Kapitel 11: Klonen

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(POV Merlin)

»Was habt ihr heute in der Schule durchgenommen?«
Es war einer der seltenen Abende, an denen Lucius sich frei nahm, um mit Merlin und Tristan Zeit zu verbringen. Sie kochten dann ihre Lieblingsgerichte oder bestellten sich etwas und aßen gemeinsam vor dem Fernseher. Fast wie eine normale Familie.

Abgesehen davon, dass Tristan ein Nachbar und kein zweiter Vater war.
Und, dass Lucius seiner Arbeit mehr Zeit widmete, als seinem Sohn.
Und, dass Merlin keinen wirklichen Sohn darstellte.

Er zögerte, bevor er auf Lucius' Frage einging. Ob ›die anderen haben sich über mich lustig gemacht‹ als anerkannter Unterrichtsstoff akzeptiert wurde? »In Mathe ging es um binomische Formeln.«

Tristan füllte Mehl in einen Messbecher, welcher auf einer Küchenwaage stand. An diesem Abend kochten sie selbst. Obwohl sie, wenn man es genau nahm, eher backten. Selbstgemachte Pizza stand auf dem Plan. »Binomische Formeln? Die hast du doch schon längst drauf, oder nicht?« Der rothaarige Mann war Biologe, das wusste Merlin, aber er redete nur selten über seinen Beruf.

Er nickte. Einige der Themen, die für die anderen neu waren, hatte er bereits von seinem Vater gelernt. Mathe, Biologie, Physik, Informatik. Wenn es um solche Fachgebiete ging, dann konnte man Lucius in seinem Redefluss kaum unterbrechen. »Dafür hänge ich in Englisch hinterher.« Merlin schlucke. Und Sport. Und Deutsch. Und Religion.

»Das lernst du auch noch.« Lucius stand vor dem Herd und rührte in einem Topf mit Tomatensoße. Das Blubbern der platzenden Bläschen untermalte das Gespräch. »Vielleicht sehen wir uns heute einen Film mit Untertiteln an.«

»Biologie war unangenehm«, krächzte Merlin und hielt in seiner Tätigkeit inne. Er war dafür zuständig, Gemüse kleinzuschneiden. Vor ihm türmten sich Paprikawürfel und Zucchinischeiben. »Wir nehmen gerade Gentechnik durch.«

Lucius und Tristan erstarrten in ähnlichem Ausmaß. Aus dem Topf sprühte Tomatensoße auf die Herdplatte. Der Teig, den Tristan knetete, verharrte unter seinen verkrampften Händen.

Merlin zog die Augenbrauen zusammen. »Es ging eigentlich um Klone, aber dann hat Ches-«

»Ihr redet in der Schule über Klone?«, fiel Lucius ihm ins Wort. Seine Mimik war unpassend verzogen. Er sah wütend aus, mit den tiefstehenden Augenbrauen und der aufgeblähten Nase. Der Topf neben ihm warf brodelnde Tomatenspritzer von sich, als wäre er ein aktiver Vulkan. »Das sollte nicht Thema sein, es ist verboten!«

Tristan entließ einen zischenden Laut und deutete Lucius an, sich zu beruhigen. »Das ist ein ganz normales Unterthema der Gentechnik.«

»Es ist nichts, worüber die Öffentlichkeit zu informiert sein sollte.« Lucius rührte die Tomatensoße um, ging dabei aber so energisch vor, dass weitere Spritzer herausflogen. Wenn das so weiterging, dann wäre für die Pizza nichts mehr übrig.

»Ich weiß. Aber du solltest dich darüber nicht so aufregen.« Tristan hatte alle Mühe, ihn zu beruhigen. Er wedelte mit seinen teigverklumpten Händen vor Lucius Gesicht herum. Wie ein Löwenbändiger, dem die waghalsige Nummer vor Livepublikum entglitt.

Die Worte, die er nicht ausgesprochen hat, lagen Merlin noch auf der Zunge, während er die beiden Männer abwechselnd beobachtete. War das ein Streit? Sie stritten sich, weil er im Biounterricht etwas über Klone gelernt hat? »Ich wusste schon längst, was es mit dem Klonieren auf sich hat. Darüber findet man viel im Internet.«

»Verdammt nochmal«, stöhnte Lucius und nahm endlich den Topf von der heißen Herdplatte. Sie mussten die Pizza also doch nicht ohne Soße essen. »Und warum interessiert dich das Thema, hm? Es gibt so viel, womit man sich auseinandersetzen könnte.«

UnmelodieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt