May
Ich schlug die Augen auf. Mein Hinterkopf pochte noch immer schmerzhaft. Ich lag auf dem harten Steinboden und richtete mich langsam wieder auf. Langsam erinnerte ich mich wieder und wurde dann erneut panisch. Simon Moore war herein gekommen. Wo war er?
„Andrew, wo ist..." Ich stockte. Andrew war nicht mehr da. Genauso wie Mr. Moore. Ich war alleine. Hektisch blickte ich mich um. Aber ich konnte niemanden sehen. Ich bemerkte, wie sich eine neue Panikattacke anbahnte und versuchte meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Diesmal funktionierte es deutlich besser als beim ersten Mal. Zwar brauchte ich eine ganze Weile, bis ich endlich wieder ruhig atmete, aber immerhin war ich nicht wieder ohnmächtig geworden.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, aber schließlich hörte ich das Öffnen der Tür, die zu meinem Gefängnis führte. Gespannt starrte ich auf den Eingang und erschrak im nächsten Moment ein wenig, als ich sah, wie Simon Moore wieder den Raum betrat. Doch ich riss mich zusammen. Wenn ich hier raus wollte, musste ich an mehr Informationen kommen und durfte ihm nicht zeigen, wie sehr die Angst in mir hoch kam.
„Sind Sie also endlich wieder wach geworden", begrüßte Simon mich mit einem fiesen Grinsen.
„Daran sind Sie ja nicht ganz unschuldig", erwiderte ich.
„Das stimmt. Aber Sie sind unserem Geheimnis gefährlich nah gekommen und wissen zu viel. Außerdem habe ich das Gefühl, dass Sie mit unseren Vorstellungen einer besseren Welt nicht übereinstimmen werden und versuchen würden uns aufzuhalten", sagte er und setzte sich auf einen Stuhl, der direkt gegenüber von meinem Gefängnis stand.
„Ich verstehe nicht, wie Sie von einer besseren Welt reden können, wenn Sie illegale Tests an Menschen durchführen, die das gar nicht möchten. Wie können Sie denen das antun?", fragte ich völlig verständnislos.
„May, Sie verstehen das einfach nicht. Sie sind auch keine Wissenschaftlerin und haben auch keine Firma zu leiten. Sie haben keine Ahnung, wie viel Geld uns das kosten würde, wenn wir den Launch des neuen Chips verschieben würden. Außerdem wird der Chip nur Menschen eingesetzt, die sowieso schon am Ende sind. Obdachlose, Menschen, die am Rande ihrer Existenz stehen, selbstmordgefährdende Menschen. Wir helfen ihnen damit sogar. Wir sind also nicht die einzigen, die davon profitieren. Auch den Menschen geht es danach besser. Und denken Sie nur daran, wie vielen Menschen dadurch auch in Zukunft geholfen wird", meinte er.
„Das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht diesen Menschen einfach einen Chip zu implantieren. Es ist eine Sache helfen zu wollen, aber eine andere das auch Geldgier zu machen. Außerdem vergessen Sie scheinbar, dass der Chip auch Nebenwirkungen hervorrufen kann. Wie soll das das Leben aller Beteiligten verbessern?" Vielleicht war es die Sorge um meinen Vater oder einfach die Tatsache, dass ich endlich hier raus wollte, aber ich fasste meinen ganzen Mut zusammen und konnte so Mr. Moore all diese Sachen direkt ins Gesicht sagen. Es tat gut, dass alles loszuwerden.
„Wie Sie bemerken hatte ich Recht mit meiner Annahme, dass Sie das nicht verstehen werden", sagte er.
„Ich habe Ihnen vertraut. Wie konnte Sie das nur so ausnutzen?" Wütend schlug ich gegen einen der Gitterstäbe und hielt mir danach schmerzhaft meine Hand. Das war eher keine so clevere Idee gewesen.
„May, haben Ihre Eltern Ihnen nicht beigebracht, dass man sich Vertrauen verdienen muss? Passen Sie also lieber auf, wem Sie was erzählen. Sonst stürzt Sie Ihr Vertrauen immer wieder von der einen in die nächste Krise. Sie haben doch gerade das ideale Beispiel dafür: Wer von uns beiden sitzt in diesem Käfig?" Mit einer Handbewegung deutete er auf mich und sah mich triumphierend an.
Was sollte ich darauf erwidern? In dieser Hinsicht hatte er leider recht. Es war ein Fakt, dass ich hier hinter Gittern saß.
„Schade aber auch, dass Sie sich an diese Unterhaltung schon bald nicht mehr erinnern werden können. Vielleicht sollte ich Ihnen diesen Rat nochmal nach der Implantation geben." Er wandte seinen Blick von mir ab, schaute in die Luft und tat so, als würde er ernsthaft über seine Idee nachdenken. Zugleich verspürte ich ein ungutes Gefühl. Implantation? Er hatte doch nicht ernsthaft vor mir einen der Chips gegen meinen Willen zu implantieren? Aber eine andere Erklärung für seine Aussage fand ich nicht. Ich musste wieder an Andrew Parker denken. Was war mit ihm passiert?
„Wo ist Mr. Parker?", fragte ich und hoffte, dass er nicht die Antwort gab, die mir im Kopf herumspukte.„Naja, er wusste zu viel. Genau wie Sie. Daher blieb uns leider keine andere Möglichkeit als die Erinnerungen an seine Nachforschungen zu verändern oder gar zu löschen", antwortete Simon schulterzuckend.
„Sie haben ihm einen Chip implantiert?" Entsetzt starrte ich ihn an, obwohl das genau die Antwort gewesen war, die ich erwartet hatte. Doch bis zum letzten Moment hatte ich gehofft, dass es anders sein würde.
„Nein, wir haben ihm noch keinen Chip implantiert", sagte Mr. Moore da und ließ mich für einen kurzen Augenblick wieder hoffnungsvoll zu ihm schauen.
„Wir werden ihm einen Chip implantieren", lächelte er zynisch. Dadurch hatten seine Worte noch mehr zerstörerische Kraft als zuvor. Ich sackte in mir zusammen und wusste, was mich erwartete. Ich wusste zu viel und stimmte nicht mit seinen Vorstellungen überein. Dadurch war ich eine Gefahr und er müsste meine Erinnerungen an alles, was ich herausgefunden hatte und mir in diesem Zusammenhang widerfahren war, löschen oder ändern. Das hieß: Chipimplantat.
„Na gut, wir haben ja nicht den ganzen Tag Zeit. Dann wollen wir mal." Simon erhob sich von seinem Platz und kam auf mich zu. Er schloss das Gitter auf und griff nach meinem Arm. Ich verkroch mich nach ganz hinten in den Käfig. Ich würde ganz sicher nicht freiwillig mit ihm kommen. Doch wie schon damals bei dem Vorfall mit Kyle zog ich den Kürzeren. Es dauerte nicht lange bis Simon mich zu packen bekommen hatte und aus dem Gefängnis herauszerrte. Ich schlug und trat um mich, aber er manövrierte mich geschickt zur Tür, öffnete sie und zog mich hinaus auf den Gang. Dort warteten schon einige Mitarbeiter und halfen ihm sofort mich festzuhalten.
„Sie muss sofort in Raum 9. Dort wird schon alles für ihren Eingriff vorbereitet", wies er die anderen an, die mich mit sich zerrten.
„Lasst mich sofort los. Ich will das nicht!", schrie ich panisch und versuchte mich weiter zu wehren.
„Ach ja, und hört nicht auf ihr wirres Gerede. Sie ist nicht ganz bei sich und hält uns alle für Verschwörer und Verbrecher. Bringt sie einfach in Raum 9", meinte er. Die anderen nickten seine Anweisung kurz ab und zogen mich dann weiter.
Ich war fassungslos. Wie konnte er so dreist lügen und wie konnten die anderen das nicht hinterfragen? Verzweifelt versuchte ich mich los zu reißen, aber ich hatte keine Chance. Je mehr des Weges wir geschafft hatten, desto müder und schwächer wurde ich in meinem Bemühungen.
Als wir an Raum 8 vorbeikamen, der ein großes, rechteckiges Fenster hatte und somit den Blick nach innen freigab, erkannte ich Andrew dort drinnen. Die Angst und Panik war ihm deutlich anzusehen. Er lag auf einem OP-Tisch in einem Raum, der weiter hinten war. Doch die Verbindungstür stand offen und ich konnte deutlich sehen, wie er sich heftig wehrte. Meine Verzweiflung wurde noch größer als ohnehin schon. Ich mobilisierte meine letzten Kräfte und schaffte es dieses Mal tatsächlich mich loszureißen.
Leider dauerte es nicht lange bis ich wieder kräftige Hände und Arme spürte, die mich gegen die Fensterscheibe drückten. Andrew warf mir noch einen letzten, verzweifelten Blick zu. Dann wurde die Verbindungstür geschlossen und ich konnte ihn nicht mehr sehen. Ich schrie wie eine Verrückte, für die mich scheinbar auch alle hier hielten und wusste nicht, wie ich aus dieser Situation jemals wieder rauskommen sollte. Tränen stiegen mir in die Augen und liefen schließlich über meine Wangen.
Dann gelangten wir zu der Tür zu Raum 9. Im Gegensatz zu Raum 8 hatte dieser kein Fenster. Die Tür wurde geöffnet. Dort standen Dr. Evelyn Brown und eine weitere Frau, die mir den Rücken zuwandte. Dann drehte sie sich zu uns um. Mir blieb der Mund offen stehen. Das war die Person, die ich hier am allerwenigsten erwartet hatte. Was machte meine frühere beste Freundin Anna Scott hier?
DU LIEST GERADE
Happiness Plus
Ciencia Ficción"Happiness-Plus-Chip, der": Die Weiterentwicklung des Happiness-Chips, der in das menschliche Gehirn implantiert wird und dem Träger zu einem glücklicheren Leben verhilft. Durch ihn werden Depressionen bekämpft. Die Happy N.E.S. Company ist die erfo...