Kapitel 25

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Ich parkte den Wagen genau dort, wo Yuhkai ihn haben wollte. Wir standen nun direkt zwischen Einfaht und dem Eingang zu Sallys Market und ganz langsam begriff ich, dass hier die beste Möglichkeit war, sofort wieder zu fahren oder schnellstmöglichst Schutz im Supermarkt zu suchen. Ich zog den Schlüssel und wollte gerade die Tür öffnen, als Yuhkai über mich hinweg griff und Tür wieder zu zog.
"Warte!", warnte er mich und sah zwischen den Vordersitzen hindurch nach hinten. Mein Blick glitt zu dem Rückspiegel, doch ich erkannte nichts weiter, als dunkle Regenwolken, die auf die Stadt zu gerollt kamen. Wir hatten noch ungefähr 20 Minuten vielleicht auch eine halbe Stunde, bis es zu regnen begann. Die Gesichtszüge des Lykaners spannten sich an und ich hätte schwören können, dass er mit einem Mal animalischer aussah. Ich versuchte, dieses aufsteigende Gefühl in mir, zu ignorieren. Die Warnung in meinem Kopf zu übertönen, aber Yuhkai spürte es auch und wahrscheinlich nahm er sogar ganz genau wahr, was hier eigentlich los war. Ich traute mich kaum zu fragen. „Was siehst du?"
Im Augenwinkel erkannte ich, wie er die Augen etwas zusammen kniff, bevor er sich wieder umdrehte.
"Nichts.", antwortete er. "Das ist ja das Problem." Sein Profil sah so unglaublich jungenhaft und perfekt aus, sodass der Ausdruck auf seinem Gesicht überhaupt nich dazu passte. Ich schüttelte leicht den Kopf. Meine Gedanken verwirrten mich. In der einen Sekunde, malte sich mein Verstand alle möglichen Horror szenarien aus und in der nächsten überwältigte mich das Aussehen dieses Lykaners.
"Wir sollten uns beeilen.", kam es von ihm und bevor ich zustimmen konnte, war er schon ausgestiegen und halb um den Wagen gelaufen. Mit einem Klicken öffnete er mir die Tür, jedoch hatte er den Blick noch immer fest auf den Waldrand hinter und gerichtet. Es lagen midesten 900 Meter zwischen dem Parkplatz und der Grenze von Stadt zu Wald. Ich stieg auch und stand zwischen ihm und dem Wagen. Mein Blick folgte seinem, doch alles was ich sah, waren die heranrollenden Sturmwolken.

Das Gefühl und mir, wurde stärker und ich konnte genau verstehen, was in Kai vor sich ging. Trotzdem schlug ich die Fahrertür zu und berührte ihn leicht am Arm, um den Lykaner zu besänftigen.
"Sie haben Patrouillen im Wald. Wenn dort etwas ist, wird sich schon jemand darum kümmern."
Er knurrte leicht und ein Schatten legte sich über sein Gesicht.
„Das ist ja das Problem", meinte er und suchte weiterhin den Waldrand ab. „In diesem Abschnitt sind keine Patrouillen unterwegs."
Skeptisch sah ich zwischen ihm und den Bäumen hin und her. Wo waren die Lykaner, die zur Wache eingeteilt waren? Die Sache machte mich genau so nervös wie Yuhkai.
„Vielleicht ein Schichtwechsel?"
Er zuckte nur mit den Schultern. Ein letztes Knurren verriet mir, dass er mit der gesamten Situation mehr als unzufrieden war. Verständlich. Aber er machte sich zu viele Gedanken darüber. Es gab eine Menge guter Erklärungen dafür, dass dieser angrenzende Waldabschnitt nicht bewacht war. Schichtwechsel, Toilettenpause, Teambesprechung oder die Wölfe waren zu einem anderen Abschnitt gerufen worden, indem es Probleme gab. Yuhkai machte sich einfach zu viele Gedanken.
„Hör auf damit", kam es von ihm und als ich aufblickte, sahen mich strahlend blaue Augen an.
„Womit?"
„Die ganze Sache herunter zu spielen. Und wenn wir einmal dabei sind, hör auf mich einen überführsorglichen Blödmann zu nennen."
Ich rollte die Augen und drängte mich an ihm vorbei in Richtung Eingangstür.

