Kapitel 9

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"Und wie war ich?", fragte Aiden etwas verunsichert über die Stille im Raum.

Alle waren begeistert von seiner Performance, aber niemand sagte ein Wort. Alle sahen nur ihn an. Er hingegen sah uns an.

"Das ... das war echt gut!", brachte Jayden hervor und sprach uns allen aus der Seele, denn alle nickten zustimmend. Bis auf ich, die natürlich nichts sagte, machte oder zeigte.

"Wie ich sehe, konntet ihr leicht Ersatz für mich finden!", lachte Matthew. Man konnte ihm anhören, dass es ihn etwas kränkte, dass Aiden so gut singen kann und ihn ersetzen würde. Aber andererseits ist er wahrscheinlich auch glücklich darüber, zu wissen, dass die Band einen neuen guten Sänger hat.

Ein Schweigen legte sich über den Raum, bis Matthew aufstand und sich vom Acker machte. Er musste noch seine Taschen packen für die Uni oder so einen Kram. Ich habe nicht ganz zu gehört. Er verabschiedete sich und verließ die Garage. Ace begleitete ihn nach draußen und ließ mich mit seinen Freunden allein.
Ich sah meinen Bruder flehend an. Er durfte nicht einfach gehen und mich hier lassen. Ich sah ihm hinterher und sah ihn mit großen Augen an. Er ignorierte es aber gekonnt und scherrte sich anscheinend gerade nicht um mich.
Ich verfolgte ihn mit meinem flehenden Blick den ganzen Weg, bis er hinter der Tür verschwand und sie ins Schloss fiel.

Ich atmete zittrig aus und drehte meinen Kopf zurück zum Boden.
Die Jungs unterhielten sich über etwas, aber ich hörte ihnen nicht zu. Ich konzentrierte mich eher darauf, wie ich hier wieder weg kommen sollte.
Hausaufgaben? An einem Samstag eher unwahrscheinlich. Die Hunde? Sie waren schon draußen und wenn ich es sage, dann sollte ich es auch tun und es nicht als lahme ausrede benutzen. Also auch nicht. Klavier spielen? Konnte ich nicht sagen, da sie sonst etwas von mir hören wollten und das wollte ich wiederum nicht. Sie wussten zwar, dass ich Klavier spielen kann, aber das muss ich ihnen ja nicht unter die Nase reiben.

Weiter kam ich leider nicht, da es plötzlich leise um mich herum wurde und mich das Gefühl beschlich, eine Frage gestellt bekommen zu haben.
Ich richtete meinen Blick vom Teppich, auf den ich die ganze Zeit gestarrt hatte, auf die Gruppe von Menschen vor mit.
Sie sahen mich eindringlich an, als erwarteten Sie etwas von mir.

Ich sah sie jedoch nur unschuldig mit weit geöffneten Augen an. Wenn sie etwas von mir wollen, dann sollen sie es mir auch sagen. Und ich wusste gerade absolut gar nicht, was sie von mir wollten.

"Wie fandest du es?", fragte jetzt Hunter und sah mir dabei geradewegs in meine Augen.

Was wollen die von mir? Was soll ich denn wie finden?

Völlig überfordert stotterte ich vor mich hin und bekam kein einziges Vernünftiges Wort aus meiner Kehle.
"Äh ... ähm ... Was?", war das einzige, dass mir gerade so einfiel.

"Der Auftritt gerade. Wie fandest du es? Denkst du Aiden sollte in die Band?", fragte Hunter erneut, doch diesmal erklärte er mehr dazu.

Warum fragen die das ausgerechnet mich? Was soll es die denn interessieren, ob ich denke, er solle in die Band oder nicht. Sonst haben die sich doch auch nur einen Dreck um mich und meine Meinung gescherrt. Außerdem fand ich es komisch über ihn zu reden, wenn er sich im selben Raum bafand. Völlig verwirrt und überfordert suchte ich nach einer Antwort.

"Keine Ahnung?", sagte ich, doch es klang eher nach einer langgezogenen Frage als einer Aussage,"Ich denke, er kann gut singen!"
Dabei zuckte ich mit den Schultern.
Wann kann denn endlich Ace wieder kommen? Das ist mir etwas zu unangenehm.
Ich sah mich im Raum um, als könnte das bewirken, dass mein Zwilling plötzlich in der Garage auftauchte.

Eine unbehagliche Stille lag im Raum und wir schwiegen uns ungefähr 2 Minuten an, aber es fühlte sich definitiv länger an.

