„Damit haben mich meine Eltern aus dem Haus gelassen?" Ich bekam vor Lachen kaum noch Luft.
„Als ob du in den letzten sieben Jahren nie darauf gekommen bist, dass das kein Transformers T-Shirt war", rief ich und hielt mir den Bauch.
„Nein", versuchte er sich zu verteidigen. „Ich hab immer... Oh das werden sie büßen! Vor allem Dad, er hat mir immer grinsend die Daumen nach oben gezeigt. Oh das wird er bereuen!"
Yuhkai ah wirklich mitgenommen und etwas verärgert aus. Ich hatte damals nicht ganz verstanden, was der Schriftzug bedeutet hatte, aber das war definitiv kein Transformers Shirt gewesen. Und irgendwie konnte ich mir denken, dass sein Dad das witzig fand. Unsere Dads hatten echt einen verschrobenen Humor. Typisch Dads halt.
„Nimm es locker", meinte ich und hatte es endlich geschafft, mich soweit zu bergigen, dass ich weiter essen konnte. „Immerhin war dein Dad schon damals stolz auf... naja, du weißt schon. So oft wie er sich windeln musste." Er stockte kurz und ich konnte sehen, wie das halb gekaute Stück Brokkoli in seiner rechten Wange lag. Langsam schüttelte er den Kopf und kaute weiter.
„Themenwechsel bitte!"
„Okay", sagte ich und überlegte. „Was hältst du von Ella und Miles?" Er seufzte und verdrehte die Augen.
„Darüber willst du reden?"
Ich kaute weiter und nickte einmal nachdrücklich.
„Miles ist einer der schlausten Menschen die ich kenne. So wie Elisa, nur eher im Bezug auf Technik und Filme und so den Kram. Er ist ruhiger, aber er wird... lebendig - wenn man das so sagen kann - wenn er über etwas spricht, dass ihn interessiert oder am Herzen liegt." Er schaufelte sich eine weitere Portion Reis in den Mund. Ich konnte absolut nicht begreifen, wie die Schärfe ihn so kalt ließ. „Er ist normalerweise echt ruhig, aber ich glaube das Ella eine tolle Mate für ihn ist. Sie ist pfiffig und lebensfroh. Plappert drauf los - was manchmal nervig sein kann - aber sie passt irgendwie zu Miles. Und er zu ihr." Etwas hatte sich in seiner Stimme, in der Art wie er diese letzten Worte sagte, verändert. Sie wurde weicher und sie klang trauriger. Als würde er sich selbst danach sehnen, endlich seine Mate zu finden. Jemanden der zu ihm passte. Ihn ergänzte. Zusammenfügte.„Ich wollte später kurz zu den anderen", wechselte er von selbst nun das Thema. „Jetzt, da es dir gut geht. Denkst du, du kommst alleine klar?" Ich schluckte den letzten Rest von meinem Essen herunter und legte den Löffel beiseite, bevor ich antwortete.
„Ja klar, ich werde einfach etwas Fernsehen oder Jake anrufen. Mal schauen. Aber es ist alles gut. Geh ruhig." Ich wollte nicht, dass er geht, fand es aber irgendwie... armselig ihn zu fragen, ob er mich mitnahm. Wobei, mein Plan auf dem Sofa zu hocken und den ganzen Abend nur fern zu sehen, war auch nicht wirklich besser.
„Ich komm später wieder", sagte er und stellte das schmutzige Geschirr in die Spüle. Er hasste abwaschen, also würde ich später das Geschirr spülen und trocknen. Vielleicht war ja noch etwas von meinem Gemüse mit der Süß-Sauren Soße da...
