Nachhilfe bei Tom

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„Okay. Du hast die Hintergründe des Zaubers verstanden, oder nicht? Die Professoren behandeln dich, als sollten dir die Zauber keine Probleme bereiten, auch wenn sie das ganz klar tun. Das heißt dann wohl, dass dein schriftlicher Test so gut war, dass sie erwarten, dass du praktisch dieselben Leistungen zeigen solltest. Habe ich Recht?" Tom lehnte gegen den Tisch in dem Raum, der ihnen für den Nachhilfeunterricht zur Verfügung gestellt wurde, die Hände neben sich auf der Tischplatte ruhend.

Vicca stellte ihre Tasche neben einen anderen Tisch und sah ihn dann ruhig an. „Ja. Du bist in deiner Annahme korrekt. Aber in Anbetracht deiner augenscheinlichen Intelligenz habe ich auch nichts anderes erwartet. Und deinem Grinsen nach zu urteilen, hast auch du nicht erwartet, dass du falsch liegst. Und was heißt das nun?"

Tom stieß sich von dem Tisch ab und kam mit bestimmten Schritten auf sie zu. Vicca wich mit schlurfenden, kleinen Schritten zurück, bis sie mit dem Rücken gegen einen der Tische stieß. Ein quietschendes Geräusch entwich ihrer Kehle und Tom grinste. Das Grinsen jagte einen eiskalten Schauer über Viccas Rücken und sie fragte sich, ob es in dem Raum mit einem Mal kälter geworden war.

„Nun. Ich bin nicht nur Vertrauensschüler, sondern auch Vorsteher des Hauses. Ich kann nicht zulassen, dass jemand den Ruf des Hauses in den Dreck zieht. Da das Problem nicht in deiner Intelligenz liegt, sollten wir keine Probleme damit haben, dein magisches Potential freizulegen. Intelligente Personen, wie du eine bist, sollten Probleme in der Kontrolle ihrer Magie schnell in den Griff bekommen. Also fangen wir an."

Tom drehte sich um und schritt zwischen den Tischen hindurch zu der Seite des Raumes, die scheinbar für praktische Aufgaben freigehalten wurde. Kein Tisch stand dort und schwarze Flecken und lange Rillen im Boden zeigten, wo Zauber auf die Oberflächen getroffen waren und ihre Spuren hinterlassen hatten.

„Kommst du? Wir werden mit den einfachsten Zaubern anfangen. Die kleinen Erfolgsergebnisse sollten dein Selbstvertrauen steigern und es einfacher machen, die schwierigeren Zauber zu wirken." Tom sah sie abwartend an.

Vicca biss sich auf die Unterlippe. Sie wollte Tom wirklich nicht zeigen, wie sehr sie in praktischer Magie versagte, aber aus der Situation würde sie nicht herauskommen. Die Zauber konnte sie immerhin auch meistens nicht ausführen. Sie war einfach eine Katastrophe, wenn es zur praktischen Nutzung ihrer Magie kam.

Langsam folgte sie Tom zu der freien Fläche und stellte sich ihm gegenüber auf. Die eigentlich so warmen brauen Augen wirkten auf Vicca nur kalt und wenn er lächelte, erreichte es seine Augen nicht.

„Okay. Wir fangen hier einfach mit dem Lumos an. Den Zauber solltest du ja beherrschen, immerhin wird er als einer der ersten genutzt. Lumos." Tom zog seinen Zauberstab und sprach den Zauber. An der Spitze des hölzernen Stabes erblühte die kleine Lichtkugel, die die nähere Umgebung in ein warmes Licht tauchte.

Vicca biss sich auf die Wange, als Tom das Licht erlöschen ließ und ihr zunickte. Ihre Handfläche war rutschig und sie rieb sie an ihrer grauen Hose trocken, ehe sie ihren Stab griff und sich konzentrierte. Sie wollte sich nicht vor Tom blamieren, sie wollte ihm keine Schwäche zeigen. Ihr Stab zitterte, als sie ihn durch die Formen führte und die Spitze ihres Stabs erhellte sich für einen Moment, ehe das Licht flackerte und wieder erlosch.

