Der dritte Trank

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Harry knallte die Tür zu ihrem Zimmer hinter sich ins Schloss, warf sich auf sein Bett, vergrub sein Gesicht in seinem Kiss und schrie bis er keine Luft mehr bekam. Dann drehte er sich auf den Rücken und starrte nach Luft schnappend an die Decke. Sein Oberkörper schmerzte, nicht nur brannte sein Brustkorb vor den schweren Atemzügen, sondern es stach in seinem Herzen, als würde es jemand mit einer heißen Nadel piksen.

Seine Augen tränten und Harry wusste nicht, ob es vor Wut, Enttäuschung oder Schmerz war. Eigentlich wollte er es auch gar nicht wissen. Es schmerzte und das war das wichtige. Oder das Schlimmste. Jeder einzelne Gedanke tat weh und Harry war sich nicht sicher, ob er es aushalten würde, wenn es weiterhin so weh tun würde.

„Ry? Was ist los?" Vicca setzte sich neben ihm auf sein Bett und schob ihr Gesicht über ihn, um ihn mit besorgten Augen anzusehen. Harry hasste es, dass er der Grund für die Sorgen in ihren Augen war, doch im Moment konnte er dagegen nichts tun. Er rollte sich auf die Seite, weg von ihr. Sie streckte einen Hand nach ihm aus, hielt sie ein paar Momente in der Luft und legte sie dann doch auf seiner Schulter ab.

Diese kleine Berührung sorgte dafür, dass die Tränen nur so aus Harrys Augen schossen und er sich Vicca in die Arme warf. Sie machte ein überraschtes Geräusch, schloss ihn aber in die Arme und rieb ihm mit einer Hand über den Rücken, während sie beruhigend auf ihn einredete. Harry verstand kein Wort, aber er nahm nicht an, dass irgendwas davon wichtig war.

Vicca strich einfach weiter über seinen Kopf und Rücken, schien also keine Reaktion von ihm zu erwarten. Er hatte einen Schluckauf und es schüttelte seinen Körper immer wieder, zwischen den Schluchzern und Hicksern. Harry konnte es nicht egaler sein und Vicca schien auf ihn zu warten.

Es dauerte, doch dann beruhigte sich Harry wieder. Er setzte sich auf und akzeptierte das Taschentuch, dass Vicca ihm reichte. Während er sich das Gesicht trocknete, setzte sie sich bequemer hin und sah sich im Raum um. Im Wasserbecken schliefen Neptun und Nautilus, die Kerzen beleuchteten den Raum und ansonsten war er so aufgeräumt und unpersönlich, wie an dem Tag, als sie das Zimmer das erste Mal betreten hatten.

„Also, was ist los? Du wirktest vorhin doch noch so glücklich." Vicca sah Harry abwartend an, als dieser das Taschentuch wegsteckte.

„Ich will nicht mehr. Ich kann das alles nicht mehr. Ich dachte, dass es hier besser werden könnte, aber es wurde nur schlimmer. Ich dachte nicht, dass es überhaupt noch schlimmer hätte werden können. Aber es wurde noch schlimmer. Alle wollen was, niemand lässt mich in Ruhe. Die Blacks stacheln alle an und die meisten machen einfach mit. Die Lehrer sind enttäuscht, die Mädchen aus den anderen Häusern widerlich anhänglich."

„Aber ich dachte, du hättest in Tom einen Grund gefunden mit all dem zu kämpfen. Du wolltest doch nicht schwach vor ihm wirken."

„Er hasst mich. Er muss mich hassen." schrie Harry auf und Vicca zuckte zurück.

„Bitte? Er hasst dich nicht. Mich? Vielleicht. Penita Parkinson? Vermutlich. Die Löwen? Aber sowas von. Aber dich? Nein. Er würde dich niemals in seiner Nähe dulden, wenn er dich hassen würde. Besonders nicht, wenn er nichts daraus bekommt. Er hasst dich nicht."

„Man könnte meinen, er tut. Er ist so lieb zu mir und dann macht er sowas. Ich will hier weg! Ich will einfach nur weg!" Vicca zuckte bei Harrys Ausbruch erneut. So kannte sie ihn nicht. Irgendwas hatte Tom getan, dass glaubte Vicca Harry.

„Was hat er getan, dass du so denkst? Ich mag ihn nicht mögen, aber er würde dir niemals absichtlich wehtun. Das kann ich mir absolut nicht vorstellen. Nein."

Harry lachte gebrochen auf und warf sich wieder in seine Kissen. „Dann ist er dumm und das ist er einfach nicht. Eher ist er grausam, als dass er dumm ist. Er muss gemerkt haben, dass ich ihn mag! Er muss es gemerkt haben! Und trotzdem macht er mit seiner Freundin rum, wenn ich dabei bin! Und wie! Sie klebt komplett an ihm! Ich hasse es!"

Er schloss die Augen, doch vor seinen Lidern spielten sich wieder nur die Szenen ab, die er in der Bibliothek mit ansehen musste, und er riss seine Augen wieder auf. Seine grünen Augen wanderten durch den Raum und blieben dann an dem Kästchen hängen, dass auf Viccas Schreibtisch stand. Seine Gedanken wanderten und er setzte sich wieder auf.

„Ich will noch einen Trank versuchen!"

Vicca zog zischend die Luft ein. „Ry. Du weißt, dass das unser Leben auf Spiel setzt. Ich weiß, dass dein Leben im Moment scheiße ist, aber willst du es wirklich wegschmeißen? So schlimm ist es hier jetzt auch nicht."

„Wenn willst du hier anlügen, Vicca? Unser Leben hier ist nicht besser als es vorher war. Vielleicht ist es sogar schlimmer. Wir fühlen uns hier beide nicht wohl und wollen eigentlich nur weg. Wir haben die Möglichkeit! Bitte Vicca! Ich halte das hier nicht aus!" Harry starrte Vicca an, die grünen Augen weit aufgerissen und er konnte sehen, wie Vicca einknickte.

„Wenn du wirklich meinst. Aber wir sollten es nicht hier in diesem Raum tun. Wer weiß was passiert. Ich kann mir genug Szenarien vorstellen, die ich nicht in diesem Zimmer haben will." Vicca stand auf und nahm das Kästchen in die Hände, ehe sie sich dem Schlangenbecken zuwandte. „Egal was passiert, ihr werdet Tom nichts sagen." zischte sie ihre Schlangen an, die sie ansahen und nickten.

Harry packte Vicca am Handgelenk und zog sie aus dem Raum. „Ich weiß, wo wir es machen können, komm." Er ließ ihr keine Chance zu protestieren, sondern brachte sie durch die düsteren Kerkergänge zu einem kleinen, hinter einer steinernen Statue verborgenen Raum. Einmal mehr war er dankbar für die Karte der Rumtreiber, die ihm diesen Raum gezeigt hatte.

In dem Raum breiteten sie die Tränke auf dem von Motten zerfressenen Teppich aus und legten die Uhr in die Mitte. „Ich kann mich nicht an diesen Trank erinnern. War da wirklich ein dunkelvioletter mit roten Blitzen dabei?" Vicca nahm einen der Tränke in die Hand und schwenkte die kleine Flasche, während sie ihren Blick über die Tränkefläschchen wandern ließ. Eine weitere, bauchige Flasche mit milchig weißem Inhalt kam ihr ebenfalls nicht bekannt vor.

Harry hörte ihr nicht zu, sondern besah sich selbst die einzelnen Fläschchen genauer und entschied sich dann für eine kunstvoll filigrane Flasche. Der Inhalt wirkte klar, bis Harry ihn schwenkte und sich die Flüssigkeit braun verfärbte. Vicca war nicht begeistert, nahm aber ihren Teil des Trankes an und beide stürzten die geschmacklose Flüssigkeit herunter.

Zunächst passierte nichts, doch dann breitete sich eine ansteigende Hitze in ihnen aus, die sich bald anfühlte, als würden sie von ihnen heraus verbrennen. Beide keuchten und versuchten sich aus ihren Klamotten zu schälen, doch dazu kamen sie nicht mehr. Zeitgleich verdrehten sie die Augen, verloren das Bewusstsein und kippten zur Seite.

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