„Chris? Was ist los?", fragte Phillip, der den Kopf zur Tür herein gesteckt hatte. Besorgt trat er ein und verschloss die Tür hinter sich.
„Es ist gerade alles so viel", flüsterte er. Der nächste Tag war bereits fast rum. Seine Schwester war bereits am Hotel angekommen, gleich würde Chris sie abholen und zum Krankenhaus fahren. Einer seiner Brüder war ebenfalls schon dort, seit etwa einer Stunde. Bis gerade hatten sie telefoniert. Die anderen waren noch auf dem Weg, doch es sollte nicht mehr all zu lange dauern.
„Komm her", meinte sein Freund und zog ihn an sich.
„Er wird wieder".
„Das weißt du nicht".
So blieben sie sitzen und hörten einfach nur der Stille zu. Den Vögeln, die draußen herumflogen, den Stimmen und dem sanften Wind in den Baumkronen.
„Ich muss los. Sie warten bestimmt", sagte er nach einer Weile. Kutcher nickte.
„Grüß sie von mir".
„Kannst du doch selbst gleich machen", erwiderte Chris und lächelte leicht.
„Sie kommen heute Abend vorbei", fügte er hinzu.
„Franzi will unbedingt kochen und sie möchten euch kennenlernen".
„Ach, so ist das", grinste Kutcher.
„Jup".
Damit verschwand er leise aus dem Zimmer.
Im Wohnzimmer traf er auf Franzi.
„Hey. Danke, wegen heute Abend. Dass du alles vorbereitest und so".
„Kein Problem", sie lächelte. Die rechte Hand lag stolz auf ihrem Bauch, heute war der erste Tag des sechsten Monats und der Bauch war mittlerweile deutlich zu sehen.
„Du sieht wundervoll aus", fügte er hinzu, was sie zum Schmunzeln brachte.
„Du leider gar nicht", sagte sie und deutete auf seine tiefen Augenringe.
„Immerhin bist du ehrlich", dann lachte er, nahm sie in den Arm und verschwand leise aus der Wohnung.Sie liefen zu viert den Gang hinunter Richtung Zimmer ihres Vaters. Auf der Fahrt waren sie schweigsam gewesen, die Situation war für alle nicht so einfach zu verkraften. Chris klopfte und öffnete leise die Tür.
„Ma? Pa?", fragte er und erschrak.
„Ma, was ist los?", seine Schwester stürmte an ihm vorbei auf das Bett zu. Dort saß seine Mutter, sie weinte. Und ihr Vater? Er sah teilnahmslos im Raum hin und her, er schien sie nicht zu bemerken.
„Was ist?", die Stimmen wurden aufgeregter, ihre Mutter sah langsam auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Er...er...", schluchzte sie, weiter kam sie nicht. Wieder brach sie in Tränen aus und keiner wusste so recht, was zu tun war. Sein ältester Bruder wedelte mit der Hand vor dem Gesicht des Patienten, keine Reaktion.
„Sollen wir jemanden holen?", flüsterte eine Stimme neben ihm. Noch immer stand er stocksteif im Raum und bewegte sich nicht.
„Ist es das, was ich denke?", flüsterte er leise, niemand hörte ihm zu. Sein ältester Bruder war drauf und dran, aus dem Raum zu stürmen während seine Schwester mit allen Mitteln versuchte, die Tränen zu stoppen.
„Ist es das, was ich denke?", fragte er wieder, diesmal etwas lauter. Und endlich sah sein Vater ihn an. Sein Blick bohrte sich in seine Seele und hinterließ einen Riss. Er hatte es geahnt. Irgendwie hatte er es gewusst, schon als die Ärztin ihn damals aufgeklärt hatte. Es war so ein Gefühl gewesen und es wurde immer stärker. Woher es kam, wusste er nicht. Aber es war da. Dieses Gefühl, das sich nicht abschütteln ließ.
„Ist es so?", fragte er leise.
„Es ist so, nicht wahr?", sprach er noch lauter, um endlich eine Antwort zu bekommen.
„Chris, was meinst du?", wurde er von allein Seiten unterbrochen, er spürte die Blicke auf sich.
Sie wussten es nicht, sie haben es nie gewusst. Nur er hatte davon gewusst.
„Chris, rede mit uns!", flüsterte seine Schwester panisch.
„Christian!"
„Sag es ihnen, Pa, sonst mache ich es!", damit hatte er den wunden Punkt seines Vaters getroffen.
„Chris? Warum weißt du....?", versuchte seine Mutter sie zu unterbrechen.
Sein Vater meldete sich noch immer nicht zu Wort, er starrte ihn nur an.
„Wie lange?", fragte er schlussendlich.
„Maximal 3 Monate", antwortete seine Mutter langsam.
„Ich wusste es!", meinte Chris nur und warf die Hände in die Luft.
„Das kommt davon, wenn...", wollte er schon sagen, doch er wurde unterbrochen.
„Chris? Was weißt du?", sein Bruder war panisch.
Und endlich ergriff auch sein Vater das Wort und unterbrach die kurze Stille.
„Ich habe Lungenkrebs. Im Endstadium. Keine Chance auf Heilung".