Toms Lächeln rutschte von seinem Gesicht. „Nun. Es ist zumindest ein Anfang. Nun ja..." Er rieb sich den Nacken und sah zur Decke des Raumes, ehe er Vicca wieder fixierte. „Ich denke, dass hat zumindest das Potenzial gezeigt. Du versuchst es am besten direkt noch einmal, bevor du diesen kleinen Erfolg vergisst. Klammere dich an dieses Gefühl und versuch es noch mal, mit Konzentration auf dieses Gefühl."

Vicca atmete einmal tief durch und versuchte sich zu beruhigen, doch Toms Augen, die, ohne zu zwinkern auf ihr ruhten, wühlten ihr Inneres auf. Sie konnte ihre Konzentration kaum halten und nun griff Angst nach ihr, Angst, die sie nur zu gut kannte. Die Augen geschlossen atmete sie konzentriert, schob die auf sich ruhenden Augen und die Angst von sich und wiederholte den Zauber.

Für einen Moment fühlte sie den Zug an ihrer Magie, wie sie genutzt wurde, doch dann brach es wieder ab. „Es...a war schon etwas länger als beim ersten Mal. Mach es nochmal." Tom hörte sich beinahe gelangweilt an und Vicca linste zu ihm. Seine Augen wanderten über die Wand und lagen nicht mehr auf ihr.

Schnell wiederholte sie den Zauber und diesmal merkte sie selbst, dass er ihr besser gelang als die beiden Male zuvor. Blinzelnd öffnete sie die Augen und sah die kleine Lichtkugel an der Spitze ihres Zauberstabes balancieren.

„Siehst du! Du kannst es! Oh." Vicca zuckte bei Toms Ausruf zusammen und prompt erlosch das Licht wieder. „Schnell. Mach es nochmal. Jetzt weißt du ja, wie du es machen musst."

Tom braune Augen waren fest auf Vicca gerichtet und sie fühlte sich wie eingefroren. Nach einer auffordernden Bewegung seinerseits, sprach sie den Zauber erneut, doch diesmal passierte gar nichts. Vicca und Tom sahen beiden überrumpelt davon aus. Toms Augenbraue begann zu zucken.

„Okay. Versuche es noch mal. Das kann Jedem Mal passieren." Doch mit jedem missglückten Versuch wurde Toms Blick dunkler und seine Augenbrauen zuckten gereizter. Vicca zog den Kopf zwischen die Schultern und machten sich kleiner mit jedem Mal das der Zauber gar nicht funktionierte.

„Ich verstehe es nicht! Wie kannst du mit jedem Mal schlechter werden?! Das ist ein Zauber den Erstklässler lernen und du hast ihn einmal aus was... zehn Mal ansatzweise hinbekommen. Was zur Hölle ist falsch mit dir?!" Tom warf seine Hände in die Luft und Vicca zuckte von ihm zurück, als sie glaubte, dass seine Augen rot schienen.

Toms Gesicht wurde für einen Moment erschrocken, dann verzogen sich seine Lippen wieder in ein Lächeln. „Tut mir leid, Deliah. Ich hatte nicht den besten aller Tage und... nun ich hatte noch nie einen so verwirrenden Nachhilfeschüler. Jemand der theoretisch so gut ist und praktisch nun... einen großen Verbesserungsbedarf hat. Es tut mir leid, dass ich mein Temperament so verloren habe. Vielleicht sollten wir lieber etwas Pause machen."

„Wir können morgen weitermachen. Ich glaube nicht, dass ich heute noch was hinbekommen. Und du kannst dich von dem Tag erholen." Vicca lächelte und ihr Blick huschte zu ihrer Tasche und von dort zur Tür.

„Vielleicht ist das eine gute Idee. Morgen. Ohne die ganzen Sachen von heute. Wir können einfach noch einmal neu anfangen. Ich hole dich dann morgen wieder ab." Er ging an Vicca vorbei und schloss die Tür hinter sich mit einem Knall.

Vicca atmete auf und setzte sich für einen Moment an einen der Tische. Tom verwirrte sie und ihre Instinkte schrien sie praktisch an, dass er gefährlich sei. Und dann behandelte er sie erst so nett, nur um dann völlig umzuschlagen. Ihr Atem war gleichmäßig und sie bemühte sich um ein regungsloses Gesicht, als sie ihre Tasche nahm und den Raum ebenfalls verließ.

FatumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt