May
„Hey, aufwachen. Können Sie mich hören?" Irgendjemand rüttelte an meiner Schulter. Ich öffnete die Augen und sah Andrew Parker direkt neben mir sitzen. Was war passiert? Im nächsten Moment spürte ich eine schmerzhaft pochende Stelle an meinem Hinterkopf. Instinktiv fasste ich mit der Hand dorthin.
„Es blutet zum Glück nicht mehr", sagte Mr. Parker.
Erst jetzt wurde mir so richtig bewusst, wer da eigentlich neben mir saß. Andrew Parker, den Mann, den ich gesucht hatte. Über den ich mit Mr. Moore gesprochen hatte! Das Gespräch in seinem Büro. Das Niederschlagen. Mit einem Mal prasselten alle Erinnerungen wieder auf mich ein.
„Wo bin ich?", fragte ich und sah mich um. Hinter mir befand sich eine Wand. Links, rechts, oben sowie vor mir befanden sich Gitterstäbe. Als wäre ich ein wildes Tier, das eingesperrt werden müsste. Es war definitiv ein Käfig. Panik stieg in mir hoch.
„Sie sind leider genau wie ich in diesem Käfig gelandet. Ich habe es gewusst. Hier werden illegale Tests durchgeführt und wir sind die nächsten", erwiderte Andrew und schlug mit der Faust einmal gegen die Gitterstäbe.
Ich kam noch immer nicht ganz mit. Mein Kopf schmerzte fürchterlich und ich hatte Mühe mich zu konzentrieren.
„Sie sind doch Andrew Parker, oder? Der Journalist?" Fragend sah ich ihn an.
„Ja, das stimmt. Aber ich denke wir sollten das mit dem „Sie" lassen. Ich bin Andrew. Oder besser gesagt Adam", meinte er.
Moment, was?! Jetzt war ich komplett verwirrt.
„Warten Sie... äh du, kurz mal. Was ist genau passiert? Ich dachte dein Name ist Andrew Parker. Ich bin übrigens May", stellte ich mich kurz vor.
„Das stimmt auch. Mein jetziger Name ist Andrew Parker. Früher hieß ich jedoch Adam Parson", antwortete er.
„Jetziger Name? Früher?", wiederholte ich kopfschüttelnd.
„Ich bin raus. Was wird hier überhaupt gespielt?", fragte ich.
„Okay, May. Beruhig dich erstmal wieder. Ich werde dir alles erklären", antwortete er mir. Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Wand und hörte ihm zu. Zwischendurch schloss ich immer wieder kurz die Augen.
„Also. Ich heiße Andrew Parker. Aber dieser Name ist eigentlich nur mein Pseudonym. In Wirklichkeit heiße ich Adam Parson und habe vor einiger Zeit bei der Happy N.E.S. Company als Lifecreator gearbeitet. Leider habe ich kein Talent fürs kreative Schreiben zu haben. Zumindest war das der offizielle Grund, weshalb ich schon nach ein paar Monaten entlassen wurde. Später habe ich von einigen Freunden, die noch immer hier arbeiten, erfahren, dass das wohl nur ein Vorwand gewesen ist. Anscheinend habe ich Dinge aus dem Labor mitbekommen, die ich nicht für meine Ohren und Augen bestimmt waren. Obwohl ich das zu dem Zeitpunkt nicht einmal wusste. Danach bin ich zur Zeitung gegangen, um nicht vollends mit dem Schreiben aufhören zu müssen. Dabei habe ich festgestellt, dass mir diese Art des Schreibens sogar viel mehr Spaß macht. Außerdem sah ich darin meine Chance mich an der Firma für meine Kündigung zu rächen. Das war anfangs zumindest mein Plan gewesen. Dann habe ich allerdings vor ein paar Wochen von einigen ehemaligen Kollegen und Freunden von illegalen Tests, die in Labor 5 durchgeführt werden sollen, erfahren. Leider konnte mir niemand unwiderlegbare Beweise liefern. Deshalb habe ich eigene Nachforschungen angestellt. Die Öffentlichkeit muss davon erfahren und ich habe die nötigen Mittel dazu. Um sicherzugehen, dass mich niemand wiedererkennt, habe ich meinen Namen geändert, die Haare von rot in schwarz gefärbt und meine grünen Augen durch Kontaktlinsen in braune verwandelt. Außerdem trage ich jetzt einen längeren Bart als früher. Naja, zumindest waren meine Nachforschungen zunächst leider nicht so erfolgreich gewesen, bis ich dann letzten Freitag Dr. Brown hierher gefolgt. Zu dumm nur, dass ich dann entdeckt und hier eingesperrt worden bin", erzählte er mir seine Geschichte.
„Jetzt wird mir einiges klarer", erwiderte ich.
„Deshalb habe ich auch deine Visitenkarte vor der Tür zu Labor 5 gefunden", meinte ich.
„Meine Karte? Ja, die muss ich da wohl verloren haben", sagte Andrew.
Dann stutzte er plötzlich.
