The Book of Love

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Sie setzen sich in eine Bar in der Nähe, die auch das Ziel vieler anderer Nachtschwärmer geworden zu sein scheint. Hier ist es überfüllt und spärlich beleuchtet, aber wie durch ein Wunder macht Alfred keinerlei Eindruck, als ob ihn diese Umstände überhaupt stören würden. Ein anderer Name für ein solches Wunder wäre wohl Ekstase.

Wie jeder andere kennt auch er das seltsam schwankende Gefühl, ähnlich einem glückseligen Delirium, welches einen beispielsweise nach dem endgültigen Zuschlagen eines Buches überkommt, oder nach dem Verlassen eines Kinos oder, wie in seinem Fall, eines Opernhauses. Emanuel würde lügen bei der Behauptung, sich auch nur ansatzweise anders zu fühlen.

Sie drängen sich gemeinsam durch die Menschengruppen und durch besagte Enge wird Alfred näher an Emanuel gedrängt, dem er dicht gefolgt war, um sich nicht zu verirren.

"Das scheint hier eher nach deinem Geschmack zu sein." kommentiert Alfred über die Musik hinweg, als sie bereits das andere Ende der Bartheke erreicht hatten. "Bis jetzt hatte ich einen guten Abend." erwidert Emanuel. "Du ned?"

"Du schienst ned so wirklich investiert." meint Alfred. Es war kein Vorwurf.

"Doch, doch." wirft Emanuel ein. "Ich hab aufgepasst. Sehr intensiv sogar."

Er winkt die Barkeeperin her, die sich ihnen bereits nähert, und zeigt irgendwo auf die Karte, von der viele auf dem Tresen herumliegen.

"Ich such mir das tuntigste Gebräu, das's gibt." meint er. "Wärst du ein Schatzl und gibst etwas Gin dazu?"

"Sicher." antwortet die Barkeeperin. Es handelt sich um eine recht korpulente junge Frau, wahrscheinlich jünger als sie beide. Sie nickt in Alfreds Richtung. "Und dein Spezl?"

"Für mich ein Limoncello Spritz." antwortet Alfred selbst und die Frau wirft ihm einen amüsierten Blick zu. "Denkst du, du kriegst das runter, Burli?"

"Ich habe schon Stärkeres gehandhabt, Madam."

"In Ordnung." Sie kichert in sich hinein und macht sich an die Arbeit.

Emanuel dreht sich grinsend zu seinem Freund um. "Mann, sie hatte keine Gnade."

"Ich musste meine Ehre verteidigen." erwidert Alfred snobistisch, aber ein Lächeln ist auf dem Weg. "Du kannst auch ned anders, als mit der Kellnerin zu flirten."

"Ich hab ned mit der geflirtet, ich hab freundliche Konversation geführt. Die ist höchstwahrscheinlich sowieso lesbisch. Hast du deren Frisur gesehen? Und ihre Tattoos. Heterosexuelle Frauen lassen sich solche Tattoos ned stechen."

Alfred bekommt keine Gelegenheit, darauf zu antworten, als die Frau bereits zurückkommt. "Bitte schön."

Sie reicht die Getränke über den Bartisch und Alfred wirft einen Blick auf ihre massigen Arme, wo er die beiden ineinander verschlungenen Scheren sieht. Er hat keine weiteren Fragen.

"Also, wie ich schon sagte: Ich hab aufgepasst. Ich hab mich sogar davor schon schlau gemacht." stellt Emanuel klar. "Elektras ganzes Ding war es, ihren Vater zu rächen, der von ihrer Mutter, deren Name wie ne Geschlechtskrankheit klingt, und dem Stiefvater abgemurkst wurde. Sie dachte, ihr Bruder sei tot, weil ihre Schwester mit einem ebenso komischen Namen es ihr gesagt hat, aber er war ned wirklich tot-"

"Orest war ned wirklich tot, Nein." bestätigt Alfred und zieht am Strohhalm.

"Richtig." sagt Emanuel, erstaunt darüber, dass Alfred nicht einmal zusammenzuckt, als er an einem Gesöff nuckelt, welches dem Dämon schon beim ersten Schluck sicherlich das Hirn ausgeschlagen hätte. "Ich find's komisch, dass die ganze Sache mit Elektras seherischen Fähigkeiten letztendlich nirgendwo hinführte. Gab's so wirklich einen Grund, das überhaupt zu erwähnen? Oder wollte man wirklich nur eine Szene hinzufügen, in der das Madel aktiv den Verstand ihrer Mutter durchfickt, nur aus Jux? Jedenalls: Ich fand's geil. Ich hab wirklich mit ihr mitgefiebert."

Keine Ruhe in Frieden [Roman]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt