Kapitel 34

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Yuhkai

„Yuhkai", sprach der Alpha. „Finde Ria und halte sie davon ab, den Jungs etwas anzutun. Das Recht über ihr Schicksal zu entscheiden liegt allein bei Jake."
Ich nickte. „Erik ist wahrscheinlich zu Hause. Ein paar Häuser die Straße nach unten."
Mehr brauchte ich nicht und schon war ich wieder in Wolfsgestalt und rannte durch die Straße. Alles in mir drehte sich nur noch um Ria. Ich hatte ihre blassgrünem Augen vor mir, wie sich mich am Samstag mit dieser Sehnsucht ansahen. Dieser Blick hatte sich auf meiner Haut eingebrannt. Aber was war mit einem Mal passiert, dass ihr Geruch sich plötzlich nach zu Hause roch? Heute früh hatte ich eine klare Grenze gezogen, um uns beiden die Chance zu geben, herauszufinden, was wir eigentlich wollten. Und die Art wie ich auf Asteria reagierte, war so anders als früher, dass ich überhaupt nicht mehr gewusst hatte, was ich eigentlich tat. Geschweige denn keine Ahnung hatte, ob sie meine Mate war oder ich einfach nur etwas körperliches wollte. Aber jetzt... Ich musste sie einfach finden.
Das Haus des Alphas war nicht besonders prunkvoll oder auffällig, trotzdem erkannte man es sofort. Ich knurrte und flog über den Asphalt. Aber je näher ich kam, desto schlimmer wurde es. Asteria war nirgends zu sehen und ihr Geruch lag auch nicht in der Luft. Verdammt noch einmal. Erik war hier und seine Freunde hundertprozentig auch. Wenn sie also auf dem Weg hier her war, musste ich warten. Und das wollte ich nicht. Ich wollte sie endlich bei mir haben und so animalisch und barbarisch es auch war - Ich wollte Blut sehen. Gerade als ich in dem Vorgarten ankam, öffnete Luis, einer von Eriks Freunden, die Tür. Er war unverletzt und nicht an der Schlägerei mit Jake beteiligt. Doch als er mich sah, lächelte er herablassend und drehte sich zu jemanden um. Ich verwandelte mich, doch mein Wolf behielt die Kontrolle.
„Hey Erik", rief der Lykaner. „Schau mal wer hier ist. Erst Jake und jetzt der Abschaum vom White Dawn Rudel." Ich hörte Gelächter. Oh das würde hässlich werden. Und ich freute mich darauf.
„Yuhkai", kam es mit einer lässigen Arroganz von Erik. Ich verstand noch immer nicht, wie aus ihm so ein Mistkerl geworden war. Immerhin tat sein Vater alles mögliche, um Erik mit guten Beispiel voranzugehen, nach den eigenen Fehlern, die er in seiner High School Zeit gemacht hatte. „Na, womit habe ich die Ehre, dein Gesicht sehen zu dürfen?"
„Wo ist sie", wollte ich wissen. „Wo ist Ria?"
„Ria", wiederholte er und trat nach draußen. Die Hände lässig in die Hosentasche geschoben. „Keine Ahnung. Ist sie dir etwa fortgelaufen? So wie Jake? Immerhin hat sie für ihn ja die Beine breit gemacht und mich mit ihm betrogen. Und für dich hat sie sich sicherlich auch auf den Rücken gelegt. Sag mir, wie fühlt es sich an, mit ner Feindin aus einem anderen Rudel zu ficken? Macht sie immer noch dieses kleine  wimmernde Geräusch, kurz bevor sie kommt?"

Ich knurrte. Er provozierte mich und so schlimm es auch war, es wirkte. Ich wollte mich am liebsten auf ihn stürzen, ihm dieses selbstgefällige arrogante Grinsen aus dem Gesicht prügeln und ihm dann die Kehle durchbeißen. Ich wollte...
„Oh", bemerkte der Sohn des Alphas. „Anscheinend hat sie sich noch nicht rangelassen. Nicht wahr! Anscheinend lässt sie nur Jake ran. Oh armer Yuhkai. Du wirst sehen, in ein paar Tagen wird sie vielleicht auch für dich die Beine breit machen."
Ich setzte zum Sprung an, doch plötzlich hielt mich etwas zurück.
Yuhkai.
Ich blinzelte. Was zur Mondgöttin?
Yuhkai.
Da war sie wieder. Diese Stimme. Asteria war in letzten Wochen als einzige in der Lage gewesen, in Gedanken mit mir zu sprechen, aber diese Stimme gehörte nicht ihr. Jedenfalls nicht vollständig. Etwas uraltes hallte ihr nach. Ich sah mich um, in der Hoffnung Ria irgendwo stehen zu sehen, aber sie war nicht da. Wie konnte sie also mit mir sprechen?
Finde mich. Hilf mir.
Sie brauchte Hilfe. Von mir. Aber wo... wo war sie?
„Am liebsten würde ich dir deine Visage pilieren, aber ich verrammt nochmal nicht wegen deinem jämmerlichen Arsch hier", erwiderte ich. „Also tu uns beiden den Gefallen und heb dir deine Sprüche für jemanden auf, den es interessiert."
„Was hast du gesagt?" Sein Blick wurde finster und seine lässige Haltung ließ er fallen. Ich konnte sehen, wie sich seine Muskeln unter seinem grünen T-Shirt anspannten und er die Finger bewegte, als müsse er sie lockern.
„Dass du den scheiß, den du von dir gibst, jemanden erzählen sollst, den es interessiert." Die Lykaner hinter Erik bezogen Position und schienen bereit, sich jeden Moment auf mich zu stürzen. Ich sah die Straße entlang, Richtung Waldrand und wägte ab, ob ich diese Unterhaltung fortsetzen sollte oder nicht. Aber je länger ich mich mit diesen Vollidioten aufhielt, desto länger würde es dauern, bis ich Ria fand. Und ich durfte nicht noch länger zögern. Sie brauchte mich. Brauchte meine Hilfe. Wenn sie verletzt war und ich würde noch länger hier stehen, vielleicht würde sie dann... Nein! Ich vermied es, den Gedanken weiter zu führen. Ich musste einfach nur noch schnell weg von hier und Ria finden.
„Spart es euch", meinte ich und hob die Hand. „Das ist meine Zeit nicht wert." Ich verwandelte mich, bevor einer von ihnen etwas sagen konnte und preschte die Straße entlang. Mein Wolf forderte meinen Körper noch schneller zu laufen, als ich es eh schon tat. Der Asphalt unter meinen Pfoten wich weichem Waldboden. Altes Laub knirschte, Zweige zerbrachen und die Bäume zogen in Sekundenschnelle an mir vorbei. Ich witterte ihren Geruch in einigen Meilen Entfernung. Er war kaum wahrnehmbar, aber sogleich auch so einnehmend. Ich knurrte und lief. Ich hatte nicht einmal mehr eine Ahnung, wohin. Alles was ich in diesem Moment noch wusste, war ihr Name. Ria. Dieser Geruch nach einer klaren, kühlen Vollmondnacht löste etwas in meinem Inneren. Es fühlte sich warm und vertraut an. Wie zu Hause. Meinem zu Hause. Ria war mein zu Hause. Und mit einem Mal merkte ich es. Dieses feine Band, dass mich zu ihr zog. Es war zart. Wirkte zerbrechlich, aber es war da.

Wolfsblut - ProphezeiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt