Den Abend verbrachten sie mit gemischter Stimmung in der großen Wohnung. Die Verlobung hatte alle begeistert, doch der Zwischenfall mit Chris' Vater machte ihnen zu schaffen. Vor allem seine Mutter kam mit der Situation gar nicht klar. Sie nahm ihren Sohn in den Arm, strahlte, nur um kurz darauf wieder in Tränen auszubrechen. Es war ein wirklich eigenartiger Tag. Mit seinen Geschwistern wollte er auch noch telefonieren und sie informieren, sie wussten weder von dem einen, noch von dem anderen Ereignis des Tages. Also distanzierte er sich ein wenig von der kleinen Gruppe, die im Wohnzimmer saß, und zog sich zurück in das Schlafzimmer. Seine nackten Füße quietschten laut über den Boden, als er lief, sein Handy fest in der Hand. Er wollte gar nicht weiter darüber nachdenken, eigentlich. Denn er war schuld an dem Herzinfarkt. Es ging alles viel zu schnell, mit ihm und Phillip. Sein Herz hatte die nächste Überraschung einfach nicht mehr ausgehalten. Er hätte warten sollen. Auf einen besseren Zeitpunkt. Er bereute es irgendwie, dass er den Antrag gemacht hatte. Nicht um des Antrags Willen, nein, das war das Beste was passieren konnte, sondern aufgrund der darauffolgenden Situation. Er wollte sich keinesfalls ausmalen, wie es wäre, wenn sein Vater nicht überlebt hätte. Alleine der bloße Gedanke daran machte ihn unsagbar wütend. Und traurig. Und überforderte ihn. Das war alles einfach zu viel, gerade. Dennoch zwang er sich, den Kopf hoch zu halten und nicht über das Schlimmste nachzudenken. Mit zitternden Finger wählte er die Nummer seiner Schwester.
„Hey, kleiner Bruder, was gibts?", meldete sich seine Schwester lachend am Handy.
„Hi, Schwesterherz. Ich dachte mir, ich meld mich mal bei dir", fing er an.
„Hast du kurz Zeit?"
„Für dich doch immer, Chris".
„Ja also...", er wusste nicht, wie er es ihr erzählen sollte.
„Was ist? Geht es euch gut?", sie klang leicht panisch.
„Es geht uns gut, alles gut. Mach dir bitte keine Sorgen..", wollte er einwerfen, doch sie unterbrach ihn.
„Chris? Was ist passiert?".
„Pa liegt im Krankenhaus. Er hatte einen Herzinfarkt. Aber es geht ihm gut", sprach er schnell, damit sie ihn nicht wieder unterbrach.
„Oh Gott. Ist das dein Ernst?", fragte sie leise.
„Ja, leider. Aber es geht ihm gut, er ist nur noch zur Beobachtung dort".
„Oh. Okay".
Eine Pause entstand.
„Wie geht es Ma?"
„Besser. Sie ist ziemlich fertig deswegen".
„Und Phillip? Wie geht es ihm? Und Franzi? Und dem Baby?", fragte sie nach einer Weile.
„Es geht ihnen gut, soweit".
„Das ist schön zu hören. Weißt du, wie lange Papa noch im Krankenhaus bleiben muss?"
„Nein, sie wollen noch ein paar Tests machen, deshalb habe ich keine Ahnung".
„Chris, kann ich vorbeikommen? Ich hab Mama und Papa ewig nicht sehen können und ich habe gerade Urlaub".
„Natürlich, du bist hier immer willkommen, das weißt du doch".
„Ich werde gleich ein Hotelzimmer buchen. Ich fahr morgen früh hier los, dann bin ich mit Glück morgen Abend bei euch".
„Soll ich Ma Bescheid sagen?"
„Nein, lass mich erstmal ankommen. Ihr habt genug Stress am Hals. Aber bitte melde dich, wenn es etwas Neues gibt".
„Ja natürlich, mach ich. Meld dich ruhig, wenn du da bist. Ich hab dich lieb".
„Ich dich auch, Kleiner. Danke, dass du dich gemeldet hast".
„Bis morgen".
„Bis morgen".Und damit legte er auf. Kurz darauf wählte er die Nummer seines ältesten Bruders und darauf die Nummern seiner anderen Brüder. Sie alle waren erst geschockt und dann in Aufregung. Er erzählte von dem Besuch im Krankenhaus und den Ergebnissen. Die Verlobung jedoch erwähnte er nicht. Es passte einfach nicht. Und niemand hatte gefragt, ob es einen Grund für den Herzinfarkt gab. Alle drei wollten ebenso wie seine Schwester vorbeikommen und versprachen, spätestens am nächsten Abend da zu sein. Sie würden alleine kommen, die Kinder mussten zur Schule und in den Kindergarten, der Alltag lief wie gewohnt einfach weiter. Und er freute sich auf sie. Darauf, sie alle wieder in die Arme schließen zu können. Darauf, dass sie für einen kurzen Moment alle beieinander sein würden. Und darauf, dass sie seine Familie kennenlernen würden. Franzi und Phillip. Und den Bauch. Bei dem Gedanken lächelte er. Auch wenn es nicht sein Kind war, er würde Vater werden. Und er würde heiraten. Es war ein unglaubliches Gefühl.
Hey, sorry dass die letzten beiden Kapitel etwas kürzer geworden sind, ich bin gerade ein bisschen im Stress. Was denkt ihr so bisher?
Ich hab außerdem ein neues Werk auf meinem Account veröffentlicht, vielleicht habt ihr ja Lust mal rein zu sehen. Es heißt „Nur noch eine Wolke am Horizont".
Lg