Das Narrativ

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"Ja, was ist denn? Gibst du schon auf?" Eine Frau mit langen dunklen Haaren gesellt sich zu Emanuel. Sie schiebt sich eine Strähne hinters Ohr. "Hartnäckig bist du nicht gerade."

Emanuel ignoriert sie entweder gekonnt oder überhört sie komplett. In dem Pub ist es sowieso zu laut und überfüllt, um irgendwas zu hören und nach drei Guiness hängt er zusammengesunken über dem Tisch wie angeschossenes Wild.
Die Frau stupst ihn mehrmals mit ihren spitzen Fingernägeln an. "Komm schon." flüstert sie provokant und für einen Moment ist ihre Stimme deutlich vernehmbar über die Geräusche des Pubs hinweg. "Na komm schon, Bazi."

Genervt hebt Emanuel den Kopf von der Tischplatte. "Geh schleich di."

Lilith stützt ihr Kinn kokett auf ihren Händen und blinzelt ihn lieb an. "Ich hab gehört, du brauchst Hilfe." Ein tiefes Surren liegt unter ihre Stimme, alle anderen Geräusche sinken immer mehr in den akustischen Hintergrund. "Du hast dich ganz schön in die Scheiße geritten."

"Fuck off." Emanuel haut etwas Trinkgeld auf den Tisch, bevor er sich nicht ganz ohne leichte Turbulenzen von seinem Stuhl schält und aus dem Etablissement stiefelt.

"Hey, das ist aber nicht meine Schuld!" ruft ihm Lilith hinterher. Sie folgt ihm auf die Straße hinaus, immer mehr von ihrem dämonischen Aussehen preisgebend, ohne dass irgendeiner der Passanten etwas davon mitbekommt. "Hast du dir selbst aufgeladen"

Emanuel schlägt den Kragen seiner Jacke hoch und legt einen Zahn zu, um sie abzuwimmeln, doch die Dämonenfürstin hängt ihm weiterhin an den Fersen. "Was nicht heißt, dass ich dir nicht helfen kann."

Was sie nicht zu verstehen scheint, ist dass ihm längst nicht mehr zu helfen ist. Emanuel hat inzwischen mehr Schiffe versenkt als besessen, es gibt kein zurück mehr.

"Und was willst du jetzt machen?" wundert sich Lilith, viel zu nah an seinem Ohr. "Dich selber nochmal gegen die Wand fahren?"

"Nenn mir einen Grund, warum ich ausgerechnet dir vertrauen sollte?"

Lilith verschränkt fröhlich die Arme hinterm Rücken und guckt ein bisschen in der Gegend herum, als sei sie auf einem netten Spaziergang. "Weil du keine Wahl hast, fürchte ich."

Emanuel blickt hilfesuchend um sich, irgendwer muss doch bemerken, dass er sich unfreiwillig mit einer grausigen Gestalt unterhält. Wenn er auf sich aufmerksam macht, wird ihm schon irgendwer zu Hilfe eilen. Aber die Leute schauen gar nicht nach ihm, schon gar nicht nach Lilith.

Emanuel stolpert zur Seite um absichtlich einen entgegenkommenden Passanten anzurempeln und er stellt mit Entsetzen fest, dass er durch ihn durch fässt wie ein Geist.

Erbost fährt er herum. "Was hast du gemacht?!"

"Glaub bloß nicht, dass du mich so schnell loswirst." antwortet Lilith entspannt. "Du bist heut genug herumgerannt, würd ich sagen."

Emanuel schiebt die Hände ihn die Hosentasche und betrachtet sie skeptisch. "Was genau bist du eigentlich, ein gefallener Engel?"

Lilith unterdrückt ein körperliches Zittern. "Ich bin eine Fürstin. Alles andere ist völlig irrelevant. Ich bin, wer ich jetzt bin, nicht wer ich einmal war. Ich nagel mich auch nicht daran fest, dass du mal ein hässliches, schrumpeliges Baby warst."

"Lilith. Die Mutter aller Dämonen." Wenn er sie provoziert, wird sie ihn vielleicht endlich in Ruhe lassen. Diesmal wäre Asmodeus nicht präsent, um ihn zu beschwichtigen. "Adams erste Frau, bevor Gott dich aus dem Paradies verbannt hat."

Liliths Augen schimmern für eine Sekunde auf eine Art und Weise, die eine Warnung zum Ausdruck bringt. "Wag es nicht, diesen Namen in meiner Gegenwart auszusprechen."

Keine Ruhe in Frieden [Roman]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt