Mit Tom in der Bibliothek

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Die Bibliothek war noch immer so, wie Harry sie aus seiner Zeit her kannte. In den Regalen stapelten sich die Bücher, entlang der Fenster gab es die kleinen Nischen, in denen Tische standen, an denen Schüler ihre Aufgaben erledigten, und wann immer jemand zu laut war, wurde er mit einem Zischen von der strengen Bibliothekarin ermahnt, die Harry sehr an Madam Pince erinnerte. Er saß an einem dieser kleinen Tische, durch das Fenster fiel gedämmtes Licht herein und er war umgeben von dem Geruch von Büchern.

Die Bibliothek war ein guter Rückzugsort, um sich vor allen zu verstecken. Kaum einer von ihnen kam hierher, wenn sie nicht gerade ihre Aufgaben machten. Hier konnte man immerhin keinen Klatsch verbreiten oder hören, weil reden verboten war und man könnte ja für einen Streber gehalten werden, wenn man sich zu lange in der Bibliothek aufhielt. Harry störte sich nicht daran.

Am liebsten würde er Vicca bei sich haben, doch Vicca musste nach wie vor Nachhilfe bei Tom nehmen, doch das schien sich nicht wirklich auszugehen. Vicca hatte ihm erzählt, dass sie nicht das Gefühl hatte irgendwelche Fortschritte zu machen und Tom schien jedes Mal mehr genervt zu sein als das letzte, wenn er von der Stunde zurückkehrte.

Meistens endete das damit, dass Penita Parkinson seine schlechte Laune abbekam. Nicht dass Harry das störte. Er genoss es sogar und er wusste nicht wirklich warum. Aber er fand es jedes Mal zum Lächeln, wenn Penita einmal mehr von Toms Seite gestoßen wurde oder Tom sie einfach mitten in einem Satz stehen ließ.

„Kann ich mich hier hinsetzen? Ich habe keine Sehnsucht danach, mich mit der fragwürdigen Intelligenz einiger der Löwen herumzuschlagen. Oder mit ihrer Unfähigkeit die Ruhe der Bibliothek zu respektieren." Harry riss den Kopf nach oben und sah Tom direkt an. Der Ältere stand vor seinem Tisch, Bücher in den Armen, seine Tasche über einer Schulter und das Vertrauensschülerabzeichen funkelnd an seinem Umhang.

„Sicher. Ich habe keinen Einfluss darüber, wer die anderen Stühle an diesem Tisch nutzt. Also setzt dich doch." Harry wies auf den Stuhl, der seinem gegenüberstand, ehe er sich wieder dem Text über Zaubertränke zuwandte. Das war noch immer sein schlechtestes Fach und das würde es wohl auch immer sein, dank Snape und dessen absolut katastrophalen Lehrmethoden. Wenn die Grundlagen fehlten, die die wenigsten nicht in der magischen Welt aufgewachsenen Kinder sich selbst anlesen konnten, dann sei das alles für die Katz, hatte Vicca sich aufgeregt.

Doch es war ihm beinahe unmöglich, sich auf die geschriebenen Worte zu konzentrieren. Immer wieder linste er durch seine Wimpern zu Tom, der mit gerunzelter Stirn auf sein Buch hinuntersah. Um ihn herum stapelten sich die dicken Bücher, deren Titel Harry zum großen Teil nicht verstand. Einige hatten auch gar keinen Titel und Harry wusste, dass diese höhere magische Theorien waren. Vicca beschäftigte sich gerne mit ihnen, wenn sie Zeit hatte.

Wann immer er sich dabei ertappte, wandte er seinen Blick schnell wieder auf den Text. Konzentrieren konnte er sich aber nicht. Als er zum dritten Mal denselben Satz las, ohne auch nur ein Wort zu verstehen, raufte er sich die Haare und hätte frustriert geschrien, wären sie nicht in der Bibliothek. So aber ließ er nur seinen Kopf auf den Tisch fallen und ein leises Seufzen entwich ihm.

„Yuan? Was hast du?" Harry zuckte, als sich warme Finger auf seinem Kopf niederließen, und drückte seinen Kopf dadurch nur noch mehr in die Hand, die sich zurückzog, kaum dass er sich bewegt hatte. Langsam hob Harry den Kopf und sah Tom an, der den Blick gelassen erwiderte, in den braunen Augen eine Wärme, die Harry dort noch nicht gesehen hatte.

„Ich bin eine Katastrophe in Tränke, weil unser Lehrer andere Standards hatte als ich. Also hat er die Grundlagen ausgelassen und ich bekomme die einfach nicht in meinen Kopf, ganz egal was ich versuche. Ich verstehe es einfach nicht." Harry raufte sich die Haare und zog an einigen der Strähnchen, bis sich eine warme Hand fest um sein Handgelenk schloss.

„Lass das. Du wirst dich nur verletzen. Und selbst wenn nicht. Ein Slytherin hat auf sein Aussehen zu achten. Also tu das bitte. Und ein zerrupftes Aussehen hilft da nicht. Ich kann dir aber verraten, je ordentlicher man aussieht und je selbstbewusster man auftritt, umso mehr lassen einen die anderen in Ruhe. Einfach weil man dann Macht ausstrahlt. Und jetzt lass mal sehen, was dein Problem ist." Tom stand auf und setzte sich in den Stuhl neben Harry.

Harry stockte für ein paar Momente der Atem, als sich Tom zu ihm herüber lehnte und er die Körperwärme des anderen spüren konnte. Es drang selbst durch die Uniformen und Harry wusste nicht, was er davon halten sollte. Tom schien es nicht zu merken. Er lehnte sich noch näher und drückte Harrys Schulter schon beinahe in seinen Oberkörper, während er auf die Seiten des Buches schaute.

„Ist das dein einziges Problem?"

„Bei weitem nicht. Aber Deliah meinte, dass das hier eine Grundlage ist, die mir helfen sollte, wenn ich sie endlich verstehe. Sie hat so häufig versucht es mir zu erklären, aber ich bekomme es einfach nicht richtig hin. Ich will ihr aber nicht noch mehr Stress machen und ihr sagen, dass ich es noch immer nicht verstanden habe."

Tom lachte leise. „Dann lass uns mal schauen, ob ich dir dabei helfen kann. Denn deine Schwester hat damit durchaus Recht. Das ist eine wichtige Grundlage. Ich kann sie nicht verstehen. Sie ist beinahe perfekt in allem theoretischen und katastrophal im praktischem. Aber darum geht es ja gerade nicht. Du weißt, dass es basische und saure Bestandteile von Tränken gibt?"

„Ja. Soweit habe ich es auch verstanden. Und ich weiß auch, dass saure Bestanteile anders mit basischen reagieren als mit sauren. Und dass man auch auf den Kessel und den Stab achten muss, je nachdem ob der Trank sauer oder basisch ist. Aber ich komme mit dieser Formel hier nicht hin, um zu errechnen, wie sauer oder basisch ein Trank ist oder wie man es ausgleichen muss, um eine gewünschte Nummer zu erhalten."

„Okay, pass auf. Jede Zutat hat einen Basiswert, den man einfach lernen oder nachschlagen muss. Der Basiswert verändert sich mit der Schnittart. Je größer die Oberfläche der Schnitte, umso mehr der Wirkstoffe treten aus und daher verändert sich der Wert. Aber die kann man in vielen Fällen auch nachschlagen. Die Werte werde in diese Formel eingetragen und..."

Harry nickte und folgte Toms Erklärung. Zu seiner Überraschung verstand er alles, was ihm der Ältere erklärte. Er fühlte sich ziemlich dumm, als Tom ihn Schritt für Schritt durch die Formel führte und sie sich als ziemlich einfach herausstellte. Nun konnte er auch Vicca verstehen, die irgendwann doch aufgegeben hatte, weil sie einfach nicht mehr wusste, wie sie es noch erklären sollte. Harry nahm sich vor, ihr ein Geschenk zu machen, dafür dass siw es immer mit ihm aushielt.

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