Als Alfred das Bewusstsein wiedererlangt, erkennt er beim Öffnen seiner Augen sofort das blaue Haus in Liesing. Nicht viel später fällt ihm auf, dass er am Steuer seines Autos sitzt, welches brav und völlig unversehrt am Straßenrand parkt. Gleichzeitig bemerkt Alfred, dass er sich rühren kann. Das erste, was er mit dieser Erkenntnis anzufangen weiß, ist sich verwirrt am Kopf zu kratzen."Ah, Zefix." hört er Emanuel neben sich leise fluchen. "Du hast a verdammt festen Griff."
Er bekommt prompt einen Ellenbogenhieb in die Seite. "Arschloch." meint Alfred. "Du hast mich da oben allein durch die Wolken irren lassen."
"Konnt ja nix dafür, dass wir getrennt wurden." Emanuel reibt sich leicht benommen die Stirn. "Du hast dich aber recht gut geschlagen. Und hast mich ned verraten." Er schenkt seinem Freund ein dankbares Lächeln, doch davon lässt sich Alfred nicht erweichen. "Konnt ich übrigens auch nix dafür."
"Alfie.." versucht es Emanuel noch einmal aber da ist Alfred schon ausgestiegen und lässt die Fahrertür nicht ganz so sachte ins Schloss fallen.
Selma und Qamar haben die beiden schon erwartet, aber ganz zu Alfreds Erstaunen, scheint den Frauen keine Verspätung aufgefallen zu sein. Bei einem Blick auf die Uhr im Wohnzimmer wird ihm klar, dass während ihrer Tour durch den Himmel™ tatsächlich kaum Zeit vergangen war.
"Ist was passiert?" fragt Selma nach, als Alfred fassungslos den Stundenzeiger beäugt.
"Nein...Ich denk die Uhr im Auto ist einfach kaputt." begründet er seine Verwirrung.
Umso besser, Alfred ist reichlich erleichtert darüber, Qamar nicht um Vergebung anwinseln zu müssen. Es duftet bereits aus der Küche und der Esstisch wird gedeckt.
Emanuel rührt sich nicht von der Stelle. Sein Blick fixiert sich leicht irritiert in eine Ecke des Wohnzimmers."Kommst dann?" wird er von Alfred gerufen.
"Eh ja." Emanuel setzt sich endlich in Bewegung, mit dem Blick zum Boden, um die geisterhafte Erscheinung einer älteren Dame zu ignorieren, deren Augen wie die eines Habichts auf ihm liegen, während sie bedrohlich mit einem ebenfalls recht geisterhaften Nudelholz winkt.
Sie essen gemeinsam und unterhalten sich, wobei Emanuel nur eines dieser Dinge tut. Unbeteiligt schaufelt er sich Reis und türkische Bohnen in den Mund. Hin und wieder schaut er ganz unauffällig von unten herauf zu Alfred und wartet darauf, dass er seinen Freundinnen berichtet, was sie beide eben erlebt haben. Doch dieser verschweigt gekonnt die Erfahrungen der letzten Stunden. Er tut doch tatsächlich so, als habe er den ereignislosesten Vormittag überhaupt hinter sich.
Als es dämmert, macht sich die Gruppe auf den Weg. Mit der Straßenbahn gelangen sie in die Innenstadt, wo die Gassen um den Stephansdom bereits mit leuchtendem Lichterschmuck und aufgebauten Bühnen imponieren.
Selma, Alfred und Qamar zwängen sich durch die recht dichte Menschenmenge und schnattern dabei noch immer aufgeregt untereinander, als habe man sich weiß Gott wie lang nicht mehr gesehen und nun gäbe es viel zu Erzählen. Emanuel dackelt recht teilnahmslos hintendrein mit den Händen in den Hosentaschen. Eigentlich hat er gar keine Lust auf derartigen Firlefanz, er würde sich jetzt lieber daheim verkriechen. Das Abenteuer von vorhin hat ihm die morgige Unternehmungslust wie einen Teppich unter den Füßen weggezogen. Ihm ist ja nicht einmal so genau klar, was er von all dem halten soll. Himmel und Hölle sind unentwegt hinter ihm her und wollen ihn partout nicht ziehen lassen.
Emanuel schaut sich alle paar Minuten um, als befürchte er, verfolgt zu werden. Doch sein Blick trifft immer nur auf den Rest der Menschentraube hinter ihm oder auf das böse Augenfunkeln eines anderen Fußgängers, der es Emanuel offensichtlich sehr übel nehmen würde, sollte dessen Unaufmerksamkeit einen Zusammenstoß verursachen. Meist wirft Emanuel einfach ein ebenso böses Augenfunkeln zurück und dann hat sich das. So kommuniziert man in der Stadt.
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Keine Ruhe in Frieden [Roman]
General FictionEigentlich hätte sich Emanuel ja denken können, dass ihn keineswegs das Paradies erwartet. Nach seinem plötzlichen Tod sollen auf einmal alle möglichen himmlischen und höllischen Mächte darüber entscheiden dürfen, was mit seiner Seele passiert! Tat...