Anna
„Ich bin echt gespannt, was du geplant hast", sagte Anna. Riley hatte sie wie versprochen zum Date abgeholt. Um die Überraschung noch größter zu machen, hatte er ihr nicht verraten, was er sich überlegt hatte und ihr zudem noch die Augen verbunden.
„Wir sind auch gleich da. Nur noch ein kleines Stück", erwiderte er und führte sie behutsam weiter.
Anna war total aufgeregt. Riley hatte ganz geheimnisvoll getan und absolut nichts gesagt. Das hatte ihr die Auswahl ihrer Klamotten nicht gerade einfach gemacht. Eigentlich machte sie sich normalerweise nicht so viele Gedanken darüber, was sie anziehen sollte, aber das hier war immerhin ein Date – auch, wenn Riley sie schon in vielen ihrer Klamotten oder im Laborkittel gesehen hatte, der heutige Tag würde etwas Besonderes werden, weshalb auch ihr Outfit nicht unüberlegt sein sollte. Schlussendlich hatte sie sich für eine dunkelblaue Skinnyjeans und ein süßes, rotes Spitzenoberteil entschieden. Dazu hatte sie noch ihren grauen Kurzmantel mitgenommen. Es war zwar schon Ende Frühling, aber man konnte ja nie wissen.
Nachdem Riley sie dann abgeholt hatte, waren sie in sein Auto gestiegen und er hatte ihr die Augen verbunden. Zum Glück dauerte die Fahrt nicht länger als eine Viertelstunde.
„So, wir sind da." Liebevoll nahm Riley das Tuch von Annas Augen. Als sie sah, was Riley vorbereitet hatte, blieb ihr der Mund vor Staunen erstmal offen stehen.
„Das... das ist... einfach unglaublich. Dafür musst du doch Stunden gebraucht haben", stammelte sie.
„Für dich eben nur das Beste." Er zwinkerte ihr schelmisch zu und ging dann auf das vorbereitete Picknick zu.
„Willst du dort Wurzeln schlagen?", lachte er und holte Anna somit aus ihrem Staunen heraus.
„Natürlich nicht. Das leckere Essen kann ich mir doch nicht entgehen lassen", erwiderte sie und setzte sich zu ihm auf die Picknickdecke. Dort waren Schüsseln mit Erdbeeren, Äpfeln, Weintrauben, Brownies, Salzstangen, Chips und vielen weiteren Leckereien. Außerdem war der Ausblick hier unbeschreiblich. Er hatte das Picknick direkt auf einer Klippe aufgebaut, wo auch ein alter Leuchtturm stand und man einen tollen Blick auf das Meer hatte. Eigentlich war das Meer nicht Annas bester Freund seit dem Unglück vor ungefähr 5 Jahren. Aber von hier aus hatten sie nur den Blick darauf und sie war nicht alleine. Vielleicht war es endlich an der Zeit das Meer mit schöneren Erinnerungen zu verknüpfen...
„Eine Erdbeere?", fragte Riley sie und schenkte ihr ein charmantes Lächeln.
„Klar. Du weißt doch, dass ich Erdbeeren liebe", antwortete sie und blicke wieder in seine blau-grauen Augen, die für sie die schönsten der Welt waren.
„Deswegen ja", sagte er und reichte ihr die Schüssel mit den Erdbeeren.
„Hier ist es... unglaublich schön", sagte Anna nach einer Weile und ließ ihren Blick umher schweifen.
„Ja, oder? Hier komme ich immer her, wenn ich mal nicht gut drauf bin oder für mich sein möchte. Es ist mein Rückzugsort", erzählte er.
„Wow... und dann hast du diesen Ort für unser Treffen heute vorgesehen?" Anna war erstaunt. Das war ein extremer Vertrauensbeweis. Dieser Ort war für Riley etwas ganz Besonderes und er teilte es mit ihr.
„Ja. Ich wollte, dass es etwas Besonderes wird und wir weg kommen von der Firma, dem Labor und der ganzen Technologie. Hier gibt es nur uns, die Natur und diesen Ausblick", erklärte er und schaute hinaus in die Ferne.
„Apropos Labor. Wie bist du eigentlich zu der Wissenschaft gekommen?", fragte Anna. Sie wusste, dass Riley gut in dem war, was er tat, aber wie genau er dazu gekommen ist, hatte sie ihn noch nie gefragt.
„Ist das dein Ernst, Anna? Ich habe doch gerade gesagt, dass ich genau davon heute Abstand haben möchte", sagte er.
„Ich weiß. Aber obwohl wir uns nun schon seit zwei Jahren kennen, weiß ich das nicht über dich. Und ich möchte dich heute auch noch besser kennenlernen", erwiderte sie, obwohl sie mittlerweile ein bisschen daran zweifelte, ob die Frage so angemessen gewesen war.
„Na gut", gab er da jedoch schon nach.
„Du hast ja irgendwo recht. Doch ich warne dich: Es ist nicht so, wie es scheint. Eigentlich rede ich auch nicht so gerne darüber. Aber dir vertraue ich", meinte er und atmete einmal tief ein und aus, ehe er fortfuhr.
„Eigentlich macht mir Forschung und Wissenschaft gar nicht so viel Spaß. Aber meinen Eltern zuliebe habe ich das Biochemie-Studium gemacht und anschließend den Job bei der Happy N.E.S. Company angenommen."
„Was?", murmelte Anna.
„Es hat mit meinem älteren Bruder Steven zu tun. Ich konnte meinen Eltern das nicht schon wieder antun. Zwar kann ich meinen Bruder besser als jeder andere verstehen, aber für meine Mum und meinen Dad war das die größte Enttäuschung." Riley schwieg für einen kurzen Moment.
Anna wusste nicht, was sie dazu sagen sollte und legte einfach ihre Hand auf seine, um ihm zu zeigen, dass sie für ihn da war. Riley lächelte kurz, als er ihre Berührung spürte.
„Meine Eltern hatten ganz genaue Vorstellungen, wie das Leben von meinem Bruder und mir später aussehen sollte. Sie wollten nur das Beste für uns, aber stattdessen hat es meine Familie zerrissen. Für meinen Bruder hatten sie eigentlich ein Jura-Studium vorgesehen, aber das passte einfach nicht zu ihm. Er ist ein Künstler, ein Musiker. Schon als Kind wollte er später etwas mit Musik machen. Als er dann schließlich studieren sollte, ist die Situation Zuhause eskaliert. Es war so heftig, dass meine Eltern und mein Bruder seit Jahren kein Wort mehr miteinander geredet haben. Er ist nach dem Streit ausgezogen und fort gegangen, um Musikproduzent zu werden", erzählte er weiter.
„Das tut mir leid", sagte Anna.
„Mein Bruder war für mich immer fast wie mein bester Freund gewesen. Als er dann weg war, war das ziemlich hart für mich. Danach konzentrierten meine Eltern sich komplett auf mich. In der Schule bin ich schon immer in den Naturwissenschaften gut gewesen, weshalb meine Eltern von ihrer Idee, ich sollte in die Forschung gehen, begeistert waren. Dabei wollte ich eigentlich gerne Kunst studieren und meine Leidenschaft zum Beruf machen. Denn ich war zwar in Chemie, Biologie und Physik gut, aber diese Fächer haben mir im Gegensatz zu Kunst nie so viel Spaß gemacht. Wenn ich male oder zeichne, vergesse ich alles um mich herum und egal, wie schlecht mein Tag gewesen ist, danach geht es mir wieder viel besser", meinte Riley.
„Das kann ich gut verstehen. So geht es mir, wenn ich im Labor bin. Das, was du bei deiner Kunst empfindest, fühle ich bei der Wissenschaft. Man sollte seiner Leidenschaft nachgehen und das tun, was einen glücklich macht." Aufmunternd lächelte sie ihm zu.
„Da stimme ich dir zwar zu, aber du hast nicht die Enttäuschung in den Augen meiner Mum gesehen, als ich einmal vorsichtig versucht habe, dieses Thema anzusprechen. Ich kann ihnen das nicht noch einmal antun. Dafür liegen sie mir zu sehr am Herzen und ich habe Angst, dass sie sonst der großen Depression zum Opfer fallen", erklärte Riley.
„Du glaubst gar nicht, wie gut ich dich verstehe. Selbstverwirklichung ist wichtig, aber heutzutage ist so vieles anders. Man fällt in dieses tiefe Loch, aus der man das Gefühl hat alleine nicht mehr herauszukommen. Man wird ein Teil der großen Depression. Ich finde es bewundernswert, was du für deine Eltern auf dich nimmst und würde es auch tun, wenn ich es noch könnte." Bedrückt senkte Anna ihren Blick und zog ihre Hand zurück.
„Sind deine Eltern..." Riley sprach den Satz nicht zu Ende, aber Anna wusste genau, was er hatte fragen wollen. Sie nickte kaum merklich mit dem Kopf und kämpfte gegen die Tränen an. Dieser Tag sollte schön werden und jetzt war sie drauf und dran alles zu zerstören. Wenn sie doch bloß nicht diese Frage gestellt hätte.
„Ist schon okay." Liebevoll zog Riley sie in eine Umarmung. Er setzte sich hinter sie und legte beschützend seine Arme um sie. In diesem Moment war es um Annas Selbstbeherrschung geschehen. Sie schluchzte und die Tränen rannten ihr übers Gesicht. Riley drückte sie behutsam an sich und sagte einfach nichts. Und genau das war es, was Anna in diesem Augenblick brauchte. Keine Worte, keine Aufmunterung, einfach jemanden, der sie in den Armen hielt und für sie da war.
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Happiness Plus
Science Fiction"Happiness-Plus-Chip, der": Die Weiterentwicklung des Happiness-Chips, der in das menschliche Gehirn implantiert wird und dem Träger zu einem glücklicheren Leben verhilft. Durch ihn werden Depressionen bekämpft. Die Happy N.E.S. Company ist die erfo...