„Okay", hauchte ich und beobachtete, wie er sich die Schuhe anzog und nach einigen Minuten das Haus verließ. Die Stille, die mit einem Mal das Haus überkam war merkwürdig. Ich war alleine. Seit Tagen wirklich alleine im Haus und wusste mit einem Mal, nichts mehr mit mir selbst anzufangen. Ich sah mich in der Küche um, drehte mich auf dem Stuhl und sah in das offene Wohnzimmer. Seit Tagen hatte sich nichts verändert. Niemand nutzte das große gemütliche Sofa oder las auf der gepolsterten Fensterbank. Seitdem die Angriffe auf die anderen Rudel begonnen hatten, gab es keine Familien-Wochenenden mehr. Keine Pizzawettbewerbe mit den Blacks oder Grillabende. Meine Eltern waren zu sehr mit den Geschehnissen und der Sorge um das Rudel beschäftigt und waren nie länger als ein paar Stunden im Haus. Es fehlte mir. Selbst Liams morgendliche schlechte Laune fehlte mir, was mir erst jetzt richtig bewusst wurde. Alles hatte sich innerhalb einiger Wochen verändert und ich kam nicht ganz hinterher. Aber am merkwürdigsten war das Gefühl, dass Yuhkai fehlte. Dabei war erst vor einigen Minuten gegangen.Ich seufzte und ließ mich von meinem Platz gleiten. Ablenkung. Ich brauchte Ablenkung. Voller vorgetäuschter Motivation betrachtete ich das Chaos im Spülbecken. Dann wollte ich mal. Ich spülte das Geschirr, brachte den Müll raus und wischte über alle Oberflächen. Der Kühlschrank sah nicht so trostlos aus, wie ich es erwartet hatte. Jemand war einkaufen gewesen.Ich hasste diese Stille. In den letzten zwei Stunden hatte ich nicht nur die Küche aufgeräumt und sauber gemacht, hatte die Wäsche gemacht, das Wohnzimmer auf Vordermann gebracht und das Badezimmer geputzt. Und nun saß ich mit einer dampfenden Tasse voll frisch aufgebrühtem Tee auf der Treppe und starrte die Eingangstür nieder. Irgendwie hatte ich diese winzige, lächerliche Hoffnung, dass Kai jederzeit wieder kam. Es war lächerlich. So lächerlich! Ich wollte ihn - brauchte ihn - um mich. Er hatte eine Linie gezogen und bewiesen, dass wir Zeit brauchten. Zeit, um zu sehen, was aus uns werden würde. Aber etwas hatte sich verändert. Es hatte sich anders angefühlt, als ich ihn gesehen hatte. Yuhkai hatte etwas sagen wollen und genau in diesem Moment war Liam hereingestürzt. Ich fluchte, als ich mir die Zunge am Tee verbrühte. Ich war so sehr in Gedanken gewesen, dass ich ohne zu pusten einen Schluck von der Tasse genommen hatte. Toll. Meine Knie knackten, als ich mich nach oben stemmte und kopfschüttelnd in mein Zimmer lief. Die Tasse stellte ich auf den kleinen Tisch neben meinem Bett und sah mich um. Mondlicht fiel durch die Fenster und tauchte das Zimmer in einen bläulich silbernen Schein. Ich sah zu dem Stuhl, auf dem Yuhkai gesessen hatte und ihn genau sehen. Wie weich seine Gesichtszüge wurden, wenn er schlief. Wie friedlich er aussah. Seit seinem ersten Tag an der Greystone High hatte er Macht ausgestrahlt. Kraft und Stärke. Er war das Gegenteil von Erik. Yuhkai machte sich Sorgen - obwohl er es nie offen zugab - und kümmerte sich um die Menschen, die ihm viel bedeuteten. Er scheute sich nicht, einer Gefahr gegenüber zu treten und vor allem, löste er Gefühle in mir aus, die ich schon lange nicht mehr gespürt hatte. Wo waren die kleinen streitenden und zankenden Kinder von damals hin? Hätte mir einer der Erwachsenen damals gesagt, dass ich später einmal etwas für Yuhkai empfinden würde, hätte ich demonstrativ gewürgt und angefangen zu lachen. Aber jetzt war alles anders. Und mir wurde schlagartig bewusst, dass es so war. Ich empfand etwas für diesen Lykaner, den ich geschworen hatte zu hassen. Ich empfand etwas, aber es machte mir keine Angst. Ich wollte diese Dinge spüren. Ich freute mich darauf. Es machte mich neugierig und ich wollte mehr. Mehr von ihm.
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Wolfsblut - Prophezeiung
Hombres LoboWeißt du wer du bist? Weißt du was du bist? Weißt du wer du werden wirst? Jahre ist es her, seitdem Kyra den dunklen Adanyi besiegt und alles aufgegeben hatte, um diejenigen zu retten, die ihr etwas bedeuteten. An diesem Tag begann sich die uralte...