Sie hatten fast fünfzig Gäste auf ihrer Liste stehen. Chris sah auf den Zettel und begann, hektisch mit dem Stift zu wackeln.
„Was, wenn wir jemanden vergessen haben?"
„Haben wir nicht. Außerdem sind noch ein paar Tage, bis die Einladungen raus solle. Wer uns bis dahin nicht eingefallen ist, ist auch nicht Teil unseres „kleinen" Kreises".
Sie setzte das Wort „kleinen" mithilfe ihrer Finger in Anführungszeichen und lachte dann. Denn klein war der Kreis irgendwie nicht mehr. Dabei hatten sie nur Familie und Freunde eingeladen. Das passiert halt, wenn man nicht zwei, sondern drei große Familien einzuladen hat. Phillips, Franzis und seine. Das wären Eltern, Großeltern, Geschwister, deren Partner und Kinder. Da kamen schon so einige zusammen. Ihr Freundeskreis dagegen blieb wirklich eher klein. Es waren vielleicht zwölf, die sie aufgeschrieben hatten. Ihre Freundeskreise deckten sich größtenteils, was alles ein wenig vereinfachte.
„Wir schaffen das", sagte sie und sah ihn an.
„Irgendwie, ja". Sie hörten die Tür ins Schloss fallen und Phillip rief kurz darauf: „bin wieder da!". Franzi verschwand Richtung Wohnzimmer, Chris blieb müde sitzen. Es war gerade alles ein bisschen zu viel für ihn.„Sollen wir vielleicht heute Abend essen gehen?", fragte Phillip, als sie den Kleiderladen wieder verließen. Sie hatten beide einen Anzug gefunden, Chris in dunklem Grau und Phillip in blau. Franzis Augen hatten mehr als nur einmal Tränen aushalten müssen. Sie war aufgeregt im Laden auf und ab gelaufen, bis Linda sie beruhigt und in einem Sessel einquartiert hatte. Dort hatte sie gesessen, wild mit den Füßen gewippt und über ihren Bauch gestreichelt. Noch hatte sie die Möglichkeit, ihn unter einem weiten Oberteil zu verstecken, doch es war Mitte Juni und die Sonne stand senkrecht am Horizont. Man konnte ihr bei diesen Temperaturen einfach keine überflüssige Kleidung zumuten. Außerdem wussten die meisten Menschen schon Bescheid, also war es mittlerweile auch fast egal. Der Gesichtsausdruck der Ausstatterin war einfach Gold wert, ihr Blick war zwischen ihnen hin und her gewandert, Phillip und er, Hand in Hand und Linda und Franzi hinter ihnen, während sie ihren Bauch hielt. Sie erschien erst verwirrt, doch auf irgend eine Art und Weise war sie direkt sympathisch. Eine halbe Stunde drauf hatte Chris seinen ersten Anzug anprobiert, Phillip seinen bereits gefunden, Linda mit einem Glas Sekt vor Chris' Umkleide gestanden und Franzi eine halbe Flasche alkoholfreien Sekts getrunken. Und danach war sie ständig zur Toilette gerannt. Nun waren sie zu viert die Straße hinuntergelaufen und steuerten gemeinsam ein kleines Café an. Dort ließen sie sich auf die einladenden Stühle draußen fallen und sagen durch die Getränkekarten.
„Und?"
„Was und?", erwiderte Chris.
„Essen gehen?"
„Achso, jaaa. Mir egal".
„Ich würd gerne", brachte Franzi sich ein.
„Linda, kommst du mit?", Chris drehte sich zu ihr und sah sie erwartungsvoll an.
„Gerne. Wo möchtet ihr denn hin?"
Phillip ergriff sofort das Wort.
„Ich hab letztens beim Einkaufen so einen kleinen Burgerladen gefunden. Die Burger sehen richtig gut aus. Und die haben vegane Vatianten. Können wir da hin? Bitte!", er klang fast wie ein kleines Kind.
„Daher weht also der Wind", lachte Chris.
„Ich komm wohl mit".
„Ich auch".
„Perfekt. Danke Leute. Dann reservier ich gleich einen Tisch", sagte er eifrig und zog bereits sein Handy hervor.
„Mach mal keinen Stress. Das kannst du auch in einer Stunde noch machen".
„Ich KANN es aber auch jetzt machen", erwiderte Phillip, steckte aber gleichzeitig sek. Handy zurück.
„Aber ich mache es später".
„Was kann ich euch bringen?", ertönte eine ruhige Stimme neben ihnen. Ein junges Mädchen stand an ihrem Tisch, in der Hand Block und Stift.
Sie bestellten ihre Getränke und ein paar Stücke Kuchen und Gebäck. Lächelnd nahm sie die Bestellung auf und lief Richtung Gebäude zurück.
„Hey, Linda. Hättest du vielleicht in ein paar Wochen mal Zeit, um mit mir nach einem Kleid zu schauen? Du hast so einen guten Geschmack und alleine kann ich sowas echt nicht", fragte Franzi irgendwann.
„Ja, klar komme ich mit. Ich hab ja selbst auch noch keins. Sag mir einfach, wann du Zeit hast. Ach, gibt es farbliche Vorgaben?", fragte sie Chris und Phillip. Doch sie zogen nur die Achseln hoch.
„Ich habe keine Ahnung", grinste Phillip schief.
„Hauptsache, du fühlst dich darin wohl", fügte. Chris hinzu.
„Lange oder kurze Kleider?", fragte Linda dann.
„Hauptsache, du fühlst dich darin wohl", wiederholte ihr Sitznachbar.
„Ihr habt alle Möglichkeiten. Wäre nur ganz nett, wenn es kein langes, weißes Kleid ist. Nicht, dass ihr später verheiratet werdet", ergänzte Phillip.
„Stimmt, da hast du recht. Aber weiß steht mir sowieso nicht, also sollte das kein Problem sein". Sie richtete ihren Blick auf Franzi, die vor Lachen fast erstickte.
„Alles gut?", fragte Phillip schmunzelnd und sie nickte lachend.
