Ring of Fire

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"Gehst du einkaufen?" Alfred war gerade erst aufgestanden und genauso sieht er auch aus. Sein schwarzes Haar steht ihm wirr und struppig vom Kopf ab. Mit dem Ärmel über der Faust reibt er sich über das müde Gesicht. Seitdem sein Vater gestorben ist, schläft er noch schlechter als zuvor schon. Da hilft warme Milch und Blütentee so langsam auch nichts mehr.

"Einfach nur, um den Kühlschrank aufzufüllen." meint Emanuel und bereut es dann schon gleich, als Alfred recht bedrückt dreinschaut. "Ich hätt's auch gemacht, aber die letzten Tage war'n so verschwommen..."

"He, alles gut." Emanuel drückt sich so sanft wie möglich aus und tätschelt ihm die Schulter. "Kein Ding, ich geh gern einkaufen."

"Du musst ned immer alles für mich machen." versichert ihm Alfred, als ob er ihn gar nicht gehört hätte. In letzter Zeit macht er das ziemlich oft. Emanuel ertappt sich öfters dabei, wie er seinen Freund mehrmals beschwichtigen und ihm versichern muss, dass es ihm kein gewaltiger Umstand sei, Einkäufe zu erledigen, Wäsche zu waschen oder ihm den Salzstreuer über den Tisch zu reichen.

"Ich mach es aber." stellt Emanuel klar. "Ich würd's ned machen, wenn's mir stinken tät."

"Ich mein ja nur." murmelt Alfred und krempelt seine Ärmel zurück. Auch er hat heute zu tun, nämlich das Fertigstellen eines ansatzweise präsentablen Werks für eine Ausstellung und Alfred hat seit Wochen nicht mehr gemalt. Heut wird er sich zusammenreißen.

Emanuel sammelt seine Stofftasche zusammen und gibt sich so zuvorkommend wie möglich. "Gibt es irgendwelche Wünsche, my Darling?"
Alfred schmunzelt leise. "Nah, ich glaub ned."

"Sicher? Falls du auf irgendwas bestimmtes Lust hast...ich besorg es dir."

"Schau einfach, dass du irgendwo Milch herbekommst." meint Alfred, während er in der Küche herumhantiert.
"Alles klar, Superstar." Emanuel ist schon halb zur Tür hinaus, allerdings nicht ohne seinem Freund hinter dessen Rücken eine Kusshand zuzuwerfen. "Bin in Null Komma nix wieder da. Mal du nur schön."

In den Einkaufsstraßen herrscht reges Treiben, doch Emanuel ist in einer für ihn ungewöhnliche guten Stimmung. Er muss sich zurückhalten, nicht etwa wie ein junges Fohlen über den Bürgersteig zu galoppieren. Es ist ein sonniger Nachmittag, der die Stadt aufblühen und so viel freundlicher wirken lässt. Emanuel lächelt die Leute sogar an, die an ihm vorbei kommen. Hin und wieder erwischt er sich selber auch beim vor sich hin pfeifen.

Alle Arten von Geschäften, von denen er nie zu träumen gewagt hätte, sie jemals von innen zu sehen, betritt er heute, als wär es selbstverständlich.
Niemals in seinem Leben hätte Emanuel auch nur Wetten darüber abgeschlossen, so etwas wie einen Blumenladen zu betreten. Aber da das betreffende Leben ohnehin schon längst vorbei war, hält ihn nichts mehr davon ab, etwas zu tun, was der alte Emanuel allein aus Gründen der Peinlichkeit niemals gewagt hätte.

Die meisten Menschen kaufen Blumen wegen der Ästhetik, doch vor geraumer Zeit gab es für diese farbenfrohen Pflanzen eine eigene Symbolsprache, mit der man Emotionen oder Denkweisen zum Ausdruck brachte, die man wegen damaliger Etikette nicht laut aussprach.

Emanuel ist keineswegs amateurhaft unterwegs. Qamar hat ihm ein Nachschlagewerk über die Bedeutung bestimmter Blumen geliehen und das nicht ganz ohne Augenzwinkern.
Rote Rosen würden für den Anfang zu weit gehen, und es ist nicht gerade so, dass Rosen selbst nicht furchtbar überbewertet wären, zumindest aus Emanuels Sicht. In diesem Moment darf er erfahren, dass nicht jede Rosenart die gleiche Bedeutung hat. Während rosarote Rosen eine jugendliche, zärtliche Bindung symbolisieren, steht die gelbe Rose für Eifersucht und Neid und weiße Rosen wiederum für Reinheit und Treue, aber auch für geheime Gefühle und unaussprechliche Sehnsucht. Emanuel grinst idiotisch vor sich hin, als er den Paragraph liest.

Keine Ruhe in Frieden [Roman]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt