Kapitel 26: Schlussfolgerungen

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May

Wartend saß ich in meiner Wohnung und hörte zum zehnten Mal das Tuten durch mein Handy. Aber auch dieses Mal hob Mr. Parker nicht ab. Seit Samstag versuchte ich ihn zu erreichen, jedoch jedes Mal erfolglos. Mittlerweile war schon Montag und langsam fing ich an mir Sorgen zu machen. Als erneut wieder nur die Mailbox ran ging, legte ich auf. Ich hatte schon drei Nachrichten darauf hinterlassen. Noch eine würde da auch nicht weiterhelfen. Nervös bewegte ich die Karte zwischen meinen Fingern hin und her. Mein Blick fiel auf den Namen der Zeitung: Daily News. Vielleicht konnte mir dort jemand etwas zum Verbleib von Andrew Parker sagen. Kurzerhand wählte ich die Nummer.

„Sarah Torres, Chefredakteurin von Daily News", meldete sich eine Frau am anderen Ende.

„Hi. Hier ist May Clarks. Könnte ich mit Mr. Parker reden?", sagte ich.

„Tut mir leid, aber Mr. Parker ist gerade leider nicht zu sprechen. Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?", antwortete Ms. Torres.

Aktuell nicht zu sprechen? Hieß das, dass er gerade nicht am Platz war oder dass er gar nicht erst im Büro war?

„Das ist eine Angelegenheit, die ich nur mit Mr. Parker besprechen müsste. Können Sie mir sagen, wann er wieder zu erreichen ist?", erwiderte ich.

„Leider nicht. Haben Sie es schon auf seiner Handynummer versucht?", fragte die Chefredakteurin.

„Ja, schon ein paar Mal. Da hebt niemand ab. Nur die Mailbox", erzählte ich.

Schweigen. Ms. Torres schien nicht recht zu wissen, was sie darauf erwidern sollte.

„Ich bin mir sicher, dass Mr. Parker sich so schnell wie möglich bei Ihnen melden wird", meinte sie schließlich.

Ich war mir da alles andere als sicher. Doch Mr. Parker war nicht im Büro und seine Chefredakteurin wusste nicht, wo er steckte. Sonst könnte sie mir zumindest eine ungefähre Zeit sagen, wann ich Andrew Parker wieder erreichen könnte. Irgendetwas stimmte hier nicht.

„Alles klar, vielen Dank für Ihre Hilfe, Ms. Torres", verabschiedete ich mich und legte auf.

Noch immer saß ich ratlos auf in meiner Wohnung und wusste nicht, was ich tun sollte. Mr. Parker war verschwunden. Scheinbar wusste niemand, wo er war. Wurde er etwa in Labor 5 festgehalten? Da hatte ich ihn am Freitagabend zumindest verloren und seine Visitenkarte gefunden. Aber das würde heißen, dass er etwas wusste oder gefunden hatte, was niemand sonst erfahren sollte. Sonst gebe es keinen Grund für sein Verschwinden.

Doch wie sollte ich herausfinden, ob er wirklich in diesem Labor war? Ich konnte schlecht dort einfach hereinmarschieren und nach Andrew Parker fragen. Wenn ich die falschen Leute fragte, könnte ich mich im schlimmsten Fall damit auch in Gefahr bringen. Damit wäre Mr. Parker oder auch mir nicht geholfen.

Verzweifelt überlegte ich mit wem ich über meinen Verdacht sprechen könnte. Jenny war die erste, die mir einfiel. Aber konnte ich ihr das wirklich anvertrauen? Sie war ziemlich gut mit Nicolas Johnson befreundet und um ehrlich zu sein traute ich ihm nicht. Er hatte nicht auf den Brief von Mr. Parker reagiert. Dafür musste es doch einen Grund geben. Und wenn es nicht der Wahrheit entsprach, welchen sollte es sonst geben? Außerdem hatte er auf der Pressekonferenz von Testergebnissen gesprochen. Damit waren doch bestimmt die illegalen Tests an Menschen gemeint. Welche auch sonst? So nett, charmant und anziehend ich ihn auch fand, in dieser Angelegenheit konnte ich ihm einfach nicht vertrauen.

Um den Kopf frei zu bekommen, beschloss ich erstmal eine Runde laufen zu gehen. Schnell zog ich mich um und trat gerade hinaus ins Freie, als ich die Antwort auf meine Frage in einiger Entfernung vor mir sah: Simon Moore. Er hatte sich gegen mich als Geisel eingetauscht, war darauf bedacht, dass die Firma in keinen Skandal verwickelt wurde und wollte nur das Beste für jeden.

Ich joggte auf ihn zu.

„Mr. Moore, hätten Sie einen Moment für mich?", sprach ich ihn an, als ich bei ihm ankam.

„Guten Tag, May. Natürlich", antwortete er lächelnd.

„Vielen Dank", erwiderte ich.

