Gabriel betrachtet sein kleines, von der bauchiges Form verunstaltetes Abbild auf dem Sektglas, das er in der Hand hält. Die aufsteigenden Bläschen darin verkörpern seinen Denkprozess ziemlich treffend. Er verweilt in einer unscheinbaren Nische neben dem Buffettisch. Neben dem ausgeprägten dämonischen Festmahl schwimmt in einer großen Punschschüssel ein Schwan aus Eis. Wenn sich Gabriel und Michael in einer Sache jemals einig waren, dann ist es die Tatsache, dass Luzifers Vorliebe zum Kitsch nicht immer leicht nachzuvollziehen ist.Dämonen aus allen Teilen der Hölle haben sich zu einer der vielen Abendpartys des Teufels versammelt. Auch Leviathan ist anwesend, umringt von ihren fischähnlichen Tänzern, sowie Asmodeus und Behemoth und Beelzebub und Astaroth und das sind nur wenige Namen, denen Gabriel einem Gesicht zuordnen kann. Er lässt den Blick durch den Ballsaal schwenken, scheinbar mit der Befürchtung, er könnte jederzeit überfallen werden.
Neben Helia kommt er sich in seinem schlichten Anzug und den schwarzen Lederschuhen ziemlich underdressed vor. Am liebsten hätte er etwas ebenso Glitzerndes und Extravagantes getragen wie sie. Dieser Aufzug lässt ihn langweilig aussehen und vermittelt den anderen Gästen den Eindruck, er hätte es nicht für nötig gehalten, sich irgendwelche Mühe zu machen. Allerdings bleibt so seine Präsenz subtil.
Helia sieht hinreißend aus wie immer, aber ihr Blick ist aus der Ferne auf Luzifer und Lilith gerichtet. Alles sammelt sich um das strahlende Königspaar der Hölle, welches die Aufmerksamkeit im Mittelpunkt des Geschehens genießt.Gabriel fühlt sich seit seiner Ankunft auf der Party unwohl und das Gefühl verschlimmert sich, als Helias Aufmerksamkeit offenbar anderem gewidmet ist. Sie sieht ihn leicht genervt an, als er ihr auf die Schulter tippt. "Was ist denn?"
"Hab ich dir schon gesagt, wie bezaubernd du in deinem Kleid aussiehst, meine Liebe?" Er erhofft sich, Helia mit seinem Kompliment aufzuweichen, doch der gewünschte Effekt bleibt aus.
"Ja, hast du schon gesagt."
"Oh, Verzeihung...." Gabriel räuspert sich, findet aber schnell die Fassung zurück. "Du wirkst abgelenkt, Liebes."
"Bin ich nicht." Sie wendet den Blick von dem Paar ab und lenkt ihre Aufmerksamkeit stattdessen auf ihr eigenes Glas.
"Ich habe Grund zu der Annahme, dass du das doch bist..." erwidert Gabriel.
"Ich bin aus geschäftlichen Gründen hier, das habe ich, glaube ich, schon mehrmals klargestellt." „
"Richtig, ich verstehe, Milady. Ich schätze, Luzifer schuldet dir wohl auch eine Aufenthaltsgenehmigung."
"Haha." meint Helia sarkastisch. "Du bist ein echter Scherzkeks."
"Tut mir leid, das war albern von mir. Ich kann nicht leugnen, wie großartig du in diesem Kleid aussiehst. Bitte verzeih mir, Sonnenschein. Ich mach mir nur Sorgen, dass dein Gespräch mit Luzifer nicht wie geplant verlaufen wird-"
"Entschuldige mich kurz." Gabriels Versuch, die Gunst der so von ihm verehrten Dämonin durch einen Überfluss an Komplementen und Schmeicheleien zurückzugewinnen, scheitert prompt und er bekommt ihr Sektglas in die Hand gedrückt, bevor sich dann in Luzifers Richtung aufmacht. Mit ungelenken Handbewegungen bewahrt Gabriel das Glas vor einer Bruchlandung.
Das Königspaar ist ebenso ansehnlich und angemessen gekleidet. Lilith sieht in ihrem eng anliegenden lilafarbenen Kleid umwerfend aus, während Luzifers Anzug millionenfach ansprechender und geschmackvoller ist als Gabriels. Der Teufel ähnelt mit seinem fuchsiafarbenen Kostüm, der mit kunstvollen Mustern bestickt ist, einem stattlichen Torero, der stolz zum Stierkampf aufbricht und lauter Rosen zugeworfen bekommt.
Was könnten die jetzt wohl besprechen?
Obwohl Helia einen so niedrigen Rang hat, scheint sie von den höherrangigen Dämonen sehr respektiert zu werden. Gabriel vernimmt das plötzliche Anschwellen von Musik und es versammeln sich Gruppen von Dämonen zum Tanz. Fasziniert verfolgt er den erotischen Schwung des Tangos und die Dämonenpaare, die anmutig und in perfekter Harmonie anfangen, diesen zu tanzen.
Langsam schleicht sich die Sehnsucht, ebenfalls einen Tanzpartner zu ergattern, an den Erzengel heran.
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Keine Ruhe in Frieden [Roman]
Ficção GeralEigentlich hätte sich Emanuel ja denken können, dass ihn keineswegs das Paradies erwartet. Nach seinem plötzlichen Tod sollen auf einmal alle möglichen himmlischen und höllischen Mächte darüber entscheiden dürfen, was mit seiner Seele passiert! Tat...