Kapitel 2: Das Forschungslabor

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Anna

„Anna, können Sie mir bitte die Testergebnisse des neuen Modells geben?" Anna drehte den Kopf und sah zu Dr. Evelyn Brown, die sie auffordernd ansah.

„Natürlich, Dr. Brown", erwiderte sie und reichte ihr einige Unterlagen.

„Warum sind die Ergebnisse so schlecht? Haben Sie die Modifikation der Vernetzung zu den anderen Hirnregionen vorgenommen?", fragte Evelyn Brown.

„Ja, die Modifikation wurde komplett erneuert. Der neue Chip verknüpft sich besser mit der Amygdala, dem Hypothalamus und dem Thalamus. Außerdem reagiert er genauer auf die Neurotransmitter. Ich weiß auch nicht, warum die Ergebnisse noch so schlecht sind", antwortete sie.

„Gut. Ich werde mit Lucas sprechen. Er soll sich darum kümmern. Außerdem haben wir noch das Problem mit einigen Nebenwirkungen. Die Hirnregionen müssen genauer stimuliert werden, damit es zu einer exakteren und individuelleren Ausschüttung der Hormone kommt. Kümmern Sie sich darum? Wir wollen unseren Kunden schließlich nur das Beste bieten." Mit diesen Worten verließ Evelyn Brown das kleine Labor von Anna, dass sie heute ganz für sich alleine hatte. Ihre Frage, ob Anna sich um die Verbesserung der Stimulierung kümmern könnte, war keine Frage gewesen, sondern eine Aufforderung – auch, wenn es so nicht formuliert gewesen war. Anna kannte es jedoch nicht anders.

Dr. Evelyn Brown war eine der drei Gründerinnen, leitete das Forschungslabor und war somit Annas Vorgesetzte. Sie war auf diesem Gebiet der Neurobiologie die Beste und hatte am meisten an der Entwicklung des Happiness-Chips mitgewirkt. Nicolas Johnson war ein Meister der Vermarktung und das offizielle Gesicht der Firma. Von Simon Moore hörte man am wenigsten, da er mehr im Hintergrund agierte.

Es war erst zwei Jahre her, dass Anna bei der Happy N.E.S. Company zu arbeiten angefangen hatte. Schon immer hatte sie sich für Forschung interessiert und sich gefragt, wie man das Leben der Gesellschaft verbessern könnte. Als dann die Chips auf den Markt gekommen waren, wusste sie, dass sie bei genau dieser Firma und keiner anderen arbeiten wollte. Nach einiger Zeit hatte sie schließlich den Mut gehabt sich zu bewerben und wurde zu ihrem Erstaunen tatsächlich genommen.

Zunächst war sie von all dem hier überwältigt gewesen. Es war unglaublich, was ihr alles geboten wurde: Auf dem Gelände gibt es ein Gebäude, das extra für die Mitarbeiter des Forschungslabors war. Hier hatte jeder seine eigene kleine Wohnung. Außerdem gab es viele Gemeinschaftsräume und Smartboards, wo jederzeit etwas Neues notiert werden konnte. Denn eigentlich waren alle mit ihren Gedanken stets bei den neuesten Tests und Entwicklungen der nächsten Chip-Generation und falls jemand einen Geistesblitz hatte, konnte er ihn sofort aufschreiben und musste dafür nicht erst ins Labor gehen.

Bei Einstellung hatte Anna einen neuen Laptop und ein Handy bekommen. Zudem war das Labor auf dem neuesten Stand der Technologie. Dadurch wurde das Arbeiten wesentlich erleichtert und machte auch viel mehr Spaß.

Seufzend setzte sie sich an den Computer, um sich an die Arbeit zu machen. Allerdings wusste Anna nicht so recht, wie sie das Problem lösen sollte. Ihre Abteilung hatte schon ziemlich viel versucht und langsam waren die meisten mit ihrem Wissen am Ende.

Das Hauptproblem bestand in der Dosis der Hormone, die ausgeschüttet wurden. Es durften nicht zu viele oder zu wenige sein, da es sonst zu ungewünschten Nebenwirkungen, wie hyperaktivem Verhalten oder Depressionen kommen könnte, welche gerade durch den Chip verhindert werden sollten. Bis sie Tests an Menschen durchführen könnten, würde es noch länger dauern. Doch genau da lag das nächste Problem: Die Zeit drängte. Das Datum für die Vorstellung des Happiness-Plus-Chips stand schon fest.

Sie überlegte mit Riley zu sprechen. Vielleicht könnte er ihr helfen. Anna holte ihr Handy hervor und rief ihn an.

„Riley hier", meldete er sich nach kurzer Zeit.

„Hi Riley, ihr ist Anna. Wo steckst du?", fragte sie.

„Ich bin im Gemeinschaftsraum auf der zweiten Etage", antwortete er.

„Könntest du vielleicht ins Labor kommen? Ich könnte deine Hilfe gebrauchen", meinte sie.

„Eigentlich habe ich gerade selbst viel zu tun. Aber ich würde mich mit einem Bier für heute Abend bestechen lassen", erwiderte er und Anna konnte ihn mit seinem charmanten Lächeln schon vor sich sehen.

„Na gut", lachte sie.

„Alles klar. Gib mir 15 Minuten, dann bin ich bei dir." Damit legte Riley auf und sie lächelte kopfschüttelnd.

Noch immer wartete Anna auf Riley. Mittlerweile war ihr Telefonat schon eine halbe Stunde her und sie wunderte sich, dass er noch nicht da war. Riley war der zuverlässigste Kollege, den sie kannte und es passte nicht zu ihm, dass er sich so sehr verspätete.

„Anna, haben Sie die Ausschüttung der Neurotransmitter verbessern können?" Dr. Evelyns Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

„Ich arbeite noch daran", antwortete sie schnell und tat so, als würde sie am Computer arbeiten.

„Gut. Aber ich brauche die Ergebnisse spätestens bis morgen früh. Ich arbeite jetzt zusammen mit Lucas zusammen an dem Problem der Vernetzung zu den anderen Hirnregionen. Bitte sorgen Sie dafür, dass uns niemand stört." Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging energischen Schrittes in das große Labor, von dem aus verschiedene Türen zu mehreren einzelnen Laboren und Lagern abgingen.

Durch die Glaswand konnte Anna sehen, wie Lucas zusammen mit Dr. Brown hinter einer stählernen Panzertür verschwand. Dort befand sich Labor 5. Sie hatte schon davon gehört. Dort wurden die geheimsten Tests durchgeführt. Der Kreis der Beteiligten wurde so klein wie möglich gehalten, damit das Risiko, dass Informationen nach draußen dringen, minimiert wurde.

Anna fragte sich, warum die beiden zum Arbeiten an dieser Modifikation in ausgerechnet dieses Labor gingen. Die Tests dafür waren alles andere als geheim. So gut wie jeder aus dem Forschungslabor wusste von diesem Problem und auch, dass die Zeit langsam knapp wurde. Verwirrt blickte sie auf die Sicherheitstür. Sie selbst war noch nie dort gewesen. Vielleicht hätte sie irgendwann die Chance dazu. Das wäre das Größte für Anna und allein bei dem Gedanken daran, schlug ihr Forscherherz höher. Einmal bei einem der geheimsten Projekte mitwirken, dadurch Lösungen für Probleme finden und das Leben der Gesellschaft verbessern können.

Das Piepen ihres Handys holte sie zurück in die Realität. Eine Nachricht von Riley:

„Ich wurde unterwegs aufgehalten und muss noch etwas erledigen, was wahrscheinlich noch etwas länger dauert. Danach komme ich aber sofort zu dir."

Da konnte sie ja lange warten. Aber wenigstens wusste sie jetzt, warum er noch nicht da war.

„Hey Anna, kommst du mit in die Kantine?", fragte eine weibliche Stimme.

Anna sah auf und entdeckte Mary, die in der Tür stand.

„Warum nicht. Ich könnte etwas zu Essen vertragen." Lächelnd stand sie auf. Riley hatte ja gesagt, dass er noch länger brauchte.

„Dann lass uns gehen", sagte Mary.

Zusammen machten sich die beiden auf den Weg. Als sie an der Tür zu Labor 5 vorbeikamen, huschte erneut ein Lächeln über Annas Gesicht. Hoffentlich würde sie eines Tages die Chance bekommen an so einem Projekt mitzuwirken. In diesem Moment meinte sie ein dumpfes und leises Poltern hinter der Tür zu hören. Kurz blieb sie stehen und horchte nochmal, aber sie konnte nichts mehr hören.

„Worauf wartest du Anna? Kommst du?" Mary schaute sie ungeduldig und auffordernd an. Wahrscheinlich hatte sie sich nur verhört.

„Ich komme schon." Schnell schloss sie zu ihrer Kollegin auf und verließ mit ihr das Forschungslabor.

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