Grinsen zog sich über Voldemorts Gesicht. „Du bist gekommen, um zu sterben!", triumphierte er und hob die Arme. „Harry Potter! Endlich habe ich die Ehre mein Werk zu vollenden. Du wirst deinen Eltern in den Tod folgen! Nimm deinen Zauberstab!"

Ohne sich zu rühren stand Harry vor ihm. Alle seine Freunde, die in diesem Moment bei ihm gewesen waren, waren verschwunden, er war alleine. Er wollte nach seinem Zauberstab greifen, aber er war weg. Nicht wie sonst steckte er in seinem rechten Ärmel oder in seinem Hosenbund, er war einfach nicht da.

Er war vollkommen ausgeliefert, hatte keine Chance gegen ihn, er würde verlieren. Ergeben senkte er den Kopf. Was sollte er jetzt noch ausrichten? Er spürte einen kalten Wind, Voldemort stand direkt vor ihm. Er spürte die starren Finger von sich, aber Voldemort hob sein Kinn an und zwang ihn, ihn anzusehen.

„Sieh woran du schuld bist!", sagte er eisern und trat wieder von ihm zurück.

Keuchend wich Harry zurück. Vor ihm, überall Tote. Sein Körper begann zu zittern und kraftlos stürzte er zu Boden. Genau vor ihm lagen Ron und Hermine. Ihre Augen waren offen und leer; leblos. Tränen liefen ihm über das Gesicht. Überall sah er seine Freunde starr auf dem Boden liegend. Er kroch weiter. Direkt vor ihm lagen die anderen Weasleys. Ginny. Blut strömte aus einer Wunde an ihrem Hals und die leblosen Augen starrten ihn ununterbrochen an.

Immer panischer versuchte er einen Ausweg zu finden, jemand der noch lebte, jemand der ihm helfen konnte. Die Angst und Verzweiflung lähmte ihn. Irgendwie hatte er es geschafft sich wieder hochzukämpfen und rannte weiter. Sein Blick richtete sich auf einen Blondschopf. Seine Beine gaben nach und er sank neben ihm nieder. Unfähig etwas zu tun, saß er da und starrte auf Draco. Getrocknete Tränen zeichneten sich auf seinen Wangen ab, seine Augen waren erschrocken geweitet. Vor seinen Augen flackerte es und er hatte Mühe, nicht einfach sich hinzulegen und zu schlafen, einfach die Augen zu schließen und all das zu vergessen, die Bilder aus seinem Kopf zu verbannen. Er streckte seine Hand nach Draco aus und fuhr ihm über die Wange. „Ich will nicht, dass du gehst", hauchte er, ehe er die Augen seines Gegenübers schloss und der Tod ihn nicht mehr zeichnete.

Kɪɴɢᴅᴏᴍ ᴏғ Hᴏᴘᴇ ¦¦ᴰʳᵃʳʳʸWo Geschichten leben. Entdecke jetzt