„Aber was hast du da an dem Abend gemacht?"
„Du bist Dr. Brown gefolgt und ich wiederum dir", antwortete ich.
Dann war es an mir ihn aufzuklären. Ich erzählte ihm von seinem Brief, den ich bei Mr. Johnson im Büro zufällig gefunden hatte, der Pressekonferenz inklusive Geiselnahme, der Verfolgung am Abend des Maskenballs sowie meine anschließende Suche nach ihm und meinem Vertrauen zu Mr. Moore, das sich dann in dem Gespräch als fatal herausgestellt hatte.
„Ja, mir war auch nicht bewusst, dass Simon Moore derjenige ist, der die Fäden zieht. Mein Verdacht lag auch vor allem auf Nicolas Johnson", erwiderte er, als ich fertig war.
„Von ihm wurdest du auch hierher gebracht. Da warst du noch bewusstlos. Ich dachte schon, dass du unfreiwillig einen Chip implantiert bekommen hast, aber du wurdest von ihm nur niedergeschlagen", fuhr er fort.
„Nur? Mein Kopf sieht das ein wenig anders", sagte ich.
„Glaub mir, May. Dein Kopf würde nicht mehr derselbe sein, wenn du diesen Chip implantiert hättest. Vor allem nicht, wenn es der neue ist, der noch viel mehr Nebenwirkungen aktuell aufweist als der alte. Aber der Veröffentlichungstermin rückt näher und sie müssen den Happiness-Plus-Chip fertigstellen", erklärte er mir ernst.
„Soweit ich weiß hat Mr. Carter den Chip wohl aber sehr gut vertragen. Warum verschieben sie sonst den Launch des Chips nicht einfach?", überlegte ich laut.
„Das würde Dr. Brown niemals zulassen. Dann müsste sie sich eingestehen, dass sie eine Deadline nicht einhalten könnte und Simon würde das zu viel Geld kosten. Die beiden setzen alles daran rechtzeitig fertig zu werden. Das mit Mr. Carter habe ich auch schon gehört. Es gibt da wohl eine Wissenschaftlerin bei Dr. Brown, die eine sehr gute Idee hatte. Die beiden haben daran gearbeitet und so anscheinend das Risiko von Nebenwirkungen erheblich verringert", meinte er.
„Aber das ist doch etwas Gutes."
„Das schon. Trotzdem können sie nicht einfach irgendwelchen Personen gegen deren Willen den Chip implantierten, nur, um festzustellen, was sie noch verbessern müssen. Ich kann und will nicht verstehen, wie man Menschen nur so benutzen kann." Kopfschüttelnd saß Andrew alias Adam da.
Ich konnte ihn total verstehen, aber erstmal wollte ich hier raus. Die Panik in mir wuchs mit jeder Minute, die ich hier länger festsaß. Wer wusste, wann Mr. Moore oder jemand anderes vielleicht zurückkommen würde und wer weiß was mit uns anstellen würde.
„Ich verstehe dich und weiß auch nicht, wie man so etwas tun kann. Aber zuerst möchte ich hier raus. Bei dem Gedanken, dass Simon oder wer anders hier jederzeit auftauchen könnten, wird mir schlecht." Verzweifelt rüttelte ich an den Stäben, aber nichts bewegte sich.
„Meinst du nicht, dass ich das nicht schon versucht hätte? Glaub mir, hier gibt es nur den Weg raus, wenn wir den Schlüssel für das Schloss haben, den Simon natürlich immer bei sich trägt. Ganz klischeehaft wie in jedem Film", erzählte er mir.
Meiner Panik tat das alles andere als gut. Meine Atmung wurde flacher und hektischer. Ich atmete ein und aus und hatte dennoch das Gefühl meine Lungen würden sich nicht mit genügend Luft füllen. Auch Andrew schien das zu bemerken. Er legte mir seine Hand auf die Schulter und sah mich eindringlich an.
„May, langsam ein und ausatmen. Wehe, wenn du hier jetzt hyperventilierst. Das können wir gerade alles andere als gebrauchen. Beruhige dich. Langsam ein... und wieder ausatmen. Konzentriere dich nur auf mich." Ich hörte zwar seine Stimme, aber mein Kopf schmerzte so sehr, dass es mir mittlerweile sehr schwer fiel mich nur auf ihn zu konzentrieren. Dann meinte ich das Öffnen eines Schlosses und anschließend einer Tür zu hören. Scheinbar passierte das wirklich, denn Andrew wandte seinen Kopf Richtung Tür und erschrak für den Bruchteil einer Sekunde.
Ich sah noch, wie Simon den Raum betrat. Dann wurde mir erneut schwarz vor Augen.
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Happiness Plus
Science Fiction"Happiness-Plus-Chip, der": Die Weiterentwicklung des Happiness-Chips, der in das menschliche Gehirn implantiert wird und dem Träger zu einem glücklicheren Leben verhilft. Durch ihn werden Depressionen bekämpft. Die Happy N.E.S. Company ist die erfo...