Kapitel 17: Die Pressekonferenz

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May

Der Morgen war sehr hart gewesen. Nachdem ich mich schließlich aus dem Bett gequält und mich soweit fertig gemacht hatte, wusste ich nichts so recht mit mir anzufangen. Eine gefühlte halbe Ewigkeit hatte ich auf meiner Bettkante gesessen und ins Leere gestarrt. Physisch war ich zwar in meinem Schlafzimmer gewesen, aber gedanklich war ich immer wieder zu Alex abgeschweift.

Doch schließlich hatte ich mich aufgerafft und versucht die ganzen Erinnerungen zumindest für eine Weile wegzuschieben. Um mir das zu erleichtern, hatte ich mich an die Überarbeitung meiner Story gesetzt. Tatsächlich hatte ich meine erste Geschichte schon fertig geschrieben – zumindest den ersten Entwurf.

Jenny hatte mich für die tolle und auch schnelle Arbeit gelobt. Sie hatte meine Story gelesen und mir ein paar Verbesserungsvorschläge gemacht. Die hatte ich heute Vormittag dann eingearbeitet, was mich wirklich gut abgelenkt hatte. Nun war ich auf dem Weg zur Happy Visualizing – Abteilung. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich an einem Samstag jemanden dort antreffen würde, aber hier lief einiges anders als bei anderen Firmen. Daher war es einen Versuch allemal wert. In der Abteilung sollte meine Geschichte mit der Hilfe von Grafikern mit passenden Bildern unterlegt werden, damit die Kunden sich das besser vorstellen können. Mein Bauch kribbelte schon vor Vorfreude. Wie würde meine Geschichte danach wohl wirken? Wie würden meine Hauptcharaktere aussehen? Zwar hatte ich schon sehr genaue Vorstellungen davon, aber dennoch war es spannend, wie das Endergebnis dann schlussendlich aussehen würde.

Noch immer in Gedanken lief ich über das große Gelände, als mir Mr. Johnsons Stimme zu Ohren kam.

„Vielen Dank, dass Sie alle gekommen sind. Ich begrüße Sie recht herzlich zur heutigen Pressekonferenz", sagte er.

Ich blickte nach links und erkannte in einiger Entfernung den Menschenauflauf. Jenny hatte mir gestern irgendwann beiläufig erzählt, dass heute eine wichtige Pressekonferenz anstand. Doch ich konnte mich nicht mehr erinnern, worum es genau ging. Neugierig wurde ich immer langsamer und schlug schließlich den Weg zu den Mikrofonen, Kameras und Reportern ein.

„Wie Sie alle wissen, steht der Launch des neuen Chips, des Happiness Plus – Chips, in vier Wochen bevor. Alle Abteilungen arbeiten hart an den letzten Feinheiten", sprach er weiter, während ich immer näher kam.

Mittlerweile konnte ich die deutliche Hektik unter den verschiedenen Reportern erkennen. Es waren unterschiedliche Medien vertreten. Viele arbeiteten für verschiedene Fernsehsender. Die Lokalpresse sowie größere Zeitungen waren ebenfalls vertreten. Unter ihnen befanden sich sicherlich auch einige Journalisten von Fachzeitschriften. Jede Partei hielt sein Mikrofon in Mr. Johnsons Richtung um ja kein einziges Wort zu verpassen und später einen Beitrag darüber verfassen zu können.

Ich hielt mich von dem Trubel fern und stellte mich etwas Abseits an die Seite. Von hier aus konnte ich alles sehr gut beobachten und verstehen.

„Wie sind die aktuellen Testergebnisse?", wurde da auch schon die erste Frage von einem der Fernsehreporter gestellt. Die Kamera zeigte genau auf einen der drei Gründer. Professionell zeigte er sein charmantes Lächeln, bevor er antwortete.

„Dazu kann ich keine wirkliche Aussage treffen. Die exakten Zahlen der Ergebnisse werden noch unter Verschluss gehalten. Aber so viel kann ich verraten: Die Testergebnisse sehen viel versprechend aus."

„Wie sieht es mit den Kosten aus? Wie teuer wird der neue Chip sein?", stellte ein Journalist die nächste Frage.

„Ich kann Ihnen noch keine exakte Zahl sagen, aber wir entwickeln gerade eine Strategie, wie wir diesen Chip günstiger machen können, damit noch mehr Menschen sich diesen leisten können. Happiness sollte schließlich kein Luxusgut, sondern jedem zugänglich sein", antwortete Nicolas Johnson. Für diese Antwort erhielt er von den meisten zustimmendes Nicken.

„Warum wird das erst jetzt möglich sein? War es Ihnen das vorher nicht wert? Erstmal Geld verdienen und dann auch dem Rest der Gesellschaft endlich mal helfen?!", ertönte da plötzlich eine Stimme, die ich schon einmal gehört hatte. Sofort wurde ich wieder in die Sitzecke des Hauptgebäudes an meinem ersten Tag katapultiert. Mr. Johnson war gerade mit einem Mann aus den Fahrstühlen getreten.

„Es tut mir leid, Mr. Carter. Aber da kann ich wirklich nichts tun", hatte Nicolas entgegnet, als der Mann sich ihm in den Weg gestellt hatte.

„Sie können nicht oder wollen nicht? Ohne den Happiness-Chip verliere ich alles! Meine Existenz steht auf dem Spiel", hatte Mr. Carter erwidert.

In diesem Moment trat er aus der Menschenmenge nach vorne hervor und blitzte Mr. Johnson wütend an. Für einen kurzen Augenblick war ich der Meinung etwas wie einen leichten Schock in Nicolas Johnsons Augen zu sehen, aber er blieb so ruhig und professionell wie beim ersten Aufeinandertreffen mit diesem Mann.

„Das stimmt keineswegs. Es tut mir aufrichtig leid, dass sich nicht alle unseren ersten Chip leisten konnten, aber Sie müssen verstehen, dass wir auch kostendeckend arbeiten müssen. Und wie schon erwähnt, arbeiten wir zurzeit an einer Strategie für einen niedrigeren Preis", sagte er und sah Mr. Carter direkt in die Augen.

Mittlerweile hatte sich mein Körper angespannt. Dieser Mann löste bei mir alles andere als Sicherheit oder Wohlfühlen aus. Im Gegenteil, ich stand eher vor leichter Panik. Dabei war ich bisher nicht einmal direkt in die Konfrontation mit ihm verwickelt gewesen.

„Kostendeckend?!" Er spukte das Wort förmlich aus.

„Kostendeckend heißt wohl sich selbst einen großen Bonus auszuzahlen, während andere Menschen leiden müssen. Sie haben mir alles genommen, was mir wichtig gewesen ist!", schrie er wütend.

„Mr. Carter, das tut mir wirklich...", fing Mr. Johnson an.

„Jetzt sagen Sie nicht, dass es Ihnen leid tut! Ich war bei Ihnen und Sie wollten mir nicht helfen. Jetzt habe ich meinen Job verloren, kann meine Familie nicht mehr versorgen und bin völlig am Ende. Sie hätten das verhindern können, indem Sie mir einfach diesen Chip implantiert hätten!", unterbrach Mr. Carter ihn.

Nicolas Johnson tat mir immer mehr leid, je mehr die Situation kurz vorm Eskalieren war. Ich glaubte ihm, dass er sich keinen großen Bonus ausgezahlt hatte, während andere noch leiden mussten. Das passte nicht zu dem Menschen, den ich bisher kennengelernt hatte. Nach der Story, die Jenny mir erzählt hatte, konnte ich mir das noch weniger vorstellen. Er hatte ihr und ihrer Schwester die Chance auf ein besseres Leben gegeben.

Doch Mr. Carter sah das alles ganz anders. Es würde nicht mehr viel fehlen bis er komplett austicken würde und ich wollte nicht herausfinden, was er dann tun würde.

„Ich kann ja verstehen, dass Sie...", startete Nicolas einen neuen Versuch, wurde aber sofort von dem Mann wieder unterbrochen.

„Sie verstehen gar nichts. Solche Probleme kennen Sie doch gar nicht! Wann mussten Sie Hunger leiden? Wann haben Sie sich geschämt, weil Sie ihrer Familie nicht das Leben ermöglichen können, dass sie eigentlich verdient hätte? Sagen Sie mir: Wann?!", meinte er und sah ihn auffordernd an.

Doch Mr. Johnson schwieg. Ich hätte auch nicht gewusst, was ich darauf an seiner Stelle so schnell hätte antworten sollen.

„Sehen Sie?! Da haben Sie Ihre Antwort. Sie können mich nicht verstehen! Das werden Sie nie können!", erwiderte er und ging langsam ein paar Schritte zur Seite in meine Richtung. Mein Körper verkrampfte sich leicht mit jedem Meter, den er mir näher kam.

„Mr. Carter...", sagte Nicolas, was das Fass bei dem Mann scheinbar zum Überlaufen brachte.

Er war nicht mehr weit von mir entfernt. In dem Moment sah er mich, stürmte auf mich zu und ehe ich mich versah, spürte ich etwas Kaltes, Metallisches an meiner Kehle. 

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Was meint ihr, wie es weiter geht? Lasst mir eure Gedanken gerne in den Kommentaren da. Ich würde mich freuen :)

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