Heaven on their Minds

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Unterdessen stehen Judas und Isopoda noch immer Schmiere vor der Tür des Büros. Trotz notwendiger permanenter Wachsamkeit, nistet sich bei Isopoda so langsam die gefürchtete Langeweile ein. Für einen Dämon ist Langeweile eine besonders große Qual. Bei jedem einzelnen dieser himmlischen Besuche ist ihm immer wieder aufs Neue aufgefallen, wie selten er mit Judas auch auf privater Ebene ein Wort wechselt, denn trotz der langen Zeit, die sich die beiden schon kennen, lässt sich der ehemalige Jünger selten auf Unterhaltungen ein. Lange war Isopoda fälschlicherweise der Annahme, das läge an dem Scham, den Judas empfinden muss dafür, Jesus verraten zu haben.

Auch wenn eingeborene Dämonen aufgrund des Umfelds, in welchem sie aufwachsen, einen sehr fragwürdigen Sinn für Moral entwickeln, sind die meisten von ihnen dazu fähig, menschliche Emotionen und Gedankenprozesse nachvollziehen zu können. Während seines Lebens in der Hölle hat Isopoda so einiges zu sehen bekommen, was eindeutig eine gewisse Desensibilisierung hervorgerufen hat. Dennoch versteht er, dass es schlecht ist, seine Freunde zu verraten.

"Weißt du, ich fand deine Geschichte immer sehr interessant." fängt Isopoda an. Nun ist es nicht so, dass es dem Dämon gar ganz an Intelligenz mangeln würde. Er ist einfach nur nicht besonders scharfsinnig, was angebrachte Gesprächsanfänge betrifft. Eigentlich kann Judas ihm das auch nicht übel nehmen. Weshalb er so tut, als habe er die Worte des Dämons nicht gehört.

"Es will mir nur manchmal nicht in den Sinn, dass du und der Judas aus der Bibel dieselbe Person sind." fährt Isopoda trotzdem fort. "Ich hab die Bibel ja nie gelesen, aber man weiß ja grob, was darin steht...Also es ist ja nicht so, dass ich mir irgendein Getratsche anhör, oder so...Gossip ist ja schon voll uncool. Wirklich. Aber-"

"Ich versteh schon." meint Judas leise. Sonderlich gesprächig war er nie.

"Hat er dir eigentlich verziehen? Ach Mann, was frag ich so blöd, dann wärst du ja nicht in der Hölle. Kann man ja verstehen. Du hast es ja auch für Geld gemacht, stimmt's? Wie viel war es nochmal? zwanzig Silberlinge?"

"Dreißig." sagt Judas und schließt kurze Zeit erschöpft die Augen. "Dreißig warn es."

"Oha." entfährt es Isopoda und Judas' Stoßgebete, der Dämon würde wohl endlich den Mund halten, verhallen im Nichts.

"Und was sollte der Kuss überhaupt?" bohrt Isopoda weiter. "Es heißt immer, damit sie wissen, wen sie verhaften müssen, aber...die waren doch sowieso hinter dem Kerl her, die wussten, wie der aussieht."

Judas antwortet ihm nicht, er steht nur weiter herum wie eine eingeschüchterte Ente, die zum ersten Mal in ihrem Leben einen Teich sieht.

"Oder war das zynisch gemeint? Weil du ihn verrätst? So bösartig hätte ich dich nie eingeschätzt..."

"Ich dachte, er wäre der Messias." platzt es aus Judas heraus. "Ich dachte, er rettet uns alle. Befreit uns von der römischen Besatzung. Vor allem Bösen auf Erden..."

"Stattdessen war das Böse in dir selber." plappert Isopoda weiter, nicht weil er das tatsächlich glaubt, sondern weil er davon ausgeht, dass das ein Satz ist, den ein großartiger Philosoph in so einem Moment loslassen würde.

Judas schließt geduldsvoll die Augen und schüttelt leicht den Kopf. "Hör zu, Isopoda. Ich weiß, du bist kein schlechter Kerl, aber du verstehst das nicht. Du kannst es nicht verstehen."

Isopoda beugt sich mit getriebener Neugier vor. "Dann erklär es mir! Sag es mir, dass ich's versteh."

Judas verpflichtet sich erneut dem Schweigen und wagt es nicht, dem Dämon ins Gesicht zu sehen. Aber der scheint nicht locker lassen zu wollen.

"Komm schon. Ich sag's auch keinem!" schwört Isopoda und wenn er auch der einzige Dämon sein mag, dem Judas sich freiwillig anvertrauen würde, er weiß, dass es klüger wäre, den Mund zu halten. Er presst eisern die Lippen aufeinander.

Keine Ruhe in Frieden [Roman]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt