Kapltel 4

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Ich sah in ein markantes Gesicht, das mit einem amüsierten Grinsen verziert war. Seine grünen Augen durchbohrten mich, während er mich abcheckte. Sein Blick glitt über meinen Körper. Also tat ich das gleiche.
Er trug eine helle, blaue Jeans und dazu einen schwarzen Hoodie. Darüber trug er eine schwarz-weiße College Jacke, die er im Oversize Stil offen trug. Über seine linke Schulter hatte er eine schwarze Tasche geworfen, die er mit seiner linken Hand an dem Schultergurt fest hielt. Er fuhr sich mit seiner rechten Hand durch seine glatten, blonden Haare und grinste mich nur genau so blöd an wie gestern. Ich starrte in seine grünen Augen und war wie gelähmt. Panik begann in mir aufzusteigen und ich bekam kein einziges Wort heraus.
„Also?", setzte der blonde Junge vor mir an und forderte durch das lang gezogene Wort eine Erklärung von mir. Ich schloss meine Augen kurz und zog meine Augenbrauen zusammen, um mich wieder zu konzentrieren und irgendwas normales zu sagen.
Aber was? Ich suchte krampfhaft in meinem Kopf nach irgendeiner Antwort, doch ich fand einfach nichts plausibles. Ich konnte schwören, dass aus meinen Ohren Rauchwolken kommen würden, wenn ich weiter so konzentriert in die Luft starren und nach einer Antwort suchen würde.
Letztendlich versagte mein Gehirn komplett und ich laberte nur noch Scheiße.
Was dabei rum kam, floss geradewegs aus meinem Mund. Ich öffnete ihn leicht und versuchte etwas verwirrt und unwissend zu gucken. Dabei verzog ich meine Augenbrauen und sagte mit einer etwas verstellten Stimme, nachdem ich mich geräuspert hatte:"Kennen wir uns irgendwoher?"
Innerlich klatschte ich mir gerade mit meiner flachen Hand vor die Stirn für diese mal abgrundtief dämliche Frage. Er sah mich amüsiert an und lachte leicht.
„Du warst doch das Mädchen vor diesem Restaurant, das von meinem Kumpel Aiden umgenietet wurde, oder? Weißt du noch, gestern?", sagte er jetzt etwas verunsichert durch meine so schlaue Frage an ihn. Trotzdem wirkte er sehr selbstbewusst.
Ich riss meine Augen auf und sagte hektisch mit einer verdächtig hoch klingenden Stimme:"Nicht das ich wüsste. Das muss ein Missverständnis sein!" Daraufhin wandte ich mich zu meiner besten Freundin, die immer noch nichts verstand und zog sie in Richtung Ausgang. Zuerst war sie ganz überrumpelt von meiner Aktion und es war schwer sie mit zu ziehen, aber am Ende ist sie mir gefolgt.
Schweigend stürmte ich den Flur entlang mit Cassie im Schlepptau direkt auf die Tür zu. Ich wagte es nicht einen Blick nach hinten zu werfen und ignorierte auch die ganzen Kommentare und Fragen von Cassie.
Als wir draußen angekommen waren packte sie mich an meinem Handgelenk und brachte mich somit zum Stehen. Ich drehte mich um und wartete auf eine Reaktion von ihr. Und schon schoss es aus ihr heraus.
„Wer war das gerade? Und was war gestern, dass er dich kannte? War es das, was du mir erzählen wolltest?", sagte sie so schnell, als hätte man vorgespult. Ich war froh überhaupt etwas verstanden zu haben.
„Das erzähle ich dir gleich. Nur... wollen wir nicht woanders hingehen? Irgendwohin, wo nicht so viele Menschen sind?", fragte ich sie kleinlaut.
Sie sah mich genervt an. „Was ist nur los mit dir? Du bist echt komisch, dass du keine Menschen magst!", gab sie mit einem belustigten Unterton von sich und machte sich kopfschüttelnd auf den Weg in die Richtung einer Bank, die sehr abgelegen von anderen Schülern lag. Dort angekommen, setzten wir uns und sie sah mich erwartungsvoll an. Ihr Blick sagte alles.
Ich sollte anfangen zu reden.
„Okay. Wo fange ich an?", sagte ich zu mir selber. Ich atmete einmal tief ein und entschied mich ihr die Fragen nach der Reihe zu beantworten.
„Also, was ich dir vorhin versucht habe zu erzählen, war, dass ich gestern nach Hause gelaufen bin und dann von so einem Typen angerempelt wurde. Oder wie der Junge da gerade gesagt hatte, „umgenietet" wurde. Die Situation gerade war mir ein bisschen peinlich, weswegen ich so eine Panik geschoben habe. Der Typ der uns gerade angesprochen hat, stand gestern auch da und hat das wohl mitbekommen. Ja, was heißt mitbekommen? Er hat das ganze wohl eher ausgelöst, wenn man das so sagen kann.
Er hat nämlich seinen Kumpel geschubst, wodurch er in mich rein gelaufen ist und ich auf den Boden gefallen bin."
Meine Freundin starrte mich aus großen Augen an.
Als sie sich wieder gefasst hatte, sagte sie bloß:"Sah er denn wenigstens gut aus?"
Daraufhin schlug ich ihr leicht auf ihre Schulter und sagte:"Du bist dezent vom Thema abgekommen!"
Sie überdramatisierte das ganze und sagte laut „Aua""und hielt sich die Stelle an der meine Hand ihren Arm getroffen hat.
Sie sah mich gespielt wütend an und sagte währenddessen:"Sorry, aber das ist wichtig."
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, musste ihr aber recht geben.
Daraufhin erzählte ich ihr alles im kleinsten Detail.
Von ihrem Aussehen und deren Verhalten bis hin zu meinem fluchtartigen Verschwinden von dort. Wir kamen sogar soweit vom Thema ab, dass Cassie irgendwann von ihrem Urlaub in der Karibik erzählt hat.
Gott wie ich das vermisst habe! Mit ihr konnte man sich super gut und vor allem stundenlang über solche Dinge unterhalten. Und da wir uns sechs Wochen lang nicht gesehen hatten, haben wir sehr viel zu besprechen.
Als wir fertig waren sah ich auf mein Handy und bemerkte, dass es schon halb 7 war und wir, wenn wir uns nicht beeilen würden, kein Abedessen mehr bekommen würden. Wir sprinteten also zum Speisesaal und öffneten leise die Tür. Dann schlichen wir uns an einen freien Tisch und setzten uns laut atmend und immer noch grinsend dort hin. Nach 5 Minuten hatten wir uns wieder etwas beruhigt und machten uns auf den Weg, etwas zu Essen zu holen. Es gab wie immer abends Brot und dazu Aufschnitt.
Darauf habe ich mich schon so richtig gefreut!
Die Ironie lässt grüßen.
Kurz vor Ende des Abendessens traten ein Mädchen und ein Junge nach vorne, um wahrscheinlich etwas zu verkünden.
„RUHE!", brüllte der Junge mit einer tiefen und lauten Stimme, die alle zum Schweigen brachte. Nun waren alle Augen auf die beiden gerichtet und man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so leise war es.
Dann setzte das blonde Mädchen mit einer sanften Stimme an zu reden:"Also wie ihr wisst, sind wir dieses Jahr der Abschlussjahrgang und müssen es noch ein letztes Jahr lang richtig krachen lassen. Daher haben sich einige aus dem Jahrgang zusammen gesetzt und das diesjährige Spiel „Three little Papers" vorbereitet!"
Einige Schüler fingen jetzt an laut zu jubeln und zu johlen, aber ich seufzte nur genervt auf.
Was soll denn das? Wir sind schon 12 Jahre lang gequält worden und jetzt sollen wir noch so ein blödes Spiel machen?
An diesem Internat war es üblich, dass der Abschlussjahrgang so etwas in der Art wie dieses Spiel vorbereitet, um die Spannung im letzten Jahr nochmal aufleben zu lassen. Es sollte ja nicht langweilig werden!
„Jeder Spieler bekommt im Zeitraum von Heute bis zum 6 Dezember 3 Aufgaben, die er erledigen muss. Es können sowohl Aufgaben wie „Sammelt die heruntergefallenen Äpfel auf der Streuobstwiese ein", als auch „Küsse eine bestimmte Person" sein. Also macht euch auf alles gefasst.
Ihr bekommt eure Aufgaben immer dann, wenn ihr die davor schon erledigt habt.", fuhr das Mädchen energischer fort, als es wieder etwas leiser geworden war. Sie ging beim erzählen vorne immer langsam von links nach rechts und baute dramatische Pausen ein.
„Außerdem haben wir einen Weihnachtsschulball geplant, bei dem ihr natürlich mit einem Partner oder einer Partnerin hingehen müsst. Ihr bekommt erst eure Einladung, wenn ihr eure Aufgaben erledigt habt! Ab dem 7 Dezember werden nur noch Vorbereitungen für den Ball getroffen. Wer die Einladung nicht erhält, der darf nicht zum Schulball.", sagte nun der Junge mit den hellbraunen Haaren und sah dabei mit ernster Miene in die Menge. Daraufhin ging eine Welle aus getuschel und gekicher herum und die meisten Mädchen sahen schüchtern zu dem Tisch.
Der Tisch der beliebtesten und heißesten Jungs, mit Ausnahme meines Bruders, aus diesem Jahrgang. Darunter waren natürlich mein Bruder und seine 5 Kumpels, die er heute Vormittag noch vermisst hatte. Aber zwei der Personen, die dort saßen erkannte ich nicht. Oder besser gesagt, nicht sofort.
Der Tisch, an dem ich mit meiner Freundin saß, war nicht gerade groß und stand in der letzten Ecke. Ich mochte den Platz gerne. Von hier aus hatte man einen guten Blick auf alles und man bekam nicht sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt.
Die Badboys, wie man sie hier nannte, hatten natürlich einen Tisch direkt in der Mitte, damit auch ja jeder sie sehen konnte.
Schon bei dem Anblick, wie die ganzen Bitches den Tisch und die Jungs anschmachteten, bekam ich einen Kotzreiz. Angewidert richtete ich meinen Blick wieder zu unserem Tisch und sah Cassie nun an.
Sie war aber in einer ganz anderen Welt, denn sie sah ebenfalls, wie alle anderen auch zu der Gruppe, der beliebtesten Menschen in unserem Jahrgang.
Ich wusste nicht genau wen sie ansah, aber sie schien ganz verträumt und wenn sie nicht bald aufhören würde, dann würde sie gleich auf den Tisch sabbern. Amüsiert sah ich mir das Spektakel weiter an bis ich ihr auf die Schulter tippte.
„Ich glaube dir tropft da was am Kinn runter!", sagte ich während ich mit meinem Finger auf mein Kinn deutete und dabei ein Grinsen auf meinem Gesicht trug. Sie erschrak sich und drehte sich aufgebracht zu mir um.
Ihre Wangen färbten sich ein wenig rot, da ich sie beim Starren erwischt hatte und sie mir sonst immer gesagt hat, wie scheiße die doch alle aussehen und wie dumm die doch sind.
Ich lachte sie dafür kurz aus und sagte ihr:"Mach doch bei dem Spiel mit. Vielleicht bekommst du ja eine Chance bei einem von denen, wenn du so eine bestimmte Aufgabe bekommst." Bei dem letzten Satz wackelte ich mit meinen Augenbrauen und war wieder kurz vorm Lachen.
„Nur wenn du auch mit machst!", sagte sie, während sie eine Augenbraue anhob.
Ich hob meine Hände abwehrend und sagte schnell:"Nur über meine Leiche! Ich kann ja nicht mal irgendeine Fremde Person nach dem Weg fragen, geschweige denn sie einfach küssen ohne einen Anfall zu bekommen!"
Cassie öffnete ihren Mund und wollte gerade etwas sagen, als sie unterbrochen wurde.
„Und JEDER muss mitmachen!", sagte nun der Junge, der immer noch mit dem Mädchen vorne stand.
Warte, was? Jeder muss mitmachen? Das kann doch wohl nicht war sein! Sonst war das immer freiwillig.
Scheiße!
Meine Kinnlade fiel runter und Cassie und ich sahen uns an. Um uns herum ertönte wieder Jubel und Gejohle.

Warum freute sich da jeder drüber außer ich?

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