#Kapitel 35

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Levi POV
Nachdenklich lag ich auf dem kleinen Bett in meiner Zelle und starrte an die Decke. Irgendwie bezweifelte ich, dass Sophie kommen würde, aber ich hoffte es. Ich hatte wirklich nicht gewusst, dass mein Vater so versessen auf ihre Mutter gewesen ist und sie schließlich umgebracht hat. Sollte er Sophie auch nur zu Nahe kommen würde ich ihn umbringen, denn er würde ihr noch viel schlimmeres antun als ich. Eine Zeitlang wollte ich sie tatsächlich lieber tot sehen, als in den Armen eines anderen, aber jetzt war sie schwanger und ich würde kein wehrloses Kind töten. Außerdem hatte Sophie noch Gefühle für mich. Sie versuchte es zu verdrängen, aber sie konnte es nicht verstecken, nicht vor mir. Es hatte mir eine gewaltige Genugtuung verschafft, meinem Vater die Nase zu brechen. Vorhin war ein Wärter bei mir und hat mir verraten, dass ich meinem Vater tatsächlich die Nase gebrochen habe. Irgendwas musste ich ja tun, schließlich hat es keinen interessiert, wie er Sophie angeschaut hat, aber sie hat sich ziemlich unwohl unter seinen Blicken gefühlt, das habe ich gesehen.

Plötzlich hörte ich wie die Türe aufgeschlossen wurde. Genervt setzte ich mich auf. „Herr Villin, es ist Besuch für sie da. Seien sie anständig“, teilte mir ein Beamter mit und legte mir Handschellen an. Aufmerksam folgte ich ihm. War es Sophie oder nicht? Aber wer sollte es sonst sein? „Die Handschellen werden dranbleiben, aber sie werden mit ihrem Besuch alleine sein. Seien sie sich jedoch bewusst, dass wir sie durch einen Nebenraum beobachten und falls nötig eingreifen werden“, erklärte der Beamte mir und öffnete eine Türe. Er brachte mich nach drinnen und ich erstarrte, als ich erkannte, wer an dem Tisch saß. Es war wirklich Sophie, aber sie sah mich nicht an, sondern starrte vor sich auf den Tisch. Der Beamte verließ den Raum, nachdem er mich nochmal streng angesehen hatte und schloss die Türe. Das Knallen ließ Sophie aufschrecken und sie sah mich an.

„Levi…“ Ihre Stimme war sehr leise, klang fast schon gebrochen. Langsam setzte ich mich ihr gegenüber hin und musterte sie. „Du siehst nicht gut aus, kleines“, meinte ich und sie zuckte etwas zusammen. „Es weiß keiner das ich hier bin…“, wisperte sie und ich sah sie erstaunt an. „Sie haben versucht es mir auszureden…aber es kann doch eigentlich gar nicht schlimmer werden…“, murmelte sie und Tränen schimmerte in ihren Augen. „Oh es tut mir so leid Levi…ich hab das so nicht gewollt…ich…ich weiß auch nicht…“ Sophie klang wirklich verzweifelt und sah mich mit Tränen in den Augen an. „Sophie, beruhig dich. Es wird alles gut.“ Sie unterbrach mich indem sie heftig den Kopf schüttelte. „Du bist wütend…und willst mir wehtun…ich weiß es doch…“ „Sophie! Sieh mich an und beruhig dich!“ Zitternd tat sie es. Sie war völlig aufgelöst. Verdammt. So hatte das nicht ablaufen sollen. Ich hatte sie doch nur sehen und mit ihr reden wollen. „Ich bin so kaputt…“, schluchzte sie und vergrub ihre Hände in den Haaren. „Sophie, du bist nur wegen mir kaputt…aber du wirst das schaffen. Du bist stark.“ „Nein! Ich war schon vor dir kaputt! Aber ich habe es versteckt, das ist schwach! Ich bin schwach und nicht stark!“ „Sophie, komm her, es ist ja alles okay.“

Zögerlich kam sie zu mir und setzte sich auf meinen Schoß. Mir war klar, dass die Beamten mich leicht dafür bestrafen konnten, aber noch griff niemand ein. „Ich kann das nicht ohne dich, Levi…“, wisperte sie erschöpft und ich schluckte. Sie klang wirklich sehr zerbrochen. „Es passiert so viel in letzter Zeit…ich weiß nicht, wie viel ich noch aushalte…gestern habe ich erfahren, dass dein Vater meine Mutter getötet hat, weil sie ihn nicht geliebt hat und heute erfahre ich, dass Adrian mein Vater ist.“ Erstaunt sah ich sie an. „Inspektor Adrian Milan ist dein Vater?“, fragte ich sicherheitshalber nach. Sie nickte. „Er war der Mann, den meine Mutter geliebt hat, der Grund, wieso sie sich gegen deinen Vater gewehrt hat. Aber bist gestern Abend wusste er selber nicht, dass er mein Vater ist…Das Haus deines Vaters wurde gestern wohl durchsucht und dabei wurde ein Brief gefunden, den meine Mutter an Adrian geschrieben hat, aber nie dazukam ihn abzuschicken und dein Vater hat ihn nie vernichtet“, erklärte sie mir und ich schloss die Augen. Sophie musste zu viel durchmachen gerade. Hätte sie doch nur nie meinen Vater kennengelernt, dann wäre vieles anders gelaufen. „Ich wusste es wirklich nicht Sophie, bitte glaub mir. Ich hasse ihn dafür, dass er deine Mutter getötet hat“, wisperte ich und sie nickte.

„Werde bitte nicht so wie er…bitte töte mich nicht, nur weil du denkst, ich würde dich nicht lieben“, flehte sie mich an. „Das verspreche ich dir Sophie. Ich werde weder dich noch unser Kind töten, das könnte ich nicht“, versprach ich ihr und sie nickte. „Dann bin ich froh…weißt du, ich hab immer noch Gefühle für dich, aber ich weiß nicht, ob du ein guter Vater für unser Kind sein wirst…“, meinte sie und ich seufzte. „Ich möchte dass du unser Kind aufwachsen siehst…aber…ich kann ihm oder ihr doch nicht zumuten so viel Zeit im Gefängnis zu verbringen…“ „Sophie, mach dir da nicht so viele Gedanken drüber. Ich würde unser Kind auch gerne aufwachsen sehen, aber ich kann verstehen, dass du mich nicht im Gefängnis besuchen willst.“ „Es geht nicht um mich, sondern um unser Kind. Ich will einfach nicht, dass unserem Kind etwas passiert, wenn ich dich besuche. Du wirst so viel verpassen…wenn er oder sie geboren wird…laufen lernt…sprechen lernt…“ „Sophie, ist schon gut. Belaste du dich nicht mit Gedanken, für deren Gründe du nichts kannst. Du kannst nichts dafür, dass ich jetzt hier bin und…“ „Doch! Es ist meine Schuld! Ich bin abgehauen! Mehrmals! Wäre ich doch nur bei dir geblieben, dann wäre alles soviel besser!“

„Wäre es nicht und das weißt du auch! Tief in dir drin weißt du, dass du das richtige getan hast, deshalb bist du ja auch überhaupt erst weggelaufen. Wer weiß, was ich mit dir getan hätte, wenn du geblieben wärst?“ Unsicher sah sie mich an. Scheinbar schien sie mir nicht so ganz zu glauben, aber das musste sie. Ich wollte nicht, dass sie weiter mit diesen Schuldgefühlen leben musste. „Glaub mir Sophie, du bist nicht schuld“, versicherte ich ihr und sie nickte vorsichtig, bevor sie ihren Kopf in meine Halsbeuge legte. „Sie werden alle sauer sein, weil ich bei dir war…“, wisperte sie nach kurzer Zeit. „Das sollten sie aber nicht. Es ist deine Entscheidung und das müssen sie akzeptieren. Ich weiß, dass mich keiner leiden kann, aber deshalb dürfen sie dir keine Vorwürfe machen.“ Ich sah sie entschlossen an. „Ich kann dich leiden Levi…sehr sogar…“ Zögerlich streckte Sophie sich mir entgegen und küsste mich kurz.

„Du bist eine Ausnahme Sophie…aber seit bekannt ist, was ich getan habe, verachten mich alle nur noch.“ „Du brauchst nicht viele Menschen die dich lieben, aber einen, der es richtig tut.“ Dankbar lächelte ich sie an. Fuck. Wie konnte ich ihr nur all das antun? Sie hatte das alles noch am wenigsten verdient. Wieso musste ich erst ins Gefängnis kommen um zu merken, was ich für Scheiße gebaut hatte? Allerdings würde mir jetzt niemand mehr glauben, wenn ich sagte, dass ich es bereute. „Nicht weinen, Levi“, wisperte Sophie und ich spürte ihre Hände an meinem Gesicht. „Ich weine nicht“, widersprach ich und sie lächelte etwas. „Doch tust du, du kannst es nicht abstreiten“, erwiderte sie und ich fuhr mir mit dem Handrücken übers Gesicht. Tatsächlich weinte ich. „Mach dir keine Vorwürfe Levi. Du kennst es nicht anders. Es wurde dir so vorgelebt, aber du kannst dich ändern, hast es doch auch schon, aber dann hat dich irgendwas zurückgeworfen und du warst so wie dein Vater“, murmelte sie und sah mich an. „Bevor ich angefangen habe, die 10 umzubringen habe ich einmal zufällig mitbekommen, wie sie geplant haben dich zu erniedrigen und zum Selbstmord zu bringen, das konnte ich einfach nicht zulassen, deshalb habe ich sie alle nacheinander umgebracht. Einfach weil ich dich beschützen musste. Den ersten Mord beging ich, weil Elea versucht hat mich dazu zu bringen, mit ihr zu schlafen und dich somit zu verletzen. Allerdings bin ich nicht darauf eingegangen sondern hab sie getötet“, erklärte ich ihr und sie sah mich aus großen Augen an. Scheinbar hatte sie nicht damit gerechnet, dass ich nun so ehrlich sein würde, aber sie war es auch zu mir. „Dass sie mich nicht einfach in Ruhe lassen konnten…“, wisperte sie und kuschelte sich wieder an mich.

„Ich will nicht gehen Levi…ich will bei dir bleiben…“, wisperte sie irgendwann. Allerdings wussten wir beiden, dass das nicht ging. Sie musste wieder zurück. Morgen würde die Verhandlung weitergehen und wer konnte schon sagen, was passieren würde. „Geh heim und ruh dich aus, Sophie. Wir sehen uns ja schon morgen wieder“, meinte ich liebevoll und sie nickte kurz. „Aber morgen muss ich Abstand halten und darf nicht mit dir reden…“ Ihr schien dieser Gedanke nicht zu behagen. „Das wird schon. Ich werde aufpassen, dass mein Vater dir nichts tut.“ Unsicher nickte sie und küsste mich wieder, diesmal ein wenig länger, aber gefühlt war es dennoch zu kurz. Vorsichtig stand sie auf und nahm ihre Krücken. „Also…bis morgen…“, wisperte sie und verließ den Raum. Die Türe wurde ihr geöffnet und sobald sie draußen war kam ein Beamter rein, der mich zurück in meine Zelle führte, wo ich mich in Gedanken versunken aufs Bett legte.

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