Es war Montag. Eigentlich war für heute Abend ein Stream geplant, jedoch hatte er sich kurzfristig um entschieden. Linda hatte ihn eingeladen, in einer kleinen Gruppe aus zu gehen. Er hatte verneint, aber kurz darauf schrieb er ihr eine kurze Nachricht.
Steht die Einladung für heute vielleicht noch?
Er legte sein Handy auf den kleinen Beistelltisch an seinem Spiegel und drehte sich zum Kleiderschrank. Er sah auf seine Shirts und zog dann einen flauschigen Hoodie heraus. Genau das, was er gerade wollte. Perfekt. Er fühlte den weichen Stoff in den Händen und streifte den Pullover über. Neben ihm brummte es und er sah auf den Bildschirm.
Klar
hatte sie geschrieben, mit einem Zwinkersmiley. Kurz danach kam noch eine Nachricht, die besagte, dass sie ihn gegen sieben abholen würde. Ihm wurde warm, als er an seine beste Freundin dachte. Der Kontakt mit den anderen würde ihm bestimmt guttun, kam ihm in den Sinn. Er sah auf die Uhr und erschrak. So spät war es schon?! Schnell wechselte er auch seine bequeme Jogginghose mit einer Jeans und griff in seine noch feuchten Haare. Er war duschen gewesen, versuchte dieses lästige Gefühl abzuwaschen, dass er seit ein paar Tagen überall fühlte. Sein Rucksack stand in der Ecke an seiner Tür und er griff nach seinen Schlüsseln und dem Portemonnaie und pfefferte dies mit Wucht in den geöffneten Rucksack. Etwas klirrte und er bekam einen Schock. Er hatte doch nicht etwa..? Doch. Er hatte es vergessen. Wie dumm konnte man nur sein?! Lindas Geburtstag stand an und er hatte sich dazu entschlossen, ihr Schmuck und eine Bildercollage von ihrer Freundesgruppe zu schenken. Er sah das Glas zersplittert in seinem Rucksack. Tränen traten in seine Augen. Normalerweise würde ihn sowas nicht so reagieren lassen, aber heute gingen seine Emotionen mit ihm durch. Seine Wangen wurden feucht und er kramte in einem Schrank nach einer neuen Tasche. Den Rucksack ließ er unberührt dort stehen, er wollte sich jetzt nicht damit aufhalten. Es klingelte und Linda stand vor der Tür. Schnell griff er noch nach seinen Schlüsseln und dem Portemonnaie und verletzte sich in der Eile an ein paar Glassplittern. Er fluchte und versuchte, seiner besten Freundin die Tür zu öffnen, während das Blut sich seinen Weg an seiner Hand hinab bahnte. Heute war wirklich kein guter Tag. Sie trat ein und er drehte ihr schnell den Rücken zu. Sie musste ihn ja nicht weinen sehen. Er hielt die leicht schmerzende Hand unter Wasser und die rote Flüssigkeit mischte sich mit Wasser und verbreitete sich in dem Waschbecken, fand seinen Weg hinab in den Abfluss. Ein Strudel entstand, als würden Blut und Wasser miteinander tanzen. Immer schneller und schneller. Das Blut wurde immer weniger und er schlug sein tropfenden Handgelenk in ein Tuch. Ein langer Schnitt zog sich über die Haut, stellte er fest. Es war nicht besonders tief, doch die Wunde war voll von Splittern. Wieder fluchte er und vergas Linda, die im Flur vor dem Spiegel stand und auf ihn wartete. Scheinbar hatte sie sich seine Bilder angesehen, die er den letzten Sommer über gezeichnet hatte. Sie lief hastig in die Küche und warf einen Blick auf ihn. Sie sah sein Handgelenk und wurde kalkweiß.
"Oh mein Gott", flüsterte sie und machte einen Schritt nach hinten.
"Um Gottes Willen", flüsterte sie noch einmal. Dann griff sie in einen der Schränke und zog eine Kiste hervor. Darin stapelte sich haufenweise Verbandsmaterialien. Sie griff in ihre Jackentasche und zog ein Set heraus, aus dem sie eine Pinzette befreite. Linda griff nach dem Tuch und zog ein Schälchen hinzu. Sie sagte nichts und er sah sie erstaunt an, als sie sich daran machte, seine Hand von den weißen Splittern zu befreien. Es ziepte und zog und ab und zu zuckte er zusammen, als sie besonders große Glasteile aus seiner Hand zog. Wieso konnte sie das so gut? Noch immer war sie blass und schien sich gar nicht zu erholen. Noch immer stand ihr der Schock ins Gesicht geschrieben. Die Wunde sah wirklich fies aus.
"Wie ist das passiert?", fragte sie leise, als sie das Glas entsorgte und seine Wunde ein letztes Mal reinigte. Er sah ihr das erste Mal an diesem Tag ins Gesicht.
"Mir ist ein Bilderrahmen kaputt gegangen. Halb so schlimm", er zuckte mit den Schultern.
"Hab nicht aufgepasst und hinein gefasst. Passiert". Sie nickte, wie zur Bestätigung. Gemeinsam standen sie in seiner Küche, der Geruch von Eisen lag in der Luft. Sie wickelte eine weiße Mullbinde um seine Hand und langsam kehrte die Farbe in ihre sonst so rosigen Wangen zurück.
Sie nahm ihn in den Arm und nickte dann zur Tür. "Lass uns gehen, die anderen warten", sagte sie.Sie hatte ein kleines Restaurant ausgewählt und von außen schien es sehr einladend zu sein. Es war nicht besonders voll und eine entspannte Atmosphäre lag in der Luft. Chris betrat den Laden hinter Linda und erblickte am Ende des Raumes seine Freunde. Als er wahrnahm, wer ihn dort alles erwartete, wurde ihm flau im Magen. In der Nische saßen Franzi und Phillip, außerdem war Mahzad anwesend und auch Timit streckte den Kopf. An sich war es eine kleine Runde mit seinen engsten Freunden. Und doch stellte diese Treffen Vlesk auf eine Probe. Denn auch wenn er versuchte, sich an einem der Gespräche am Tisch zu beteiligen, seine Aufmerksamkeit lag ständig woanders. Sein Blick wanderte immer wieder unruhig zu einem bestimmten Punkt und er versuchte es krampfhaft zu vermeiden. Linda warf ihm von der Seite einen komischen Blick zu. Er wusste, dass er sich komisch benahm. Und sie hatte das mit Sicherheit nicht als einzige mitbekommen. Sein bester Freund Phillip zog das Gespräch auf sich und endlich konnte Christian ihn ansehen, ohne aufzufallen. Er musterte seinen Freund, das markante Kind, das Lachen und die wunderschönen Augen. Er wusste selbst, das hätte nie passieren dürfen. Man verliebte sich einfach nicht in seine besten Freund!