#Kapitel 3

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Die freundlich wirkende, ältere Dame an der Rezeption wank mich zu sich und zögerlich ging ich zu ihr. „Ach Schätzchen, hab keine Angst. Dr. Nolan ist wirklich sehr freundlich. Wie heißt du denn?“, fragte sie mich und ich nannte ihr meinen Namen. „Ah, da haben wir dich. Du kannst direkt dort in den Raum gehen, Dr. Nolan kommt gleich“, erklärte sie mir und ich ging in den Raum, auf den sie zeigte. Es war wirklich gemütlich eingerichtet. Irgendwie hatte ich einen ziemlich sterilen Raum erwartet, aber es war echt schön. Einige Pflanzen standen im Raum und es gab bunte Vorhänge. Schritte erklangen hinter mir und ich drehte mich erschrocken um. Eine freundliche Frau betrat den Raum und ich sah sie unsicher an. „Miss Skye, es freut mich sie endlich kennenzulernen, setzen sie sich doch“, bot sie mir an und zögerlich setzte ich mich in einen der beiden bequemen Ledersessel. Sie setzte sich in den anderen Sessel und ich knetet nervös meine Finger. „Also, dann stelle ich mich mal vor. Mein Name ist Dr. Felicita Nolan und ich werde ihnen Stück für Stück helfen mit dem Geschehenen klarzukommen“, stellte sie sich vor und ich nickte nur. „Miss Skye, ich wurde schon informiert, dass sie sehr zwiegespalten sind, was die Therapie angeht, aber das ganze kann nur funktionieren, wenn sie sich auch darauf einlassen“, erklärte sie mir und ich schluckte. „Nennen sie mich bitte Sophie…“, bat ich sie leise, ich wollte nicht mit meinem Nachnamen angesprochen werden, das fühlte sich irgendwie so unpersönlich an. „In Ordnung, Sophie“, sagte sie und ich nickte dankbar.

Plötzlich spürte ich, wie mir übel wurde und ich presste mir eine Hand auf den Mund während ich die andere auf meinen Bauch legte. Ich schloss die Augen und versuchte ruhig zu atmen. Bald klang die Übelkeit wieder ab und ich öffnete die Augen wieder. „Ist alles in Ordnung, Sophie?“, fragte Dr. Nolan mich besorgt. „Ich wäre nicht hier…wenn es so wäre…“, murmelte ich und sie nickte verstehend. Ich wusste, dass es unfreundlich rüberkam, aber es doch die Wahrheit. Wäre alles okay, dann wäre ich nicht hier, dann würde Levi noch leben und die letzten Wochen wären nicht passiert. „Was war das eben?“, fragte sie mich. „Mir war nur schlecht, liegt an dem Stress und daran, dass ich heute morgen gefrühstückt habe, was ich aber nicht mehr gewohnt bin“, erklärte ich ihr zögerlich. „Wie lange ist es her, dass du das letzte mal wirklich etwas gegessen und es bei dir behalten hast?“, fragte sie mich und ich senkte beschämt den Blick. „So seit 2 Wochen ungefähr“, gestand ich ihr und sie notierte sich das. Bevor sie etwas dazu sagen konnte fiel ich ihr ins Wort. „Ich weiß, dass das nicht okay ist und ich versuche daran zu arbeiten.“ „Dann hoffe ich, dass du das in den Griff kriegst. Wie sieht es mit sonstigen Problemen aus? Du siehst sehr erschöpft aus.“ „Ich kann seit zwei Wochen nicht mehr schlafen…maximal eine halbe Stunde bis Stunde und auch nicht wirklich erholsam…“ „Hast du schon irgendwas probiert, was dir helfen könnte?“ „Ja, aber nichts davon hilft. Die Müdigkeit ist da, aber wenn ich dann schlafe habe ich furchtbare Albträume.“ Nachdenklich notierte Dr. Nolan sich etwas und ich schaute betreten auf meine Hände. „Fürs Erste kann ich dir ein Schlafmittel verschreiben, aber ich hoffe, dass du es mit der Zeit nicht mehr brauchen wirst“, erklärte sie mir und ich nickte.

„Ich weiß grob, was dir passiert ist, aber genaues wurde mir nicht erzählt, deshalb wäre es schön, wenn du mir noch mal erzählen würden, was passiert ist. Also nicht ganz ausführlich, aber so grob, damit ich mich darauf vorbereiten kann, wie ich dir am besten helfen kann“, bat sie mich. „Ich wurde früher in der Schule gemobbt…mein damals einziger Freund bekam das irgendwie mit, aber ich wusste das nicht. Einige Monate später, im Sommer, waren wir zusammen im Urlaub…in Dänemark…November fingen dann diese Morde an…da ich schon öfter bei schwierigeren Fällen geholfen hatte, wurde ich um Mithilfe gebeten. Mir fiel auf, dass ich alle Opfer kannte…und jedes neue auch…es waren die, die mich früher gemobbt hatten…eines Nachts erfuhr ich dann, dass Levi Villin, also mein bester Freund der Mörder war. Er sperrte mich ein, täuschte meinen Tod vor und tat so, als wäre er zu traurig um weiter in London zu leben. Keiner bekam mit, dass er mich im Kofferraum nach Dänemark schmuggelte. Er brachte mich in das Ferienhaus, in dem wir im Sommer waren. Er brach meine Psyche und machte mich von sich abhängig. Zu Weihnachten schenkte er mir ein kleines Kätzchen, allerdings wurde er wenige Tage später eifersüchtig, auf das kleine…an Silvester offenbarte er mir…dass er vorhatte mit mir eine Familie zu gründen…und vergewaltigte mich. Am nächsten Tag verriet er mir, dass er vorhatte mich zu heiraten, was er am Tag darauf auch tat. Abends habe ich es dann geschafft meine Wertsachen zu finden und bin mit dem Fahrrad und dem Kätzchen abgehauen. Es dauerte, bis ich gefunden wurde und ins Krankenhaus gebracht wurde. Dort fiel ich für knapp 3 Wochen ins Koma. Nach dem aufwachen erinnerte ich mich an nichts, aber das änderte sich nach wenigen Tagen. Kurz nach der Rückkehr nach London erfuhr ich, dass Levi einen schweren Autounfall hatte und seitdem habe ich diese Schlaf- und Essprobleme“, fasste ich kurz zusammen. Dr. Nolan hatte sich alles notiert und sah mich mitleidig an.

„Du empfindest noch etwas für ihn, obwohl er dir  das alles angetan hat“, stellte sie fest und ich nickte beschämt. „Ich bin so verwirrt…natürlich weiß ich, dass das, was er getan hat falsch ist, aber ich kann ihn einfach nicht ganz hassen…“, wisperte ich und fuhr mir mit dem Ärmel übers Gesicht. „Ein Teil von mir liebt ihn…aber ich will ihn nicht lieben…das ist doch krank…“ Mein Stimme war sehr leise und zitterte. „Ich befürchte, dass du das Stockholm-Syndrom hast, aber das kriegen wir schon hin“, meinte sie und ich nickte nur. „Also, für heute war es das dann. Den nächsten Termin haben wir übermorgen um die gleiche Zeit. Vorne an der Rezeption bekommst du das Rezept für das Schlafmittel“, erklärte sie mir und ich stand auf. Leise verabschiedete ich mich und verließ den Raum. Von der netten, älteren Dame erhielt ich ein Rezept und verabschiedete mich auch von ihr. Adrian stand noch nicht draußen und so lehnte ich mich an die Hauswand. Relativ bald kam er dann aber und ich stieg ein. „Wir müssen noch kurz zur Apotheke, ich hab ein Rezept für ein Schlafmittel bekommen“, erklärte ich ihm und er nickte. „Und, war es so schlimm?“, fragte er mich. „Naja…mal sehen wie es noch wird, aber eigentlich wirkt Dr. Nolan echt nett“, antwortete ich ihm. „Das ist gut, denn wenn du dich bei einer Therapeutin nicht wohlfühlst, dann wird es auch keine gute Therapie“, meinte er und parkte vor der Apotheke. Ich stieg aus und ging rein. Glücklicherweise hatten sie das Mittel vorrätig und ich ging wieder zu Adrian ins Auto. „Hoffentlich hilft es…“, murmelte ich und er fuhr los. „Ja, hoffen wir es. Du brauchst den Schlaf“, meinte er und ich lehnte meinen Kopf an die Scheibe.

Bei Adrian angekommen kam Asha aufgeregt angerannt. Sie strich schnurrend um meine Beine und ich hob sie hoch. Ich kraulte sie hinter den Ohren und sie schnurrte. „Na, hast du mich vermisst?“, fragte ich sie und sie miaute. „Mein nächster Termin ist übermorgen um die gleiche Zeit“, teilte ich Adrian noch mit und folgte ihm in die Küche. „Ich hab Spaghetti vorbereitet, hast du Hunger?“, fragte er mich und deckte den Tisch. „Nein, leider nicht wirklich“, gestand ich ihm und er seufzte. „Ich arbeite dran, immerhin hab ich die Brote von heute morgen bei mir behalten“, erklärte ich schnell und er lächelte. „Immerhin. Du machst Fortschritte“, meinte er und ich setzte mich zu ihm. Asha rollte sich auf meinem Schoß zusammen und miaute protestierend, wenn ich aufhörte sie zu streicheln. Nachdem er fertig gegessen hatte setzten wir uns aufs Sofa und redeten einfach miteinander.

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