Kapitel 24: Die Verfolgung

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May

Schnell drückte ich mich gegen die Wand und blieb wie angewurzelt stehen.

„Ich weiß, dass Sie in ihrem Labor illegale Tests durchführen! Tests an Menschen!", sagte der Mann mit der Maske, die wie aus dem Film „The Purge" aussah.

„Ach ja? Was wissen Sie denn schon? Und selbst wenn, Sie könnten mir niemals etwas beweisen!", erwiderte die andere Stimme, die definitiv zu einer Frau gehörte und eine elegante schwarze Maske trug, die meiner ähnelte.

Verzweifelt versuchte ich mich daran zu erinnern, wo ich die beiden Stimmen schon einmal gehört hatte. Aber die Angst entdeckt zu werden hatte mich völlig im Griff und ließ mich nicht mehr klar denken. Gleichzeitig konnte ich hier jetzt nicht weg. Ich musste wissen, was hier wirklich vor sich ging.

„Damit haben Sie es gerade doch schon fast zugegeben. Es gibt also schon Tests mit dem neuen Chip an Menschen", fasste der Purge-Typ zusammen.

„Wie schon gesagt, Sie haben dafür keine Beweise. Und selbst wenn: Tests werden nur an Menschen durchgeführt, die sich freiwillig dazu bereit erklärt haben. Ihnen ist der Vorfall mit Mr. Carter sicher bekannt. Er wollte unbedingt diesen Chip haben und wir konnten ihn nicht davon abhalten. Er ist unsere erste Testperson. Also hören Sie auf mir oder der Firma solche Anschuldigungen zu unterstellen!", meinte die Frau und wandte sich zum Gehen.

„Mir können Sie nichts vormachen! Mr. Carter war nicht der erste. Das weiß ich aus sicherer Quelle. Mr. Johnson hält es ja nicht für nötig offiziell Stellung dazu zu beziehen. Dann muss ich eben andere Wege gehen!", rief der Mann ihr hinterher.

In diesem Moment erkannte ich ihn. Der Brief in Mr. Johnsons Büro. Der Purge-Mann war Mr. Parker, der Journalist, der in seinem Brief die illegalen Tests angesprochen hatte. Er nahm seine Maske ab und schüttelte nur wütend den Kopf. Er wollte gerade in meine Richtung gehen, als er sich scheinbar doch anders entschied. Kurz schaute er sich um, ob ihn auch niemand beobachtete und verschwand dann in die gleiche Richtung wie zuvor die Frau.

Ich atmete einmal tief aus. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich scheinbar die ganze Zeit recht flach geatmet hatte. Was war das gerade gewesen? Eigentlich war ich genauso schlau wie vorher. Wurden illegale Tests an Menschen durchgeführt oder nicht? Und was ist mit den Nebenwirkungen, die Mr. Parker ebenfalls in seinem Brief angesprochen hatte? Wenn das wahr wäre, wäre mein Vater auch in Gefahr.

Verzweifelt überlegte ich, was ich tun sollte. Ich war hin- und hergerissen zwischen der Möglichkeit einfach so weiterzumachen wie bisher oder Mr. Parker und der Frau zu folgen. Nach einiger Zeit des Ringens mit mir selbst, beschloss ich den beiden zu folgen und lief los.

Ich hatte Glück und sah Mr. Parker gerade noch aus dem Gebäude gehen. Schnell lief ich weiter und achtete darauf, dass er mich auch ja nicht bemerkte. Zum Glück hatte die Abenddämmerung schon seit einiger Zeit eingesetzt. So schaffte ich es ihm unbemerkt zu folgen. Mr. Parker wiederum folgte der Frau, die scheinbar direkt auf das Laborgebäude zusteuerte. Je näher wir dem Gebäude kamen, desto mulmiger wurde mir. Mr. Carter war mit mir als seine Geisel ebenfalls hier entlang gegangen. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter und am liebsten wäre ich nicht weiter gegangen. Aber, wenn mein Vater wirklich in Gefahr war, musste ich weiter. Einen Fuß vor den anderen, Schritt für Schritt weiter voran.

Mittlerweile war mir auch klar, dass die Frau Dr. Evelyn Brown sein musste. Sie war an dem Tag des Vorfalls mit Mr. Carter aus dem Labor zu Mr. Moore und Mr. Johnson gestoßen und hatte mit den beiden sich beratschlagt. Daher kam mir ihre Stimme auch bekannt vor. An dem Tag hatte ich sie zum ersten Mal persönlich gesehen. Je näher ich dem Labor kam, desto mehr konnte ich mich an sie auch wieder erinnern. Aber führte sie wirklich illegale Tests durch? Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Damit würde sie doch die ganze Firma gefährden, wenn das herauskommen würde. Andererseits war sie die Verantwortliche im Labor und alles musste von ihr autorisiert werden.

Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte und versuchte mich erstmal nur auf die Verfolgung zu konzentrieren. Vielleicht würde ich dadurch einiges herausfinden und danach klarer sehen.

Nachdem Dr. Brown sowie Mr. Parker in dem Gebäude verschwunden waren, blieb ich kurz vor der Tür stehen. Sollte ich wirklich rein gehen? Ich gab mir einen Ruck und betrat das Laborgebäude.

Drinnen fand ich keine Spur von Mr. Parker oder Dr. Brown. Wo waren die beiden so schnell hin gegangen? Ich sah mich um. Von dem Eingangsbereich aus führten zwei Flure und drei Türen ab. Ganz links befanden sich zwei Aufzüge. Die Lampen von der Decke spendeten helles, weißes Licht und verbreitete damit diese typisch sterile Laboratmosphäre. Unschlüssig stand ich da und wusste nicht so recht, in welche Richtung ich gehen sollte. Die Fahrstühle schienen nicht benutzt worden zu sein, da die Anzeige, auf welcher Etage sich der Aufzug befand, sich nicht verändert hatte, seit ich hier war. Nachdem ich an allen Türen kurz gelauscht hatte, aber nichts hatte hören oder anderweitig bemerken können, beschloss ich mich auf die Flure zu konzentrieren. In dem Moment hörte ich aus einem der Gänge ein Geräusch, dass sich wie das Öffnen einer schweren Tür anhörte. Schnell huschte ich in den linken Flur und versuchte ihn möglichst leise zu passieren.

Der Gang endete in einem großen Raum, wo sich viele einzelne Labore befanden. Jedes von ihnen besaß zwei bis drei große, rechteckige Fenster, weshalb man in so gut wie jedes rein schauen konnte. Doch in keinem davon konnte ich den Reporter oder die Doktorin sehen. Ein Stück weiter vorne rechts von mir befand sich eine schwere Stahltür. Ich wollte diese mir gerade genauer anschauen, als ich aus dem Gang Schritte hörte. Panisch sah ich mich um. Sich hier zu verstecken war nicht einfach. Schnell huschte ich in eines der Labore, das glücklicherweise offen war. Ich presste mich gegen die Wand unter einer der Fenster und hoffte inständig, dass man mich hier nicht entdecken würde. Wie sollte ich erklären, dass ich in einem schwarzen Kleid und Maske im Labor war? Als ich bemerkte, dass ich den Atem anhielt, erinnerte ich mich daran langsam ein- und auszuatmen.

Nach einiger Zeit lugte ich vorsichtig durch das Fenster über mir. Ich sah einen jungen Mann, der vor der massiven Stahltür stand. Rechts neben der Tür befand sich ein Kartenleser. Er zog seine Karte dadurch und die Tür öffnete sich. Das Geräusch war das gleiche, das ich vorhin gehört hatte. Dr. Brown musste also auch durch diese Tür gegangen sein. Nachdem er durchgetreten war, schloss sie sich sofort wieder. Leider reichte die Zeit nicht aus, um zu erkennen, was sich dahinter befand geschweige denn dort hinzulaufen um mit durchzuhuschen.

Ich wartete noch kurz und vergewisserte mich, dass mich niemand sehen konnte. Danach ging ich zu der großen, stählernen Tür. Über ihr stand an der Wand in schwarzen Buchstaben „Labor 5".

Ich sah mir das Kartenlesegerät näher an. Doch da ich davon so gut wie nichts verstand und keine Karte hatte, war es sinnlos dort irgendetwas zu versuchen. Hier würde ich nicht mehr herausfinden.

Gerade als ich gehen wollte, bemerkte ich auf dem Boden ein kleines Stück Papier. Als ich es aufhob, erkannte ich, dass es eine Visitenkarte war. Ich suchte den Namen und mir blieb der Mund offen stehen: Andrew Parker, Journalist bei Daily News. Darunter standen seine Telefon- sowie Handynummer und E-Mail-Adresse. Nochmals sah ich mich um, konnte den Journalisten aber nirgends entdecken. Er musste es also irgendwie in das Labor 5 geschafft haben. Ich musste dringend mit ihm reden. Vielleicht hatte er mehr Glück gehabt als ich und noch etwas herausgefunden. Gleich morgen würde ich versuchen ihn zu erreichen. Falls er gerade wirklich in diesem Teil des Labors sein sollte und sein Handy klingeln sollte, könnte ich ihn in große Schwierigkeiten bringen. Mit der Visitenkarte in der Hand verschwand ich aus dem Gebäude und atmete tief aus, als ich draußen ankam. Ich hatte es unentdeckt rein und wieder raus geschafft. Hoffentlich würde ich morgen von Andrew Parker mehr Informationen bekommen. Hastig entfernte ich mich von diesem Gebäude, das noch immer ein unbehagliches Gefühl in mir hervorrief. Je weiter weg ich war, desto langsamer wurden meine Schritte. Da ich nicht zurück zur Party wollte, machte ich mich auf den Weg zu meiner Wohnung. Vorher schrieb ich Jenny noch schnell eine Nachricht, damit sie sich keine Sorgen machte. In meiner Wohnung angekommen, ließ ich mich erstmal aufs Bett fallen. Ich hoffte inständig, dass ich morgen herausfinden würde, was im Labor tatsächlich vor sich ging.

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