Kapitel 18

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Mein Herz raste und ich nahm kaum mehr etwas wahr. Alles wurde schwarz und nur Jake und Yuhkai waren noch dort. Etwas passierte mit mir, aber ich verlor komplett die Kontrolle. Kontrolle über meine Gedanken, Gefühle, meinen Körper... einfach über alles. Ich wollte Jake helfen, ihn beruhigen, gleichzeitig mich aber auch in Sicherheit bringen, mich an Yuhkai festklammern...
"Hör auf damit!", knurrte der Lykaner direkt in mein Gesicht. Ich schaffte es den Blick auf ihn zu richten. Ihn zu sehen. Himmel war dieser Lykaner schön!
"Verdammt, Ria!", schrie er mich an und sein Blick fiel erschrocken auf seine Hände an meinem Hals. Ich blinzelte und der Ausdruck von Schmerz, der in seinen Augen lag, holte mich zurück. Erschrocken holte ich Luft und stieß ihn von mir. Mit aufeinander gepressten Kiefer sah er seine Hände an. Sie waren blau. Ich schlug die Hand vor den Mund. Das heute morgen in dem Klassenzimmer war keine Einbildung gewesen. Der feine Eisfilm auf dem Boden war wirklich da gewesen!
"Yuhkai... ich... Oh Gott, es tut mir so leid."
Er blickte von seinen Händen auf und sah mich an. Der Schmerz stand noch immer in seinen Augen, aber sein Gesicht entspannte sich. Wurde weich. Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper und versuchte mich abzuschirmen. Was passierte hier? Was passierte hier mir mir?

Yuhkai sah nach hinten und musterte Jake einen Augenblick. Er hatte begonnen am ganzen Körper vor Wut zu zittern und er sah aus, als würde er gleich Amok laufen, aber das schien Yuhkai überhaupt nicht zu stören. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf mich und kam dann auf mich zu. Seine Hände wurden wieder durchblutet und hatten eine zarte rötliche Färbung angenommen. Er griff nach mir und zog mich an sich. So fest, dass es mir jegliche Luft aus den Lungen presste. Er hielt mich. Fest.
"Beruhig dich.", flüsterte er und hob vorsichtig eine Hand an meinen Hinterkopf. "Du musst dich beruhigen und dich wieder kontrollieren. Wenn seine Mate hier auftaucht und er dich als Bedrohung wahr nimmt, geht das für keinen von uns gut aus. Verstehst du mich?"
Der Gedanke, dass Jake mich als Bedrohung wahr nahm, sobald Elisabeth hier war, versetzte mir einen heftig Stich ins Herz. Aber diese fürchterlich eisige Realität holte mich zurück auf den Boden. Ich entspannte mich, zwang meinen Körper wieder mir zu gehorchen.
"Gut so.", bestätigte er mich. "Das machst du sehr gut." Seine Stimme war warm, beruhigend... ich glaubte sogar etwas liebevolles dahinter zu erkennen.
"Ich... will nicht, dass er meinetwegen Elisabeth weh tut. Oder deinen Freunden. Oder dir." Es war die Wahrheit. So gern ich Yuhkai auch selbst die Augen aufgekratzt hätte oder was sonst noch, war er es trotzdem, der mich beschützte und mich gerade vor Dummheiten bewahrte und beruhigte. Dass er jetzt wegen mir verletzt würde, wollte ich nicht.

"Wolltest du mich heute morgen nicht liebsten mit deinem Bleistift erstechen, mir die Haut abziehen und dann im tiefsten Wald vergraben, sodass mich nie wieder jemand finden würde?", fragte er. Belustigung. Seine Stimme triefte nur so davon. Wie um alles in der Welt konnte er jetzt scherzen? Und Moment mal!
"Woher?"
Nein, das war nicht möglich!"
"Oh doch, dass ist wohl möglich!", sagte er und er hatte schon wieder dieses selbstgefällige, wissende Grinsen auf dem Gesicht, dass ich ihm so gerne weggeprügelt hätte. Aber dann wäre sein Gesicht entstellt....
"Du findest mein Gesicht viel zu schön, um es so zu verunstalten, nur damit es dir besser geht." Ich stieß ihn von mir.
"Wie kannst du verdammt nochmal meine Gedanken lesen?", stieß ich ungläubig und langsam auch wütend hervor. Er hatte seit heute morgen meine Gedanken gelesen und kein Wort gesagt. Oh Gott! Ich hatte an Sachen gedacht, die er nie hätte erfahren dürfen. Ich...
"Beruhig dich!", kam es von ihm völlig gelassen. "Aber um eines klar zu stellen: ich hab deine Gedanken nicht gelesen! Du hast sie mir entgegen geworfen. Das ist ein himmelweiter Unterschied."
Fast schon verzweifelt fuhr ich mit den Händen über mein Gesicht. Das dürfte doch alles nicht wahr sein! Wegen Yuhkai geriet alles aus dem Ruder. Seitdem er hier aufgetaucht war, verlor ich immer mehr die Kontrolle. Ich... also... Argghh!
"Reg dich ab, Ria. Dann hab ich halt deine Gedanken über mich gehört. Na und?"
"Na und?", äffte ich ihn nach und ließ ungläubig die Arme fallen. "Na und? Verdammt noch mal, Yuhkai! Seit unserer Kindheit machst du mir das Leben schwer! Ich hab mich in den letzten Jahren so gefreut, dich kein einziges Mal zu sehen. Mir war es sogar egal, was aus dir geworden ist oder ob du überhaupt noch am Leben bist!"

Ich lachte tonlos auf. All die Gefühle platzen nur so aus mir heraus. Ich machte mir nicht einmal mehr Gedanken um Jake.
"Ich hab die letzten Jahre so genossen. Aber seit gestern dreht sich in meinem Kopf alles nur noch um dich! Mein gesamter Hass erschlägt mich fast. Und als ich dich heute morgen dann gesehen hab und wusste, dass du es bist, wollte ich mir am liebsten Selbst die Haare ausreißen, weil mein Körper so verräterisch reagiert hat. Bilde dir auf meine Gedanken zu deinem Aussehen gar nichts ein, denn dahinter steckt rein gar nichts, was ich anziehend finden könnte. Aber seitdem du da bist, dreht sich alles nur noch um deine Anwesenheit. Und glaub mir wenn ich dir sage, das du all die Jahre, in denen du mich gehänselt, beleidigt und erniedrigt hast, zurück bekommst. Ich fass es einfach nicht! Du hast es selbst geschafft mit mein Sexleben zu ruinieren, ohne überhaupt anwesend gewesen zu sein. Danke dafür!"
Zorn. Nicht als Zorn.
Ich hätte ihn so gerne gehasst. Damit meinte ich, ihn wirklich zu hassen und es nicht nur zu behaupten. Aber... ich konnte ihn - warum auch immer - nur mit Worten hassen und nicht mit Gefühlen. Hass lag in meinen Worten aber nicht in meinem Herz. Darin war ungezähmter Zorn, für das was er getan hatte und dass er nie erkannt hatte, wie verletzend er gewesen war. Das war eine Wahrheit, der ich mir gerade bewusst wurde. Jake, wäre er nicht in diesem Zustand, hätte genau verstanden, was ich gerade erkannte. Er hatte mir beigestanden. Stattdessen hatte ich ihn in diesen Zustand getrieben, aus dem er nicht heraus kam. Nein, Yuhkai hasste ich nicht, aber es fehlte nicht mehr viel und ich würde mich so unendlich tief hassen.

Ich schloss die Augen und wünschte, dass dieser Tag nich einmal komplett neu beginnen würde. Ich würde alles anders machen, nur damit ich Jake nie in diese Lage brachte. Aber es war zu spät. Ich hatte meinen besten Freund, meine Familie, meinen Seelenverwandten zu einem Abgrund gedrängt, in den er jeden Augenblick abrutschen könnte und ich würde ihm nicht helfen können.
Ein riesiges schwarzes Lich begann sich in mir auszubreiten und alles zu verschlingen. Meine Gedanken, Gefühle und mein Herz. Ich wollte nur noch, dass es Jake wieder besser ging und danach wollte ich, dass dieser Tag endet. Ich wollte nichts mehr fühlen. Ich wollte mich dieser Schwärze hingeben und mich von ihr verschlingen lassen.
Die Eingangstür der Schule wurde aufgerissen und Elisabeth kam aus ihr heraus gestürmt. Gefolgt von sieben Lykanern. Sie rannte auf Jake zu, ließ unbekümmert die Tasche fallen und kam schlitternd vor ihm zum Stehen. Ihr zarter Körper bebte, so heftig schluchzte sie. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagte, aber als sie ihre Hände um sein Gesicht legte, steckte so viel Wärme, Liebe und Zuneigung in ihnen, dass sich in Jake etwas regte. Erleichtert atmete ich auf. Jake würde wieder, dafür würde Elisabeth sorgen. Da war ich sicher. Ich hob meine Tasche, die ich wohl fallen gelassen haben musste auf und ging. Ich konnte niemanden helfen und nur zuzusehen schien mir so falsch. Also ging ich.
"Ria!", rief jemand, aber ich hörte nicht darauf. Ich wollte nur noch weg.
Ich ließ die Schwärze gewinnen und klammerte mich nur an dieses Gefühl der Erleichterung, während ich den Wagen aufschloss, mich hineinsetzte, den Motor startete und davon fuhr.

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Halli Hallo❤

Ich war seit langem (seit einer Woche) mal wieder Arbeiten und dachte mir, ich nutze meinen Feierabend um für euch ein neues Kapitel hochzuladen und etwas weiter zu schreiben.😊

Ich möchte jetzt eigentlich wirklich versuchen, täglich ein Kapitel hochzuladen. An den Wochenenden vielleicht 2, als kleines Adventspresent.❤

LG
Jessy😎❤

Wolfsblut - ProphezeiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt