„Vicca. Vicca!" Vicca schreckte aus ihrem Schlaf hoch und blickte sich panisch um. Erst als sie Harry vor sich sah, ließ sie sich in sich zusammenfallen und rollte sich auf den Rücken.
„Musst du mich so erschrecken, Kleiner?"
„In der Form sind wir etwa gleichgroß und als Mensch bin ich größer. Vielleicht solltest du das nicht mehr sagen."
„Deswegen hast du mich nicht geweckt. Also, was brauchst du?" Sie streckte sich und rollte sich hin und her. Schließlich blieb sie liegen und sah Harry an. „Bist du hängen geblieben oder hast du vergessen, was du wolltest?"
„Gemeinheit. Nein, ich weiß noch, was ich will. Ich wollte mit dir reden. Es ist gerade niemand hier, deshalb musste ich dich wecken. Ich will noch einen Trank nehmen."
Vicca setzte sich sofort auf und starrte Harry an. „Warum das denn? Dieses Leben ist doch wirklich angenehm und bei weitem besser als alles, was wir vorher hatten."
„Aber wir sind Tiere und wir können nur mit Tom reden. Ich will wieder ein Mensch sein und nichts von dem, was wir versucht haben, hat bisher funktioniert. Wir haben keinen Fortschritt gemacht, nicht mal auch nur ein bisschen. Und dann kommt dazu, dass unser Verschwinden Tom wirklich in Gefahr bringt. Allein gestern wurde er zweimal angegriffen und ich könnte wetten, dass die Löwen es heute auch schon wieder versucht haben."
„Ich weiß, dass das Scheiße ist, aber willst du wirklich deshalb unser Leben aufs Spiel setzen? Es kann auch immer schlimmer werden, auch wenn wir bisher Glück hatten und nichts passiert ist."
„Ich will nicht, dass mein einziger Freund leidet, weil ich mich nicht traue etwas dagegen zu tun. Ich kann nicht dabei zu sehen, wie jemand meinetwegen verletzt wird. Nein. Ich wurde oft genug für, wegen und von meinen so genannten Freunden verletzt. Ich werde alles tun, um meine Freunde zu beschützen. Und wenn du mir nicht hilfst, dann werde ich es eben allein tun." Harry rannte los und Vicca blieb einen Moment perplex zurück.
Sie versuchte zu begreifen, was gerade passiert war. Als endlich klickte, was Harry vorhatte, sprang sie auf und rannte zu dem Raum, in dem sie Fatum noch immer aufbewahrten. Ihre Beine schmerzten, doch sie zwang sich weiter und nicht nachzulassen. Mit schmerzenden Beinen und schwerem Atem erreichte sie den Raum und schlüpfte hinein.
Harry war schon dort und kämpfte mit einer kleinen Flasche, die in Viccas Augen aussah wie ein menschlicher Oberkörper. Am liebsten hätte Vicca geseufzt, als sie Harrys entschlossenen Blick sah, denn sie wusste, er würde von seinem Entschluss nicht abweichen. Sie tappte zu ihm hinüber und half ihm dabei den Korken aus der Flasche zu ziehen. Der Inhalt war in der Dunkelheit des Raumes nicht auszumachen, doch als sie begannen es zu trinken, war es absolut bitter.
Vicca streckte die Zunge heraus und schüttelte sich, folgte aber Harrys Beispiel, der stur weiter trank. Als der Trank zur Neige ging, begann ein kribbelndes Gefühl sich in ihren Körpern auszubreiten. Vicca kicherte vor sich hin, denn sie war verdammt kitzlig, während Harry begann sich an dem Bein des Sofas zu reiben, um das Gefühl loszuwerden. Ohne Erfolg.
Das Gefühl wurde heftiger und ein unangenehmer Zug an ihren Körpern kam hinzu. Sie streckten sich, wurden länger und größer und ihre Körper wurden wieder menschlich. Keuchend lagen sie auf dem dreckigen, alten Teppich und sahen einander an.
„Es hat funktioniert, Vicca. Es hat funktioniert."
„Sehe ich. Bin es nur ich, oder ändern sich die Tränke immer wieder? Ich bin sehr sicher, dass da am Anfang keine solche Flasche dabei war." Vicca griff nach dem Fläschchen und schaute es sich genauer an. Es war interessant, da es weder einen deutlich männlichen noch einen deutlich weiblichen Torso zeigte. Die Oberweite war angedeutete, die Talie und das Becken nicht weiblich genug, um definitiv eine Frau zu sein, aber auch nicht undefiniert genug für einen Mann.
„Wen interessiert das jetzt? Wir können wieder rumlaufen. Und was noch viel wichtiger ist, wir können Tom von jedem Verdacht entlasten. Er hatte nichts damit zu tun und niemand kann es bestreiten, wenn wir das sagen."
„Nicht dass sie es nicht trotzdem versuchen werden." murmelte Vicca und räumte das leere Fläschchen zurück. „Bleibt hier, du Idiot."
„Ich will Tom helfen gehen."
„Harry, du bist nackt! Sicher, dass du dich nicht vorher anziehen willst?" Vicca sah, wie Harry an sich heruntersah, die Erkenntnis ihn traf und er knallrot wurde. Schnell hielt er sich die Hände vor den Körper, den Vicca nicht mal ansah, und suchte nach seinen Klamotten. Beide zogen ihre Klamotten an, die noch immer in dem Raum lagen, und zupften an sich herum.
„Ich glaube nicht, dass das noch besser wird. Scourgify." Harry wirkte einen Säuberungszauber auf ihre Klamotten und der letzte Rest von Dreck fiel von ihnen ab. Aber Harry hatte Recht. Sie sahen nicht wirklich ordentlich aus und die Falten würden sie auch nicht so schnell aus ihren Klamotten bekommen.
„Okay. Lass uns gehen und die Gerüchte als falsch darstellen. Wir können einfach sagen, dass... Harry. Du kennst doch unsere Geschichte noch gar nicht." Doch Harry hörte sie schon nicht mehr und die Tür begann schon zuzufallen. Vicca rappelte sich auf und folgte ihm mit etwas Abstand, doch ihre Beine schmerzten noch immer und sie konnte ihn nicht einholen.
Harry eilte um eine Ecke und prallte frontal mit jemandem zusammen. Beide fielen zu Boden und waren für einen Moment perplex. „Sag mal, hast du keine Augen im Kopf?! So eine Unverschämtheit. Du hast den Höherstehenden aus dem Weg zu gehen! Du kleine Kakerlake! Hilf mir gefälligst auf! Wird es bald?!"
Perplex stand Harry auf, klopfte sich den Umhang ab und hielt dem keifenden Mädchen dann die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. „Doch nicht mit deiner dreckigen Hand! Wurdest wohl in einem Stall erzogen?! Wie kann so etwas nur im Haus des Adels landen! Widerlich!" Harrys Gesicht verfinsterte sich.
„Was ist denn hier los?" Die Stimme schnitt durch das Gespräch wie ein Schwert und sofort richteten sich alle auf, um dem Besitzer mit einer ordentlichen Haltung entgegenzusehen. Tom forderte Aufmerksamkeit mit jedem Schritt und jeder fühlte sich in seiner Umgebung wie in der Nähe eines Königs.
„Oh, Tom! Es ist schrecklich. Der hat mich unangebracht angefasst." Das Mädchen warf sich Tom an den Oberkörper und krallte sich in seine Klamotten.
Vicca zog eine Augenbraue nach oben und schnaubte. „Das ist das erste Mal, dass ich das höre. Er ist in dich hineingelaufen, so wie du in ihn hineingelaufen ist. Wenn du das als unangebracht berührt definierst, solltest du dich in deinem Zimmer einsperren lassen und es nie wieder verlassen. Nur dann kannst du sicherstellen, dass niemand dich berührt."
„Tom! Hörst du, wie die mich behandeln?! Ich bin Höherstehend als die! Die haben mich besser zu behandeln!" Sie klimperte mit den Wimpern und zwang Tränen in ihre Augen, während sie zu Tom nach oben sah, doch der nahm den Blick nicht von Vicca und Harry.
„Wo wart ihr Beiden? Die Lehrer haben die gesamte Schule auf den Kopf gestellt, um euch zu finden. Alle haben sich Sorgen gemacht." Harry wurde mit jedem Wort kleiner, auch wenn er wusste, dass Tom spielte. Die Enttäuschung in Toms Stimme klang so echt, dass es Harry schmerzte, dass er Tom enttäuscht hatte.
„Es tut mir leid, Tom, aber ich bin dafür verantwortlich. Ich hatte einen mentalen Zusammenbruch und habe mich einfach nicht mehr aus dem Raum getraut. Ich hatte Angst vor allem und jedem und mein Bruder wollte mich in dem Zustand nicht allein lassen. Ich glaube, er hatte Angst, dass der Raum ihn nicht mehr reinlassen würde." Vicca trat neben ihren Bruder und sah Tom entschuldigend an.
„Wo wart ihr genau, dass das ein Problem wäre? Naja, eigentlich ist es ja egal. Ich bringe euch zum Direktor, damit der entscheiden kann, wie es weiter geht. Aber vermutlich ist das einfach nur ein Besuch im Krankenflügel und eine Verwarnung und das war es dann. Alle dürften einfach nur froh sein, dass ihr wieder aufgetaucht seid. Tiffany, geh doch bitte in den Gemeinschaftsraum." Tom schob das Mädchen lächelnd von sich und bedeutete den Geschwistern ihm zu folgen.
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Fatum
FanfictionHarry und seine beste Freundin Vicca spielen Anfang seines sechsten Jahres das Spiel Fatum, dass sie in der Kammer des Schreckens gefunden haben. Mit der Gewissheit jederzeit zu sterben stürzen sie sich in das Spiel.