Kapitel 16: Labor 5

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Anna

„Sie wollten mich sprechen, Dr. Brown?" Zögerlich betrat Anna das Büro der von Evelyn Brown, die hinter ihrem Schreibtisch saß. Rechts führte eine weitere Tür zu dem Labor von der Doktorin, das sie ganz für sich allein hatte.

„Ja. Kommen Sie herein. Und schließen Sie die Tür hinter sich", erwiderte sie. Anna war gespannt, was sie jetzt erwartete. Der Tonfall vorhin hatte nichts Gutes ahnen lassen.

„Wo zum Teufel waren Sie vorhin?", wetterte Evelyn da auch schon los.

„Ich, ähm... es ist Samstag?", antwortete Anna eher fragend. Sie konnte ihrer Vorgesetztin unmöglich erzählen, dass sie mit Riley frühstücken war. Das würde sie niemals verstehen. Ihr Leben spielte sich nur im Labor ab. Das Labor war ihr Leben.

„Und?" Dr. Brown zog eine Augenbraue hoch und schaute sie durchdringend an.

„Ich dachte, wenn... ich meine, einmal einen Samstag...", stammelte sie und suchte verzweifelt nach einer passenden Antwort, die Dr. Brown zufrieden stellen würde.

„Dabei wollte ich Ihnen die Chance geben ihre Idee selbst den Investoren vorzustellen. Da ich davon überzeugt war, dass Sie so wie jeden Samstag im Labor sind, hielt ich es nicht für nötig, Sie darüber in Kenntnis zu setzen. Ich habe mich wohl geirrt in der Annahme, dass Sie genauso wie ich vollen Herzens Wissenschaftlerin sind und nichts wichtiger sein könnte", erwiderte sie.

„Nein, glauben Sie mir. Nichts ist mir wichtiger als die Wissenschaft. Sie hat mir so viel in meinem Leben gegeben. Als es mir alles andere als gut ging, konnte ich mich in die Arbeit stürzen. Es hat mir den Halt in meinem Leben gegeben, den ich damals brauchte", platzte es da mit einem Mal aus Anna heraus.

Nachdem auch ihre Eltern sich das Leben genommen hatte, blieb Anna niemand mehr. Sie war alleine. Die Arbeit war damals ihr einziger Ausweg gewesen. Die Arbeit im Labor hatte ihr geholfen nicht in die Depression zu fallen und hatte ihr Halt gegeben. Ohne die Wissenschaft wäre sie jetzt wahrscheinlich nicht hier.

„Gut. Eigentlich habe ich Sie auch nicht deshalb hierher gerufen. Die Präsentation Ihrer Idee hat mir sehr gut gefallen und auch die Investoren waren der sehr zugetan, wenn man von Ms. Nelson absieht. Aber sie ist ohnehin nur primär eingestiegen, weil ihr Mann das für eine gute Idee hält und sie zu viel Geld hat. Aber genug davon." Dr. Evelyn Brown öffnete die oberste Schublade ihres Schreibtisches. Sie zog ein Schlüsselband hervor, an dem eine Sicherheitskarte baumelte und legte es vor Anna auf den Tisch.

„Ich bin kein Fan von großen Worten, daher: Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung", erklärte sie und bedeutete Anna die Karte an sich zu nehmen. Mit offenem Mund saß sie da und konnte nicht fassen, was gerade passiert war. Hatte Dr. Brown sie tatsächlich befördert? Wurde ihr Traum gerade wahr? Durfte sie jetzt etwa...

„Damit haben Sie auch die Freigabe für Labor 5. Sie dürfen an den neuesten und geheimsten Projekten mitwirken. Ich bin mir sicher, dass ich Ihnen vertrauen kann", sprach Evelyn das aus, was Anna sich so sehr gewünscht hatte. Ein Strahlen breitete sich auf ihrem ganzen Gesicht aus.

„Vielen, vielen Dank. Sie wissen gar nicht, was mir das bedeutet. Ich verspreche Ihnen, Sie können mir vertrauen und werden es nicht bereuen", freute Anna sich und nahm die Schlüsselkarte an sich.

„Dann will ich Ihnen mal das Labor 5 zeigen. Wenn Sie mir bitte folgen würden." Dr. Evelyn Brown stand auf und verließ mit einer lächelnden Anna ihr Büro.

Evelyn und Anna hatten die erste Tür zum Labor passiert und standen vor einer weiteren, bevor sie schließlich das Labor betreten konnten.

„Nachdem Sie am Eingang ihre Schlüsselkarte gescannt haben, kommen Sie hier zu dieser zweiten Sicherheitstür. Diese ist mit der neuesten Technologie geschützt. Ihre Karte hilft Ihnen hier nichts. Der Zutritt ist nur möglich, wenn ihre biometrischen Merkmale übereinstimmen. Ich habe diese vorhin schon im System hinterlegt. Um die größtmögliche Sicherheit zu haben, erfolgt ein Scan ihres Fingerabdrucks, ihrer Iris und des gesamten Gesichts. Sie müssen sich nur hier hinstellen, in die Kamera schauen und auf dieses Gerät ihren Zeigefinger legen", erklärte Dr. Brown und zeigte es ihrer Mitarbeiterin, indem sie sich an den entsprechenden Punkt stellte. Die Tür öffnete sich und Evelyn ging hindurch, während Anna versuchte einen neugierigen Blick nach innen zu erhaschen. Nach dem Durchtreten schloss sich der Durchgang wieder. Aufgeregt tat Anna es ihrer Vorgesetztin gleich. Als das Metall sich auftat, trat sie hinein. In ihrem ganzen Körper kribbelte es vor Freude.

Das Labor 5 war wie die anderen Labore auch hell eingerichtet. Die Wände waren klassisch weiß gestrichen. Von dem Gang, auf dem die beiden standen, gingen mehrere Türen ab. Einige führten zu kleineren Räumen, in die man durch eine Glasscheibe Einsicht bekam. Andere hatten keine Durchsicht. Die ganze rechte Tür fiel Anna auf. Sie war abgeschiedener als die anderen.

„Was befindet sich dort?", fragte sie neugierig, aber zugleich auch noch etwas vorsichtig nach.

„Ach, da ist nichts Wichtiges. Wir nutzen den Raum dahinter nur ab und zu als Abstellkammer", winkte Evelyn ab und hielt sich links.

Es dauerte nicht lange bis sie vor einer Tür anhielt und sie öffnete.

„Hier befindet sich eins unser Labore. Natürlich ist es wie alle anderen auch mit der neuesten Technologie ausgestattet. Eigentlich ist die Bezeichnung „Labor 5" nur der Name für alle Räume, die hier in diesem Teil liegen. Es gibt mehrere Labore, einige Lager, Besprechungs- und Testräume", erläuterte Dr. Brown.

Bei dem Wort „Test" schoss Anna wieder Mr. Garcias Frage nach den Ergebnissen der Testpersonen in den Kopf. Sie überlegte, ob sie die Doktorin darauf ansprechen sollte oder ob das unangebracht wäre. Nach einigem Hin und Her, beschloss sie mutig zu sein.

„Dr. Brown, ich möchte nicht unhöflich wirken, aber was hatte es mit der Frage von Mr. Garcia auf sich? Werden tatsächlich schon Tests an Menschen durchgeführt?", fragte sie.

„Natürlich", antwortete sie, als gebe es nicht Selbstverständlicheres.

„Aber... das ist doch noch viel zu früh", erwiderte Anna und war schockiert.

„Anna, Sie wissen doch, wann der Termin für die Markteinführung des neuen Happiness Plus – Chips ist, oder?" Evelyn bekam auf ihre Frage ein Nicken.

„Dann ist Ihnen auch bewusst, dass wir mit dem Testen anfangen mussten. Folgen Sie mir", entgegnete sie und lief den Gang entlang, bis sie zu einem der Testräume kam. Dieser Raum hatte eine Scheibe, vor der beide stehen blieben. Innen befanden sich eine Frau sowie ein Wissenschaftler, die sich gegenüber an einem Tisch saßen und scheinbar ein wichtiges Gespräch führten.

„Das ist eine der Testpersonen. Sie hat den neuen Happiness Plus – Chip implantiert bekommen. Wir beobachten sie stetig und messen immer wieder ihre Werte. Außerdem kontrollieren wir ständig die Ausschüttung der Botenstoffe und achten auf jegliche Art von Nebenwirkungen. Diese Frau hat sogar schon den ersten Prototypen, der ihre Idee mit den drei Messstationen beinhaltet. Seitdem sind die Nebenwirkungen stark zurückgegangen und die Stimulierung des Gehirns erfolgt viel präziser. Das ist Ihr Verdienst, Anna", erzählte Evelyn begeistert.

„Dennoch ist es dafür zu früh. Wir müssten vorher noch mehr Tests vornehmen, ehe wir jemanden diesen Prototypen implantieren können", meinte Anna.

„Natürlich sind alle Testpersonen freiwillig hier. Jeder von Ihnen weiß, auf was er sich einlässt. Niemand wird gezwungen sich den Chip implantieren zu lassen", sagte Dr. Brown.

Doch Anna war noch nicht ganz überzeugt. Sie hatte ein merkwürdiges Gefühl.

„Glauben Sie mir, ich würde doch niemals etwas tun, was der Firma schaden würde. Wenn wir illegale Tests durchführen würden, würde das die Happy N.E.S. Company in den Ruin treiben. Das wäre dann auch mein Ende", erwiderte Evelyn.

Das leuchtete Anna zwar ein und sie glaube das der Doktorin auch, aber dieses Gefühl, dass sie nicht alles wusste, blieb.

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