Den Lykaner hatte ich dazu verdonnert den Einkaufswagen zu schieben, während ich die Reihen ablief und meine Liste abarbeitete. Morgen startete das Wochenende. Ich konnte immer noch nicht ganz glauben, dass ich die letzten drei Tage verpasst hatte... Jake und ich hatten zwar über die Sache gesprochen, trotzdem war noch nicht alles wieder im Lot. Ich fühlte mich noch immer schlecht.
„Kaufen oder nicht?"
„Was?", fragte ich und sah verwirrt zu Yuhkai, der dich mit den Unterarmen auf dem Griff des Wagens abgestützt hatte.
„Du starrst seit zwei Minuten und siebenundzwanzig Sekunden auf die Packung Nudeln. Also: kaufen oder nicht", antwortete er. Sein Gesicht war noch immer ernst und ich ertappte ihn dabei, wie er immer wieder in Richtung Eingang sah. Als würde gleich etwas fürchterliches durch die Türen des Supermarktes kommen. Genervt schmiss ich die Packung zu den anderen Lebensmitteln im Wagen.
„Hast du nichts besseres zu tun, als die Zeit zu stoppen?"
Ich lief weiter. Er folgte mir mit einem Murren.
„Tja Asteria, wäre dir die Alternative denn lieber?"
„Was für eine Alterntive denn?"
Ich bog in den Gang mit den Süßigkeiten ein und hätte schwören können, dass Yuhkais Augen zu leuchten begannen. Interessant. Grinsend trat er an mir vorbei und suchte im Regal nach etwas. Das Grinsen in seinem Gesicht wurde breiter, als er nach drei Tüten M&Ms griff. Ja, dieser furchteinflößende Lykaner hatte eine Vorliebe für Süßigkeiten. Und ich staunte fast noch mehr, als eine Tüte Gummibärchen und drei Tafeln Schokolade hinzu kamen. Wo aß er all den Zucker und die Kalorien denn bitte hin?

„Wer viel trainiert darf das", kam es als Antwort.
Ich rollte mit den Augen und schenkte ihm böse lächelnd den Mittelfinger. So etwas arrogantes....
„Ist das alles für dich oder teilst du auch?"
Er knurrte mich an, grinste dabei jedoch noch immer.
„Ich denke nicht einmal im Traum daran!"
Idiot!
„Das hab ich gehört."
„Solltest du auch, Yuhkai."
Seine braunen Augen leuchteten für einen Moment blau auf. Ein Zeichen dafür, dass sein innerer Wolf hinaus gelassen werden wollte, wie ich mitbekommen hatte. Erstaunlich wie viel Kontrolle er besaß. Kopfschüttelnd lief ich an ihm vorbei und warf mir selbst eine Tüte Gummibärchen in den Einkaufswagen. Aber ich hatte mich immerhin unter Kontrolle, was die Süßigkeiten anging.
Ich hörte, wie Yuhkai mir folgte. Dieses merkwürdige Geräusch, dass die Räder des Einkaufswagens auf dem Boden hinterließen zerbissen die Stille zwischen uns. Es fühlte sich merkwürdig an, ganz normal mit ihm hier durch die Supermarkt Regale zu laufen, als wäre nie etwas zwischen uns gewesen. Selbst das Bedürfnis ihm die Augen auszukratzen hatte nachgelassen. Zusätzlich versuchte ich mich krampfhaft an das Versprechen, dass ich Jake gegeben hatte, zu halten. Ja, ich würde diesem Vollidioten hinter mir eine Chance geben.

„Was war das für eine Alternative", wollte ich wissen und griff nach einer Packung mit Küchenrollen. Als ich ihn ansah, verengten sich seine Augen kaum merklich.
„Was meinst du?"
„Die Alternative, bei der ich froh wäre, wenn du stattdessen weiter die Zeit stoppen würdest."
Er musterte mein Gesicht für einen Moment, doch ich hielt seinem durchdringenden Blick stand.
„Wieso habe ich dein Sexleben ruiniert?"
Die Direktheit und Ton in seiner Stimme erschlugen mich fast. Woher kam diese Frage auf einmal?
„Wieso... Was?" Ich war verwirrt.
„Auf dem Schulhof, als Jake abgetriftet ist und du eine Panikattacke hattest, hast du mir mit einem Mal alles entgegen geschleudert, was du an Hass und Wut in dir hattest", begann er zu erklären. „Und du meintest dann, dass ich es sogar geschafft hätte, dein Sexleben zu ruinieren."
Das hatte ich völlig vergessen. Ich hatte ihm so viele Dinge an den Kopf geschleudert, deren Hass und Wut sich eigentlich sogar gegen mich selbst gerichtet hatten, aber hatte alles abbekommen und es einfach akzeptiert...
„Ich habe viele Dinge gesagt, auf diesem Schulhof."
„Aber das war die einzige Sache, die du vollkommen ernst gemeint hast und die dich, wie es scheint, am meisten mitnimmt."
„Ich glaube nicht, dass das ein Thema für den Supermarkt ist und zweitens, war das ein Fehler. Immerhin geht dich mein Sexleben nichts an." Das war alles was ich sagen wollte. Alles was ich bereit war im Moment zu geben. Etwas änderte sich in seinem Blick. Er wurde weicher.
„Was immer es ist, Asteria, es tut mir leid."
„Lass es einfach gut sein."
Er nickte, doch etwas war mit einem Mal anders. Dieses seltsame Gefühl in mir, regte sich. Erwachte und drängte sich nach oben. Direkt unter meine Haut. Wollte zu ihm. War neugierig auf ihn.
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Wolfsblut - ProphezeiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt