Kapitel 23: Der Streit

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Anna

Es war Freitagabend und Anna freute sich schon darauf endlich wieder mit Riley auszugehen. Die Woche über hatte sie ihn kaum gesehen. Es war so viel passiert und zu tun gewesen, dass sie einfach nicht viel Zeit gehabt hatte. Während Anna dabei war sich für den Abend fertig zu machen, schweiften ihre Gedanken immer wieder zu den Ereignissen der vergangen Tage ab.

Nachdem der Roboter angefangen hatte den Eingriff durchzuführen, hatte Anna sofort Dr. Brown verständigt. Sie war sofort zu ihr gekommen.

„Wie verläuft der Eingriff bisher?", fragte Evelyn, als sie den Raum betrat.

„Um ehrlich zu sein bin ich mir nicht ganz sicher. Würden Sie mal einen Blick darauf werfen?", antwortete Anna verunsichert. Sie hatte zwar schon ein paar Mal bei dem Eingriff zugesehen, aber in diesem Ernstfall, wo sie dafür verantwortlich war, dass alles richtig eingestellt war und der Chip richtig platziert werden würde, fühlte sie sich hilflos.

Evelyn trat neben sie und warf einen Blick auf den Bildschirm. Nach einigen Sekunden, die sich für Anna wie Stunden angefühlt hatten, breitete sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus.

„Ich bin beeindruckt. Das haben Sie sehr gut gemacht. Die Einstellungen scheinen Sie alle richtig vorgenommen zu haben und auch Mr. Carters Vitalwerte sind gut", fasste sie zusammen.

Erleichtert entspannte Annas Körper sich wieder mehr.

„Geht es Mr. Moore denn auch gut?", fragte sie kurz darauf.

„Ja, bei ihm ist alles bestens. Er bespricht sich mit Mr. Johnson. Die beiden versuchen einen PR-Skandal zu vermeiden", erwiderte Dr. Brown, fixierte dabei jedoch den Bildschirm anstatt Anna.

Zum Glück hatten beide eine gute Idee gehabt Schlimmeres zu verhindern: Da der Eingriff bei Mr. Carter ohne Komplikationen verlaufen war, hatten sie das zu ihrem Vorteil genutzt. Es wurde spontan für den Mittwoch eine erneute Pressekonferenz einberufen, wo von dem Eingriff bei Mr. Carter berichtet wurde. Nicolas erzählte zusammen mit Simon und auch Evelyn von den Geschehnissen, sie aber unbedingt Mr. Carter hatten helfen wollen, was sie schlussendlich vor allem durch eine Mitarbeiterin aus dem Labor auch geschafft hatten. Anna hatte nicht gewollt, dass ihr Name genannt wurde. Die ganze Aufmerksamkeit, die damit einhergegangen wäre, wäre ihr zu viel gewesen. Sie war einfach froh gewesen, dass sie Mr. Carter hatte helfen können und alles gut gegangen war. Zwar stand der Mann noch immer unter Beobachtung, um sicherzugehen, dass auch wirklich keine Nebenwirkungen auftraten, aber bisher war er der vorbildlichste Patient gewesen. Auch sein Verhalten war nicht mehr aggressiv. Er verhielt sich freundlich, konnte wieder lachen und war positiv gestimmt. Anna war froh, dass es ihm so gut ging. Ihn hatte sie retten können. Wenn die Ergebnisse so blieben, konnte er nächste Woche zurück zu seiner Familie.

Ein Klopfen riss Anna aus ihren Gedanken.

„Fertig?" Lächelnd stand Riley vor der Tür, als sie ihm öffnete.

„Fertig. Wir können los", antwortete sie. Riley nahm ihre Hand und gemeinsam machten sie sich auf den Weg.

„Endlich haben wir mal wieder Zeit etwas zusammen zu machen", sagte Riley, als er und Anna sich zu Fuß auf dem Weg befanden.

„Stimmt. Die Woche war aber auch sehr viel los", erwiderte sie.

„Hm." Rileys Blick war auf die Straße gerichtet. Anna hatte das Gefühl, dass er zwar froh war diesen Abend mit ihr zu verbringen, aber genauso sehr bedrückte ihn etwas.

„Wo fahren wir eigentlich hin?", fragte sie, um das beginnende Schweigen zwischen ihnen zu brechen.

„Es gibt hier in der Nähe einen guten Italiener, wo ich schon ein paar Mal gewesen bin. Ich dachte, da könnten wir entspannt etwas Essen und Trinken. Mal etwas klassischer als das letzte Mal", antwortete er und schenkte ihr wieder ein Lächeln.

„Das klingt wirklich schön." Anna erwiderte sein Lächeln. Es tat so gut ihn an ihrer Seite zu haben. Mit ihm fühlte sie sich so viel besser, stärker, so, als könnte sie wirklich alles schaffen. Außerdem linderte die Beziehung zu ihm immer mehr den Schmerz über den Verlust ihrer Familie. Ihm gegenüber hatte sie sich seit langem, seit dieser schrecklichen Nachricht, wieder öffnen können.

