Draußen vor dem Schloss regnete es und der Wind pfiff nur so um das Schloss. Er schien an jedem Stein zu zerren und an jedem Fenster zu rütteln. Wo immer er ins Schloss gelang, fegte er durch die Gänge, ließe die Kristallleuchter klirren, die Flammen der Fackeln tanzen und die Rüstungen klappern. Es ergab ein grausames Konzert, dass von den Wänden zurückgeworfen und verstärkt wurde.
Harry hatte dennoch ein Lächeln auf dem Gesicht, als er durch die Gänge zur Bibliothek eilte. Er hatte den Blacks ausweichen können, hatte auch die Löwen am heutigen Samstag noch nicht gesehen und im Anbetracht ihrer Schlafrhythmen, schliefen die bestimmt noch, und er hatte die große Hoffnung, Tom in der Bibliothek zu treffen.
Bei dem Wetter würde niemand auf dem Gelände sein, im Gemeinschaftsraum hatte er ihn nicht gesehen, aber nur einige Minuten eher beim Frühstück. Im Anbetracht der Tatsache, dass Vicca und Abraxas im Gemeinschaftsraum über Runen und Arithmetik brüteten, glaubte Harry nicht, dass der Nachhilfeunterricht Tom davon abhielt zu kommen. Er hoffte wirklich, dass er Recht hatte und Tom in der Bibliothek war.
Er hatte schon in den letzten Tagen versucht Viccas Rat ernst zu nehmen. Aber Tom hatte nie lange Zeit gehabt und so hatte Harry kaum Zeit mit ihm verbringen können und wenn, dann nie allein. Entweder der andere musste zur Nachhilfe mit Vicca oder zu seinem nächsten Unterricht, zu einem der Professoren, um über irgendeinen Schüler ihres Hauses zu reden, oder einer ihrer Mitschüler hatte ein Problem, dass Toms Aufmerksamkeit brauchte.
Jetzt aber hatte er eine perfekte Chance, um Zeit mit Tom allein zu verbringen, auch wenn sie dabei nicht viel reden konnten. Er sprang die Treppenstufen nach oben und ertappte sich dabei, wie er vor sich hin summte. Als er die Bibliothek erreichte, kam er zu einem Stopp und atmete durch. Er spielte an seinen Haaren herum, ehe er feststellte, wie albern er sich benahm und die Hände wieder sinken ließ.
Mit heftig schlagendem Herzen betrat er die Bibliothek. Er glaubte, dass jeder sein Herz schlagen hören musste, so laut kam es ihm vor. Hätte ihn die Bibliothekarin dafür rausgeschmissen, hätte er sich absolut nicht gewundert. Aber nichts passierte und er machte sich auf die Suche nach Tom. Die meisten der Tische und Nischen waren leer, doch in einer davon, die die Harry normalerweise auch nutzte, saß Tom, wie so oft stapelten sich Bücher um ihn herum auf dem Tisch.
Leise ließ sich Harry Tom gegenüber in einen Stuhl sinken und seine Tasche zu Boden gleiten, wo sie mit einem dumpfen Geräusch aufkam. Toms Kopf zuckte hoch und Harry lächelte. „Sorry. Ich wollte dich nicht erschrecken." flüsterte er.
Toms Gesicht wurde sanft und er erwiderte Harrys Lächeln. „Es ist in Ordnung. Ich habe nur nicht damit gerechnet, dass jemand um die Uhrzeit in der Bibliothek auftaucht und dann auch noch hier bei mir sitzt. Sonst sind nur die Ader hier und die bevorzugen es, Tische für sich selbst zu haben."
„Sie wollen nicht in deiner Gesellschaft sein? Dabei bist du solch gute Gesellschaft."
„Das sehen vermutlich nicht so viele wie du. Allen voran deine Schwester." erwiderte Tom und seine Augen zogen sich zu amüsierten Sichelmonden zusammen.
Harry musste sich das laute Gelächter verkneifen. „Wenn du ihr nicht Nachhilfe geben würdest in etwas, dass sie überhaupt nicht kann, dann würde sie dich sicher mögen. Aber es ist nun einmal peinlich, wenn man jemand anderem zeigen muss, dass man etwas so einfaches nicht beherrscht. Würde uns auch nicht gefallen."
„Das definitiv nicht. Und ich denke, deshalb mögen es die Adler auch nicht, sich einen Tisch mit mir zu teilen. Sie wollen immer die schlausten im Raum sein und nun, ich bin auch nicht unintelligent. Davon abgesehen, dass sie noch mehr Bücher sammeln, als ich selbst und einen gesamten Tisch für sich alleine brauchen."
„Noch mehr Bücher als du? Haben sie Angst, dass du ihnen die Bücher wegschnappst, die sie haben wollen?"
„Wer weiß. Manchmal wirkt es in jedem Fall so, als ob sie so denken. Aber warum bist du denn schon hier? Brauchst du Hilfe bei irgendwas?" Tom wirkte so besorgt, dass Harry im Inneren richtig warm wurde. Mit einer kleinen Handbewegung winkte er ab.
„Nein. Aber meine Schwester ist beschäftigt, das Wetter ist schlecht und ich habe noch Hausaufgaben. Und in deiner Umgebung traut sich niemand irgendwas Dummes. Also dachte ich..."
„Ich bin also dein persönlicher Schutzschild?" Toms Stimme war streng, doch Harry konnte ein amüsiertes Funkeln in den braunen Augen erkennen.
„Wenn du es schon so anbietest, ja. Ein gutaussehendes, wirksames Schild, dass es auch noch anbietet? Ich wäre ja dumm, dass nicht anzunehmen." Tom und Harry sahen sich an, beide so ernst aussehend, wie sie konnten, ehe beide zeitgleich brachen. Sie versuchten ihr Gelächter in ihren Ärmeln zu ersticken, doch einige Geräusche entkamen ihnen und Harry steckte seinen Kopf aus der Nische, um zu sehen, ob sie Ärger bekamen, doch die Bibliothekarin kam nicht.
„Sie ist nicht hier. Eigentlich müsste sie, aber sie will mit den Professoren frühstücken. Also macht sie hier auf und geht dann noch einmal zum Frühstück hinunter. Es sind ja auch nur ein paar Personen hier, die sich benehmen können. Und das war auch noch nie anders." meinte Tom und lächelte, als Harry den Kopf einzog.
Harry kramte seine Hausaufgaben aus seiner Tasche, denn er hatte nicht gelogen, als er meinte, er habe noch einige zu machen. Er hatte Tom nur nicht erzählt, dass er sie nicht gemacht hatte, um eine Möglichkeit zu finden, sie in seiner Nähe zu machen. So hatte er eine Ausrede Zeit in seiner Nähe zu verbringen.
Einige Minuten arbeiteten sie an ihren eigenen Aufgaben, dann blieb Harry an einer Aufgabe hängen. Er hob den Kopf und öffnete den Mund, um Tom nach Hilfe zu fragen, als er unterbrochen wurde.
„Tom. Hier bist du. Ich habe dich gesucht." Die sanfte, anschmiegsame Stimme hatte Harry schon einmal gehört, dachte er, als er den Mund schloss und sich zu ihr umsah. Vor ihnen stand eine junge Frau, die einer dunklen Elfen sehr ähnlich sah. Die weiße Haut wirkte beinahe wie Porzellan, die schwarzen Haare fielen lang an ihrem Körper herunter und ihre Augen wirkten wie schwarze Löcher, die einen in einem Strudel in ihre Tiefe rissen. Harry musste zugeben, sie war verdammt schön.
Harry musste an sich reißen, um sich nichts anmerken zu lassen, als sie auf den Stuhl neben Tom glitt und sich an seinen Arm schmiegte. Er erwartete, dass Tom sie behandelte wie Penita, doch das passierte nicht. Stattdessen drehte Tom den Kopf und küsste sie auf die Wange. „Evelynn. Wie schön, dass du uns hier Gesellschaft leistet. Du kennst Yuan, nicht wahr?"
„Nicht persönlich, aber ich freue mich darauf, ihn kennenzulernen. Immerhin scheint er dein Protegé zu sein. Natürlich will ich den Schüler meines Freundes kennenlernen." Sie streckte lächelnd einen Arm aus und Harry nahm die Hand mit einem gezwungenen Lächeln an. Als sie die Hand wieder zurückzog, hob sie sie vor den Mund und kicherte.
„Er ist so süß, Tom. So ein Schätzchen. Oh, schau, jetzt wird er rot. So ein unschuldiger kleiner Junge. Man sollte ihm einmal beibringen, was er mit einer Frau anstellen kann. Sein Aussehen wird sie anziehen, ohne jede Frage. Du solltest dich darum in jedem Fall kümmern." Sie lehnte sich noch enger an Tom, währen Harry rot anlief.
Tom sagte nichts, küsste sie aber und Harry ballte eine Faust unter dem Tisch. Er wand sich seinem Buch zu und überlegte, ob er gehen sollte, denn als er zu dem Paar linste, konnte er Evelynns Hände wandern sehen und das wollte er sich nicht antun.
„Was wolltest du eigentlich gerade?" Harrys Kopf zuckte hoch und er sah Tom an.
„Äh... ich weiß nicht mehr. Es fällt mir vielleicht wieder ein." Sein Lächeln war extrem gezwungen und er senkte den Kopf sofort wieder, um nicht auf Evelynns Hand zu starren, die besitzergreifend um Toms Unterarm geschlungen war.
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Fatum
FanfictionHarry und seine beste Freundin Vicca spielen Anfang seines sechsten Jahres das Spiel Fatum, dass sie in der Kammer des Schreckens gefunden haben. Mit der Gewissheit jederzeit zu sterben stürzen sie sich in das Spiel.