„Ich bin gerade auf dem Weg in mein Büro. Möchten Sie mich begleiten?" Fragend sah er mich an.

„Gerne."

Wir spazierten über das Gelände in Richtung Hauptgebäude.

„Haben Sie den Vorfall gut überstanden?", fragte Mr. Moore.

„Naja, es geht. In der Nähe des Laborgebäudes bekomme ich noch immer ein ungutes Gefühl, aber sonst geht es mir soweit gut. Auch der Schnitt verheilt gut", antwortete ich.

„Das kann ich gut verstehen. Aber geben Sie sich Zeit", meinte er und lächelte mir aufmunternd zu.

„Ich wollte mich auch bei Ihnen bedanken. Dazu hatte ich bisher keine Gelegenheit gehabt. Sie haben sich für mich auswechseln lassen. Das war wirklich mutig und bewundernswert. Dankeschön", sagte ich.

„Selbstverständlich. Gern geschehen. Als einer der Gründer habe ich auch eine gewisse Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern."

„Ich sehe das als nicht selbstverständlich an... Außerdem würde ich gerne noch eine andere Sache mit Ihnen besprechen", deutete ich schließlich den eigentlichen Grund meines Gesprächs an.

„Okay. Natürlich. Wollen wir das lieber in meinem Büro besprechen?", hakte er nach und schien zu verstehen, dass es um etwas ging, das möglichst nicht jeder sofort mitbekommen sollte.

„Ja, das wäre gut."

In Mr. Moores Büro angekommen setzte er sich in seinen Bürostuhl und bot mir den Platz gegenüber an.

„Also, worum geht es?", fragte er ohne Umschweife.

„Es geht um... um einen Verdacht, den ich habe", meinte ich noch etwas unsicher. Was, wenn ich mit allem falsch lag? Würde er mir überhaupt glauben?

„May, Sie können mir vertrauen. Um was für einen Verdacht genau geht es?", meinte Simon Moore und lächelte mir vertrauensvoll und aufmunternd zu. Das gab mir den Mut das richtige zu tun.

„Es geht um Tests, die in den Laboren hier durchgeführt werden. Ich meinte, es ist nur ein Verdacht, mit Sicherheit weiß ich das nicht, aber ich habe einige Hinweise gefunden, dass da etwas nicht mit richtigen Dingen vor sich geht. Ich war in Mr. Johnsons Büro, weil er mit mir eines der Erstgespräche geführt hat. Dann bekam er einen wichtigen Anruf und verließ das Büro. Als ich mir etwas zu trinken einschenken wollte, fiel mir ein Stapel mit Papieren herunter. Ich wollte es nicht lesen, wirklich, aber leider konnte ich dann nicht mehr aufhören. Es war ein Brief von einem Journalisten, Mr. Andrew Parker. Er meint darin, dass in dem Labor illegale Tests durchgeführt werden. Mr. Johnson hat darauf nicht reagiert und bei der Pressekonferenz dann von irgendwelchen Testergebnissen gesprochen. Letzten Freitag habe ich Mr. Parker dann auf dem Maskenball entdeckt und ihn verfolgt. Er wiederum schien Dr. Brown zu folgen. Dadurch kam ich ins Labor. Dort habe ich ihn allerdings verloren. Nur seine Visitenkarte habe ich gefunden. Und jetzt ist er nicht mehr zu erreichen. Ich befürchte, dass er dort festgehalten wird. Ich glaube in Labor 5. Zumindest habe ich vor der Tür seine Karte gefunden", erzählte ich schließlich alles, was ich herausgefunden und geschlussfolgert hatte.

Mr. Moore erhob sich langsam wieder aus seinem Stuhl. Sein Büro war ähnlich wie das von Mr. Johnson eingerichtet. Allerdings befanden sich die Getränke hier neben mir und nicht neben Mr. Moore. Er ging um mich herum und schenkte sich ein Glas Scotch ein.

„May, Sie wissen, dass das ziemlich heftige Anschuldigungen sind. Haben Sie irgendwelche Beweise dafür?" Er sah mich eindringlich an und leerte das Glas mit einem Schluck.

„Nein, das habe ich nicht", antwortete ich.

„Haben Sie mit noch irgendwem darüber geredet?" Er ging wieder um seinen Tisch herum und beobachtete mich.

„Ich habe ziemlich lange überlegt, mit wem ich genau darüber rede und wer mir helfen könnte. Deswegen bin ich zu Ihnen gekommen. Sie wollen nur das Beste für die Firma und ich bin mir sicher, dass Sie mir helfen können. Also nein, Sie sind der erste, mit dem ich darüber rede", erwiderte ich.

„Da haben Sie recht. Es war richtig, dass Sie damit zu mir gekommen sind."

In dem Moment verstand ich erst, was hier vor sich ging. Aber da war es schon zu spät. Mich traf ein harter Gegenstand mit voller Wucht am Kopf und mir wurde schwarz vor Augen.

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