„Hier, bitteschön. Das ist Ihr Tisch, Mr. Thompson." Die Kellnerin brachte Anna und Riley zu ihrem Tisch, reichte ihnen die Karten und verschwand dann vorerst wieder.

„Weißt du schon, was du essen möchtest?" Verwundert sah Anna Riley an, der die Karte gar nicht erst aufgeschlagen hatte.

„Ich nehme das gleiche wie immer. Spaghetti Carbonara. Mein absolutes Lieblingsessen", grinste er.

Anna sah kurz in die Karte. Dann schlug sie diese wieder zu.

„Das nehme ich auch. Ich habe schon lange keine Spaghetti Carbonara mehr gegessen."

Die Bedienung kam und die beiden bestellten.

„In der Woche war wirklich viel los gewesen. Ich kann es noch immer nicht glauben, dass Mr. Carter den Eingriff so gut überstanden hat und bisher auch keine Anzeichen von Nebenwirkungen zeigt." Annas Gedanken waren mal wieder abgeschweift und sie musste endlich darüber reden, statt immer nur darüber nachzudenken.

„Stimmt. Aber es war klar, dass du das hinbekommst. Wenn es jemand schafft, dann du", erwiderte Riley zwischen zwei Bissen.

„So klar war mir das nicht gewesen. Immerhin war das das erste Mal gewesen, dass ich diesen Eingriff wirklich durchgeführt habe und dann auch noch alleine", sagte sie.

„Aber du hast es geschafft. Zum Glück verträgt er den Happiness-Plus-Chip so gut. Er ist immerhin der erste, dem dieser Chip implantiert wurde. Vielleicht können aufgrund der Ergebnisse bei Mr. Carter demnächst auch Tests bei anderen Personen durchgeführt werden. Ich weiß trotzdem nicht, wie wir das Launch-Datum in ungefähr drei Woche einhalten sollen", überlegte Riley laut.

Anna ließ ihre Kabel sinken und trank einen Schluck ihrer Cola. Sie wusste, dass es bereits Tests an Menschen gab. Sie konnte Riley aber unmöglich davon erzählen. Immerhin war das ein Labor 5 – Projekt, für das Riley keine Freigabe hatte. Wie sollte sie sich nur möglichst unauffällig verhalten? Lügen lag ihr nicht. Irgendwie musste sie das Gespräch auf ein anderes Thema lenken.

„Hm... Aber wollen wir nicht über etwas anderes als die Arbeit reden? Immerhin sind wir jeden Tag im Labor", wagte sie einen Versuch.

„Du möchtest nicht über die Arbeit reden? Normalerweise muss ich dich doch sonst davon abhalten und nicht umgekehrt. Ist alles gut mit dir?" Etwas misstrauisch sah Riley sie an.

„Ja. Also ich meine nein, aber... also du hast damit ja irgendwie schon... irgendwie recht und ich meine jetzt... so nach dieser Woche", stammelte sie vor sich hin. Nein, lügen konnte sie wirklich nicht. Spätestens jetzt musste Rileys Misstrauen gänzlich geweckt sein. Was sollte sie ihm bloß sagen?

„Anna, was ist los?" Er fixierte sie mit seinem Blick und musterte sie prüfend.

„Nichts, es ist alles gut. Die Woche war einfach nur... sehr viel", erwiderte sie und hoffte, Riley würde es dabei belassen.

„Ja, die Woche war viel, aber das ist nicht alles. Ich kenne dich. Werden etwa... wurden schon vorher Tests an Menschen durchgeführt?", sprach er die Frage aus, die Anna um alles nicht hatte hören wollen. Ihr Blick husche zwischen ihrem Essen und Riley hin und her. Sie nahm noch einen Bissen und überlegte währenddessen fieberhaft, was sie ihm antworten sollte.

„Anna! Sag, dass das nicht wahr ist. Sie führen doch nicht schon Tests an Menschen durch?", hakte Riley nach.

„Es tut mir leid, aber ich kann dir dazu nichts sagen. Bitte, frag nicht weiter nach. Bitte", flehte sie und sah ihn bittend an.

„Das ist nicht dein Ernst! Du weiß doch ganz genau, dass es dazu noch zu früh ist. Mr. Carter hat den Eingriff mit dem neuen Chip zwar gut vertragen, aber was ist mit den Menschen vor ihm? Seit wann werden die denn durchgeführt?", fragte er erbarmungslos weiter.

„Bitte. Dazu darf ich dir nichts sagen. Das weiß du doch", sagte sie.

„Das glaub ich einfach nicht. Hier geht es um mehr als die Freigabe für irgendein Projekt! Es geht um Menschenleben!", erwiderte Riley und erhob sich von seinem Platz. Dann warf er wütend ein paar Scheine auf den Tisch und verschwand in der Abenddämmerung. Anna saß mit offenem Mund da und wusste nicht, was sie tun sollte. Schon wieder verließ sie jemand. Es war nicht endgültig wie der Tod, aber ihr Herz zersplitterte in dem Moment in viele einzelne Teile.

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