Kapitel 27: Zweifel

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Anna

Montagmorgen wachte Anna mit einem Lächeln auf den Lippen auf. Riley und sie hatten sich wieder vertragen. Es war nicht alles verloren gewesen. Immer und immer wieder spielte sie den Freitagabend in ihrem Kopf ab und konnte nicht aufhören zu lächeln, während sie sich auf den Weg ins Labor machte.

„Ich nehme an, das heißt, du nimmst meine Entschuldigung an?", flüsterte Anna nach dem sanften und doch leidenschaftlichen Kuss von Riley.

„Natürlich. Außerdem muss ich zugeben, dass ich auch besser hätte reagieren können", gab er etwas kleinlaut zu.

Lächelnd blickte sie ihn an.

„Es tut mir leid. Irgendwie fühlte ich mich in dem Moment nur so ausgeschlossen. Als wenn ich nun kein Teil mehr von diesem Bereich deines Lebens wäre. Ich weiß ja, dass du über deine Arbeit in Labor 5 nicht mit jedem reden darfst. Vorher haben wir uns aber im gegenseitig geholfen und darüber geredet. Das geht jetzt nicht mehr", meinte er und erwiderte ihr Lächeln.

„Das war von mir auch nicht böse gemeint, ehrlich. Aber es ist, wie du gerade gesagt hast. Ich darf nicht darüber reden und belügen kann und möchte ich dich nicht", erwiderte Anna.

„Spätestens nach dem Abend im Restaurant ist mir das mehr als klar. Du hast deutlich gezeigt, dass das Talent fürs Lügen an dir vorbei gegangen ist", grinste Riley und zog sie in eine Umarmung.

„Wollen wir vielleicht noch einen Film zusammen schauen? Ich habe extra ein paar heruntergeladen", sagte Anna und sah ihren Freund fragend an.

„Klar. Worauf hast du denn Lust?"

Da entbrannte die nächste Diskussion zwischen den beiden, die jedoch mit einem Kuss und der Entscheidung für den Film „Ohne Limit" endete.

„Guten Morgen." Lächelnd kam Anna auf Riley zu, der untypischerweise heute mal vor ihr im Labor war.

„Guten Morgen, mein Schatz", begrüßte er sie und zog sie zu sich heran. Er wolle sie gerade küssen, als Anna ihn stoppte.

„Halt. Doch nicht hier im Labor."

„Darf ich meine Freundin jetzt nicht mal zur Begrüßung küssen?", fragte er und sah sie mit seinem Hundeblick an.

„Na gut", gab sie schließlich nach.

„Aber nur ein kurzer Kuss", meinte sie. Anna wollte nicht, dass ihre Kollegen das unbedingt mitbekamen und dann irgendwelche Gerüchte in Umlauf kamen. Das wäre ihr total unangenehm und über kurz oder lang würde auch Dr. Brown etwas davon mitbekommen, was sie noch weniger wollte.

„Ich muss jetzt auch los. Dr. Brown erwartet mich bestimmt schon in Labor 5", sagte sie nach dem Kuss und verabschiedete sich mit einem entschuldigenden Lächeln.

Nachdem Anna die Sicherheitstüren durchquert hatte und auf den Flur des Komplexes von Labor 5 trat, hörte sie schon die Schreie.

„Lasst mich sofort los! Ich will hier raus. Ihr habt nicht das Recht dazu mich hier festzuhalten!!", schrie jemand und schien wie wild gegen eine der Türe zu hämmern.

Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihr aus. Was ging hier vor sich?

In dem Moment kam Evelyn Brown um die Ecke und lächelte, als sie Anna entdeckte.

„Anna. Gut, dass Sie da sind. Wir können Ihre Hilfe gut gebrauchen. Kommen Sie mit", forderte sie sie auf.

Schnell schloss Anna zu der Doktorin auf, die geradewegs auf einen der Test- und Eingriffsräume zusteuerte.

„Was ist denn hier los?", fragte sie.

„Die psychische Verfassung einer der neuen Testpersonen hat sich signifikant verschlechtert, sodass wir beschlossen haben den Eingriff vorzuverlegen. Natürlich ist das mit den Ärzten und Psychologen besprochen worden. Wenn wir jetzt nicht handeln, dann könnte sich diese Person noch ernsthaft selbst verletzen. Das Risiko möchten wir nicht eingehen", erzählte Dr. Brown.

In dem Moment öffnete sie die Tür zu dem Raum, wo zwei Männer und eine Frau einen Mann nur mit Mühe festhalten konnten. Sie versuchten ihn gerade auf die Liege zu bekommen, damit der Eingriff durchgeführt werden konnte.

„Bereiten Sie den Roboter vor, Anna. Sie führen die Implantation durch", wies Evelyn an und half dann den anderen dabei den Mann auf die Liege zu verfrachten.

Zunächst stand Anna wie angewurzelt da. Mit einem Mal hatte sie wieder Rileys Stimme im Kopf. Hier geht es um mehr als die Freigabe für irgendein Projekt! Es geht um Menschenleben! Er hatte ja recht, aber die Testpersonen hatten sich freiwillig dazu bereiterklärt und wussten, auf was sie sich da einließen. Deshalb gab es vorher ja die ganzen Gespräche und Tests. Auch nach dem Eingriff wurden alle Werte streng überwacht, damit das Risiko so gering wie möglich gehalten wurde und Nebenwirkungen schnell erkannt werden konnten.

„Nun machen Sie schon! Wir können ihn nicht mehr lange halten", schrie Dr. Brown und holte Anna zurück in die Realität. Sie bereitete den Roboter vor und half danach den anderen ihn festzuhalten. Für die Narkose musste er so still wie möglich liegen.

„Das können Sie nicht mit mir machen. Was tun Sie mir hier an?! Ich will das nicht! Ich habe mich nie dazu bereit erklärt. Warum hilft mir denn niemand?!!", schrie er und versuchte sich aus den Griffen zu befreien.

Plötzlich gelang es ihm seine linke Hand frei zu bekommen. Er griff nach Annas Arm und um klammerte ihn fest. Mit seinen grünen Augen sah er sie panisch an.

„Was macht ihr mit mir? Ich will hier sofort raus!", fing er erneut an.

Die Panik übertrug sich auf Anna. Allerdings galt ihre Panik der Angst, dass sie den Eingriff hier vielleicht tatsächlich gerade an jemanden durchführte, der das nicht wollte. Sie rang mit sich alles doch noch im letzten Moment abzubrechen.

„Warum hilft mir denn niemand?!" Dann war von der einen auf die andere Sekunde alles ruhig. Der Roboter hatte das Narkosemittel gespritzt, welches schon zu wirken anfing. Schnell verließen alle den Raum. Anna setzte sich zusammen mit Dr. Brown in den Nebenraum, um die Implantation zu überwachen.

Beide schauten auf den Bildschirm und überwachten die Werte des Patienten. Da alles gut zu verlaufen schien, wagte Anna eine Frage.

„Dr. Brown, verzeihen Sie bitte die Frage, aber sind wirklich alle Testpersonen freiwillig hier?"

Seufzend sah die Wissenschaftlerin sie an.

„Ich habe es Ihnen doch schon einmal gesagt. Alle haben sich freiwillig hierzu bereit erklärt. Viele sind sogar davon begeistert, da sie so eine kostenlose Möglichkeit haben den Chip und somit die Chance auf ein besseres Leben zu bekommen", antwortete sie.

Zunächst nahm Anna das so hin. Sie wusste nicht so recht, was sie darauf erwidern sollte ohne ihrer Vorgesetztin zu zeigen, dass sie ihr nicht glaubte. Das würde sich nicht gut machen.

Schweigend beobachtete sie den Eingriff weiter. Doch mit dem Kopf war sie ganz woanders. Die Hilfeschreie, das Wehren, der Blick – Anna bekam das alles nicht mehr aus ihren Gedanken. Gerade die Augen des Patienten schienen sie zu verfolgen. Er hatte Panik gehabt. Sie hätte versuchen sollen ihn zu beruhigen anstatt noch mit festzuhalten. Wenn sie ihm alles genau erklärt hätte, wäre er vielleicht nicht so panisch gewesen. Sie kannte noch nicht mal seinen Namen!

„Eingriff erfolgreich beendet. Sie können den Patienten jetzt in den Aufwachraum bringen", meinte Dr. Brown und riss sie wieder aus ihren Gedanken. Ohne auf eine Antwort zu warten, verließ sie den Raum und ließ Anna alleine. Langsam ging sie zu dem Mann und betrachtete ihn. In diesem Augenblick wirkte er friedlich und glücklich. Aber er stand auch noch unter Narkose. Vorsichtig löste Anna die Rollen der Liege und schob ihn hinaus Richtung Aufwachraum. Dort angekommen setzte sie sich auf einen der Stühle. Sie würde hier so lange warten, bis er wieder wach war. Den Eingriff konnte sie nicht mehr ändern, aber wenigstens seinen Namen wollte sie erfahren. Aber eins wusste sie: Nie wieder würde sie unter solchen Umständen einen Eingriff durchführen.

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