Kapitel 9. Nächte und ihre Alpträume

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Harry wollte etwas erwidern. Er öffnete seinen Mund, schloss ihn aber gleich wieder.

„Gute Nacht!", sagte Malfoy abweisend und drehte sich von ihm weg.

Ja, Harry hatte gewusst, dass es Malfoy nicht sonderlich gut ging, was bei den Gesprächen im Zug und auch im Raum der Wünsche nur deutlich zu spüren gewesen war. Aber was ging in dem Slytherin vor? Er war der Eisprinz, der Unnahbare, der, der seit dem sechsten Schuljahr nur noch Anzüge trug und keinen mehr an sich ran ließ. Er hatte keinen Streit mehr gesucht, es war still um ihn herum geworden. Warum erzählte er Harry so viel, warum ließ er ihn an sich heran, warum offenbarte Malfoy sich vor ihm?

Er ließ seinen Blick durch den von den Kerzen erleuchteten Raum wandern und blieb am Rücken des Slytherins hängen. Er hatte das alles nicht verdient, sie alle hatten das nicht verdient; die Last des Krieges. Er konnte die ruhigen Atemzüge hören, das Rascheln der Decke, sein eigenes Herzklopfen. Vielleicht sollte er Madame Pomfrey die Wahrheit sagen, aber was dann? Was würde dann mit ihm passieren? Er würde alles in Kauf nehmen, um nicht wieder die Schmerzen, die Trauer und die vielen Sorgen ertragen zu müssen. Er holte tief Luft, blies die Kerzen aus und ließ sich wieder auf das Kissen fallen.

„Ich will wirklich nicht sterben...", murmelte Harry leise in die Dunkelheit.

Ja, er hatte oft darüber nachgedacht zu sterben, aber was sollte das bringen? Dann waren alle umsonst für ihn gestorben. Dann waren Sirius, Dumbledore, sie alle tot, ohne dass Harry überlebt hatte.

„Warum belügst du dich selbst?", fragte Malfoy ihn.

Er war, nicht wie der Gryffindor angenommen hatte, schon eingeschlafen, sondern hatte all seine Aufmerksamkeit auf den Jungen, der zwei Betten neben ihm lag, gerichtet. Harry blickte in Malfoys Richtung und suchte nach Worten.

„Nein, tu ich nicht, du verstehst das einfach nicht", widersprach Harry ihm.

Malfoy drehte sich wieder zu ihm um und suchte nach dem Schimmer in Harrys Augen. Aber kein Licht spiegelte sich wieder, er sah einfach nur zwei schwarze Augenhöhlen.

„Das Problem ist, du gibst dir die Schuld an den Toten, obwohl du hier der Einzige bist, der rein gar nichts dafür konnte. Gib mir die Schuld dafür, aber nicht dir", flüsterte er.

„Was kümmert es dich eigentlich, wie ich mich fühle, Malfoy?", fragte Harry schroff.

„Gut, wollte nur nett sein", sagte Malfoy. Seine Stimme war sofort wieder kalt und distanziert. Hätte Harry bloß nichts dagegen gesagt.

„Tut mir leid, ich kann- nicht jetzt. Bitte", versuchte er, wieder die Stimmung zu heben, was aber schwerer war als gedacht.

„Außerdem glaube ich nicht, dass du schuld bist", fügte er noch hinzu. „Die Situation hat es gefordert. Jeder hatte seinen Platz, jeder spielte seine Rolle."

Malfoy starrte auf die erloschenen Kerzen, die auf dem Tischchen neben Harry standen. „Und ich war zu feige, mich zwischen den Rollen zu entscheiden!"

Verbittert verzog er seinen Mund. Mit diesen Worten drehte er sich erneut in dieser Nacht um und versuchte zu schlafen. Harry wollte etwas erwidern, aber ihm fehlten einfach die richtigen Worte. Vielleicht sollte er auch langsam damit anfangen, ehrlich zu Malfoy zu sein. Immerhin war er es auch.

Er musste eine andere Lösung für seine Probleme finden. Der Trank war eindeutig nach hinten losgegangen und er hatte noch mehr Probleme, für die er noch keine geeignete Lösung hatte. Andere Tränke waren keine gute Option, denn er hatte schon mehr als genug intus, vor allem die verschiedenen Schlaftränke. Tagsüber würde er noch genug Zeit haben, darüber nachzudenken. So wie es wohl aussah, musste er noch länger hier bleiben und es gab kein Entkommen vor Malfoys Gesellschaft. Und dann stand da noch das Gespräch mit Professor McGonagall im Raum. Leichte Übelkeit stieg in ihm auf, wenn er daran dachte. Ob das wohl gut ginge? Zwar stand die Direktorin immer auf Harrys Seite und unterstützte ihn so gut, es ging, aber sie hatte mit Sicherheit ihre Grenzen und die wollte der Gryffindor eigentlich nicht ausstrapazieren. Lange dachte er über das Gespräch mit Malfoy nach. Es, er ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Irgendwann holte ihn die Müdigkeit ein und ihm fielen regelrecht die Augen zu, jedoch blieb ihm nicht allzu viel Schlaf, bis er wieder aufwachte.

Kɪɴɢᴅᴏᴍ ᴏғ Hᴏᴘᴇ ¦¦ᴰʳᵃʳʳʸWo Geschichten leben. Entdecke jetzt