Alle sahen mich wieder an, was mich etwas nervös machte.
"Du kannst doch Klavier spielen, oder?", fragte Alec neugierig. Anscheinend wollte er wissen, ob das stimmte, was Ace ihnen erzählt hatte. Sie haben mich noch nie Klavier spielen hören und werden es vermutlich auch nicht.

"Du kannst Klavier spielen?", fragte nun Aiden überrascht und auffallend neugierig. Anscheinend war er der einzige, der noch nichts davon wusste. In seinen Augen blitzte etwas auf und es sah aus, als würde er überlegen.

"Nein!", schoss es etwas zu schnell aus mir heraus. Meine Augen vergrößerten sich Sekunden schnell und ich hatte Angst, sie würden gleich herausfallen.

"Kannst du uns etwas vor spielen?", versuchte Alec erneut das Gerücht zu überprüfen.

Können die mir nicht einfach glauben? Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.
Nein sagen und weg gehen? Das kommt komisch, als hätte ich etwas zu verbergen. Ja sagen und es tun? Dann könnten die mich wiederbeleben. So wie ich reagieren würde. Vermutlich kommt es zu einem Herzstillstand.

Meine Handflächen begannen zu schwitzen und ich versuchte den Schweiß an meinen Knien abzureiben. Meine Hände fuhren immer wieder meine Oberschenkel auf und ab.

Was soll ich jetzt tun?

"Ich .. ich ... äh ...", alle sahen mich erwartungsvoll an. Kein anderer sagte etwas und deren volle Aufmerksamkeit lag auf mir. Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte. Mein Blick glitt einmal über jedes Gesicht und ich sah sie verunsichert an. " Ich denke ... ich muss mal auf die Toilette.", das war das einzige, was aus meinem Mund kam. Ich stand schnell auf und ging durch die Garagentür, um dieser peinlichen Situation zu entfliehen. Eigentlich war es nicht mal peinlich. Sie haben mich nur ganz normale Dinge gefragt. Die einzige, die diese Situation peinlich gemacht hat, war ich. Warum muss ich denn immer so schüchtern sein?

Ich stürmte die Treppe nach oben und rannte in meine Zimmer. Die Tür knallte ich hinter mir zu. Dann schmiss ich mich auf mein Bett und schlug mir mit der Hand gegen die Stirn.

"Scheiße, scheiße, scheiße. Ich bin so dumm!", sagte ich zu mir selber.

Nochmal runter gehen könnte ich nicht wagen. In die Garage schon gar nicht. Das heißt, den restliche Samstag kann ich in meinem Zimmer verbringen.
Super!

Das Buch, das ich Dienstag angefangen habe, zu lesen, habe ich schon durch und ein anderes habe ich gerade nicht hier. Ich müsste mir den zweiten Teil kaufen oder im Internat ausleihen. Lesen ging also auch nicht. Das einzige, was mir blieb, war Fernsehen gucken oder Klavier spielen.
Da ich eh noch das Lied "La valse de L'Amour" üben musste, das das Lieblingslied meiner Oma war und das ich auf ihrem Geburtstag spielen möchte, entschied ich mich, Klavier zu spielen.
Jetzt werden einige denken "Warum spielt Lizzy auf dem Geburtstag ihrer Oma, aber nicht vor irgendwelchen fremden?". Die Erklärung: Auf dem Geburtstag werden eh nur meine Eltern, Ace und Oma sein. Mein Opa ist leider schon verstorben. Er hatte einen Autounfall und kam mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. Meine Oma konnte sich noch von ihm verabschieden. Er ist dann aber dort an den Verletzungen gestorben. Sie hat mir immer erzählt, dass sie und er mich auf einer Bühne Klavier spielen sehen wollten. Selbst als er im Sterben lag, sagte er meiner Großmutter, dass es sein Wunsch war, seine Enkel ein letztes Mal mit seiner Frau zusammen spielen und singen zu hören. Leider konnten wir ihm diesen Wunsch nicht erfüllen.
Vor ihnen zu spielen ist etwas komisch, aber sie gehören zu meiner Familie und da ist mir so gut wie nichts peinlich. Trotzdem bin ich jetzt schon etwas nervös, aber es ist immer noch etwas anderes, als vor den Kumpels meines Bruders zu spielen.

Ich übte also das Geburtstagslied für meine Oma zu spielen und das tat ich auch den ganzen Tag lang, bis ich zum Abendessen gerufen wurde.

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