#Kapitel 40

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Sophie POV (ein Tag vor der Verhandlung)
Mal wieder im Krankenhaus wachte ich auf. Sofort wusste ich, was passiert war und Angst durchfuhr mich. Ich hatte Levis Vater getötet. Was würde jetzt mit mir passieren? Asha miaute und ich setzte mich langsam auf. „Sophie, du bist aufgewacht“, bemerkte Inspektor Carter, welcher am Fenster stand. Fragend sah ich ihn. Ich versuchte zu reden, aber es gelang mir nicht, ich schaffte es nicht, einen Ton rauszubringen. Asha miaute wieder und ich sah sie hilflos an. „Sophie, was hast du? Kannst du nicht reden?“, fragte Inspektor Carter mich. Ich schüttelte den Kopf und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. „Hey, mach dir keine Gedanken. Das wird wieder, du brauchst einfach nur ein wenig Zeit, bis du dich erholt hast“, meinte er und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Denkst du, du kannst schreiben, was du sagen willst?“, fragte er mich und ich zuckte mit den Schultern. Ich wusste es nicht, aber ich würde es versuchen, wenn sie es wollten. Nickend holte er einen Block und einen Stift aus seiner Jackentasche, die er mir dann gab. Es war seltsam, aber irgendwas blockierte, dass ich anderen mitteilte, was ich wollte. Ganze Sätze schreiben ging nicht, aber ich schaffte es das Wort Gefunden? zu schreiben. „Du willst wissen, wie wir dich gefunden haben?“, hakte er nach und ich nickte.

„Das war Asha. Ohne sie hätten wir dich nie gefunden. Anfangs sind wir dir nicht gefolgt, weil wir die Zeit geben wollten, aber dann habe ich einen Anruf bekommen, dass Benedikt Villin ausgebrochen ist. Das hat uns in höchste Alarmbereitschaft versetzt und wir sind los, um dich zu suchen, aber wir hatten keinen Anhaltspunkt, wo du sein könntest, deshalb sind wir einfach durch London gelaufen, in der Hoffnung dich zu finden, aber ohne Erfolg. Dann haben wir deine Krücken gefunden und wussten, dass dir etwas passiert sein musste. Daraufhin ist Asha losgerannt, ohne Ziel und wir sind ihr gefolgt. Wir haben sie dann an Levi Villins Haus gefunden und dich ebenso“, erklärte er mir und ich sah Asha an. Sie war so klug. Ich kraulte sie und sie begann sofort zu schnurren. „Sophie, erinnerst du dich an das, was passiert ist?“, fragte Inspektor Carter mich und ich nickte. „Du brauchst nicht zu fürchten, dass du nun wegen Mord angeklagt wirst. Es war Notwehr, das sieht jeder so“, sagte er und überrascht sah ich ihn an. Ich hatte Benedikt Villin umgebracht, dabei hätte ich ihn nur verletzen und dann Hilfe rufen können. „Du zweifelst daran, oder?“, wollte er wissen und ich nickte. Er fuhr sich seufzend durch die Haare. „Das hatte ich schon befürchtet, aber es ist so. Du hast nichts zu befürchten. Du hast nur dich und dein Kind beschützt. Und wer weiß, wie viele Menschen er noch gefoltert und umgebracht hätte, wenn du nicht gewesen wärst? Ich will keinen Mord rechtfertigen, ich will dir nur klar machen, dass es bei dir Notwehr war“, erklärte er, aber ich war noch immer unsicher.

Die Türe wurde geöffnet und Adrian trat ein. Er sah erschöpft aus, aber er freute sich auch, dass ich wach war. „Ich bin bei Levi gewesen“, sagte er plötzlich und erstaunt sah ich ihn an. „Ich habe ihm erklärt, wieso die Verhandlung verschoben wurde und was passiert ist“, erklärte er. Ich presste eine Hand auf meinen Mund. Bestimmt hasste Levi mich jetzt, ich hatte schließlich seinen Vater getötet. „Nicht, Sophie. Er hasst dich nicht, er macht sich vielmehr Sorgen um dich“, sagte Adrian hastig, aber ich glaubte ich ihm nicht. Wieso sollte Levi mich nicht hassen? Ich hatte seinen Vater getötet, ich verdiente es nicht, dass er sich Sorgen um mich machte. „Sie glaubt uns nicht, Adrian. Sie hat mir auch nicht geglaubt, dass keine Konsequenzen auf sie warten“, meinte Inspektor Carter und Adrian sah mich traurig an. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, kam Dr. Lewis rein, der gleiche Arzt, der mich auch schon letztes Mal behandelt hatte. Er erklärte mir, dass ich unterkühlt gewesen bin, als ich eintraf, einige Hämatome habe, eine leichte Gehirnerschütterung, also sollte ich schnelle Bewegungen erstmal vermeiden, dass sie meinen Gips neugemacht hatten, da mein alter aufgeweicht war. Außerdem sollte ich in Zukunft Stress und Unruhe vermeiden, weil es dem Baby schaden könnte. Naja, ich machte diesen ganzen Mist nicht freiwillig mit, aber das sagte ich nicht, erstens weil es nicht höflich wäre und zweitens, weil es nicht ging. Irgendwas blockierte, aber da konnte Dr. Lewis nicht helfen.

Dr. Nolan, die nach einiger Zeit auch noch dazukam, wusste auch nicht so ganz, wieso es so war, aber sie vermutete, weil ich einfach zu belastet war. Abends wurden sie heimgeschickt, aber sie ließen mir einen Stift und einen Block da, damit ich alles aufschreiben konnte, was ich wollte und was ging. Asha lag auf meinem Bauch, wie immer in letzter Zeit, aber sie schlief noch nicht. Nachdenklich sah ich den Block an. Vorhin war es mir schwergefallen, auch nur ein Wort zu schreiben, aber ich war mir sicher, dass ich nicht mit Levi reden konnte, aber ich wollte ihm irgendwie mitteilen, was in mir vorging, sofern es ihn überhaupt interessierte. Entschlossen schlug ich den Block auf und fing an zu schreiben.

Am nächsten Tag wehrte ich mir gar nicht gegen den Rollstuhl, denn ich wusste, dass ich nicht die Kraft hatte um selbst zu laufen. Ich war die ganze Nacht wachgelegen und konnte einfach nicht einschlafen. Den Brief für Levi hatte ich in einen Umschlag gesteckt, denn ich von Adrian bekommen hatte und in meine Tasche gepackt. Keiner war damit einverstanden, dass die Verhandlung heute weiterging, aber eigentlich war es mir egal. Ich wollte einfach, dass das alles vorbei war, ich wollte nur meine Ruhe. Dr. Nolan schob mich im Rollstuhl in den Gerichtssaal, der bis auf ein paar Beamte leer war. Sie saß neben mir, damit sie jederzeit unterbrechen konnte, falls ich einen Zusammenbruch kriegen sollte. Asha lag entspannt auf meinem Schoß und ich war wirklich sehr froh, dass sie diesmal dabei sein durfte. Erst als Dr. Nolan mich darauf aufmerksam machte, dass Levi nun auch anwesend war, sah ich auf.

Er sah nicht gut aus. Scheinbar hatte er auch nicht gut oder gar nicht geschlafen. Dr. Nolan hielt mich nicht auf, als ich mit dem Rollstuhl zu ihm rollte. Ich nahm seine Hände in meine und sah ihn traurig an. Wieso sah er mich so leidend an? Litt er, weil sein Vater tot war und mich nun an ansehen musste? Die Mörderin seines Vaters? „Es tut mir so leid, Sophie. Ich wollte dir nicht so sehr schaden, ich wollte dir helfen. Ich wollte, dass du von ihnen loskommst“, wisperte er und ich nickte traurig. Es war nicht so, dass ich nicht verstand, wieso er es getan hatte, aber ich konnte einfach nicht damit umgehen, dass er wegen mir getötet hatte. „Wieso sagst du nichts?“, fragte er mich und ich senkte den Blick. Asha miaute leise und sprang auf den Tisch, der zwischen uns stand. Scheinbar akzeptierte Asha Levi nun auch, sie spürte scheinbar seine Reue. Ich sah wieder auf und sah Levi entschuldigend an. „Sophie, bitte verzeih mir. Ich habe dir das alles angetan. Ich bin schuld, dass es dir nun so schlecht geht“, wisperte er und ich schüttelte den Kopf.

„Ich verstehe dich nicht, Sophie. Was willst du mir sagen?“, fragte er mich und ich schluckte. Ich zog den Brief aus meiner Tasche und legte ihn Levi hin. Dann beugte ich mich vor, küsste ihn kurz und rollte dann mit meinem Rollstuhl zurück an meinen Platz. Asha folgte mir und kletterte wieder auf meinen Schoß. Dr. Nolan sprach mich nicht darauf an und ich war ihr dankbar dafür. Der Richter betrat den Saal und ich krallte mich in den Stoff meiner Hose. Es wurde kurz über den Vorfall von vor wenigen Tagen geredet, also als Benedikt Villin ausgebrochen ist und auch hier wurde wieder gesagt, dass es Notwehr war und ich deshalb keine Konsequenzen zu befürchten hätte. Zu meiner Verwunderung sah Levi erleichtert aus. Wieso war er erleichtert? Ich verstand es einfach nicht. Dann wurde das Urteil über Levi ausgesprochen.

„Der hier anwesende Levi Villin wird nicht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, aber er wird in eine spezielle psychiatrische Einrichtung kommen und dort bleiben, bis ihm bescheinigt wird, dass er seine Tat nicht wiederholen wird. Sobald dies der Fall ist, wird er 2 Jahre Bewährung kriegen“, erklärte der Richter und ich war erleichtert. Levi bekam keine Haftstrafe. Wie Levi darüber dachte, konnte ich nicht sagen, denn er zeigte keine Reaktion darauf. Er wurde abgeführt und schaute nicht noch ein einziges Mal zu mir, aber ich sah, dass er den Brief in der Hand hatte. Traurig sah ich ihm nach. Dr. Nolan fuhr mich in dem Rollstuhl nach draußen und half mir dann ins Auto. Inspektor Carter fuhr nach Hause. Keiner sagte etwas, aber ich hätte sowieso nicht mitreden können. Im Haus angekommen kämpfte ich mich ganz alleine die Treppe nach oben in mein Zimmer hoch und ließ mich dann auf mein Bett fallen. Meine rechte Hand lag instinktiv auf meinem Bauch. Ich dachte über vorhin nach. Wieso hatte Levi mich nicht nochmal angeschaut? War er froh, mich jetzt los zu sein?

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