Teil 5

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Linda saß in seiner Küche und starrte auf das kleine Ding auf seiner Anrichte. Ihre Augen waren riesig, und man konnte die ersten Tränen sehen.
„Oh mein Gott, Chris", hauchte sie. Die letzten zehn Minuten hatte sie ihn nur sprachlos angesehen, ihre Blicke gewechselt zwischen ihm und dem kleinen Ding.
„Seit wann hast du den?", fragte sie.
„Zwei Tage vor deinem Geburtstag. Ich hatte ihn versteckt und dann...naja..vergessen. Irgendwie".
„Wow", war das einzige, was sie sagte. Wahrscheinlich war sie eher sprachlos über die Geste als über den eigentlichen Gegenstand.
„Du wolltest also wirklich..?", begann sie.
„Jap. Also nicht jetzt. Aber irgendwann. Ich hab den gesehen und dachte: das ist er! Verstehst du? Und dann hab ich ihn versteckt. Irgendwann, Linda. Irgendwann wollte ich es machen. Und dann passierte das".
Beide wussten, was er mit „das" meinte. Es war das Baby.
„Oh mein Gott", sagte sie wieder.
„Das sagtest du bereits", antwortete er. Aber insgeheim machte ihre Reaktion ihn wirklich glücklich.
„Oh mein Gott", wiederholte sie noch einmal und er verdrehte die Augen.
„Und nun?", fragte sie gespannt.
„Nichts 'und nun'. Ich werde mit ihm reden. Das ist alles. Danach sehe ich weiter".
„Nun komm, lass uns gehen", warf sie irgendwann ein. Die Sonne stand noch am Horizont und begleitete sie nach draußen. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Der Weg war kurz und mit dem Fahrrad waren sie wenige Minuten später am Ziel.
Mahluna stand bereits vor dem kleinen Lokal und starrte angestrengt auf ihr Handy. Dann grinste sie plötzlich.
„Hey Mahzad", sprach Linda sie an. Diese drehte sich freudestrahlend zu den beiden um und nahm erst Linda und dann Chris in die Arme.
„Es ist schön, euch beiden zu sehen. Und ratet mal, wer noch kommt: Lukas! Er ist auf den Weg hierher. Und Franzi ist heute auch endlich wieder dabei! Ist das nicht wundervoll?!", rief sie und machte irgendeine komische Geste. Dabei fiel ihr Handy aus der Jackentasche zu Boden.
„Oh Mist", rief sie und bückte sich.
„Nichts passiert, alles gut", kam direkt hinterher und sie zeigte ihnen ihren heilen Bildschirm. Chris fühlte sich gleich wohl, so kannte er seine Freundin. Als er an den Unfall mit der Gemüselasagne dachte, musste auch er grinsen.
„Was ist los, Chris?", fragte Mahzad erstaunt.
„Gemüselasagne", sagte dieser nur und alle begannen zu lachen.
Tränen liefen den Dreien aus den Augen, als auch schon Lukas ankam. Er sah verschwitzt aus, und gestresst. Als er die drei lachen sah, drehte er sich verdutzt um, um den Grund zu finden. Er zog die Augenbraue hoch.
„Ähh, nichts, alles gut, Lukas. Mahzad ist nur...mal wieder Mahzad". Darauf nickte auch er verständnisvoll. Gemeinsam betraten sie das Lokal und setzten sich an ihren Stammplatz. Es roch gut, nach vielen verschiedenen Gewürzen und allen möglichen Spezialitäten. Hier fühlte er sich wohl. Erst in dem Moment begriff er, wie sehr ihm seine Freunde gefehlt hatten. Ein paar Minuten später tauchte auch Tim auf. Er kam gelassen auf den Tisch zu. Hinter ihm tauchte auch Phillips Visage auf und Christian wurde rot. Noch immer hatte dieser Mann eine besondere Wirkung auf ihn. Die beiden setzten sich und Chris rutschte unsicher auf seinem Platz hin und her. Erst Lindas Hand auf seinem Knie beruhigte ihn wieder ein wenig. Das Essen kam und es schmeckte großartig. Immer wieder sah er sich um und begegnete dem Blick von Phillip. Irgendwann fühlte er sich unwohl und beobachtet und so stand er auf und lief auf den Hinterhof. Dort standen ein paar kleine Tische, umrahmt von Lichterketten. Niemand war dort. Zitternd ließ er sich an einem der Tische nieder und legte den Kopf zwischen die Hände. Was hatte er sich nur gedacht...? Wie hatte er glauben können, dass er Phillip ohne Probleme begegnen würde? Was sollte er nun tun?

Die Entscheidung wurde ihm abgenommen. Ein Schatten tauchte neben ihm auf. Die Gestalt ließ sich gegenüber von ihm auf den Stuhl sinken. Zwischen seinen Fingern konnte er Phillip erkennen, der ihn ansah.
„Chris, können wir reden?", fragte er, seine Stimme klang traurig. Dieser nahm nun die Hände von seinem Gesicht, sodass Phillip seine verheulten Augen sehen konnte.
„Ich..ich liebe dich", flüsterte Chris seinem besten Freund entgegen. Waren sie überhaupt noch beste Freunde?
„Ich liebe dich auch. Und ich habe nie etwas anderes behauptet. Du hast mir nur nicht zugehört. An dem Abend kam ich zu dir, um dir etwas zu sagen. Etwas, das meine Welt nur Minuten zuvor auf den Kopf gestellt hatte.
Franzi sagte mir, dass sie schwanger sei. Und ich kam zu dir. Weißt du noch, was ich gesagt habe? Ich sagte: 'Ich liebe dich, doch ich brauche Zeit, um darüber nach zu denken, wie wir das hinbekommen können. Ich will mit Franzi dieses Kind bekommen, kein Kind verdient es ohne Vater aufzuwachsen. Doch ich will dich auch nicht verlieren. Ich brauche nur ein wenig Zeit'. Das waren meine Worte. Erinnerst du dich jetzt?"
Chris nickte. Phillip hatte Recht, er hatte wirklich nicht zugehört. Er hatte es nicht verstanden.
„Ihr seid also nicht wieder zusammen..?", fragte er seit einiger Zeit.
„Nein. Aber ich werde ihr von uns erzählen. Sie verdient die Wahrheit. Schließlich ist sie nun Teil von diesem Komplott". Plötzlich lachte Chris, es klang so witzig wie Phillip das Wort Komplott betonte.
„Ich will mit dir zusammen sein, Chris. Ich liebe dich".
Nur Minuten später lagen sich die beiden in den Armen.
„Ich werde mit ihr reden", flüsterte Phillip.

Inneres VerlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt